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Verschärftes Polizeigesetz in NRWVor allem Klimaaktivistis im Visier

Das neue Polizeigesetz in NRW wurde offiziell mit dem Kampf gegen Terror begründet. Doch in Langzeitgewahrsam landen vor allem Klimaaktivist:innen.

Mehr als 3 Stunden besetzte ein Aktivist einen Bagger und stoppte damit den L277-Rückbau Foto: Björn Kietzmann

BERLIN taz | Es ist kein großes Geheimnis, dass die neuen, erweiterten Möglichkeiten des Polizeigesetzes in Nordrhein-Westfalen vor allem gegen Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen verwendet werden. Die Antwort des Innenministeriums in NRW auf eine Kleine Anfrage der Grünen zeigt nun das Ausmaß: Mehr als ein Drittel der Menschen, die seit 2019 in verlängerten Gewahrsam genommen wurden, sind Klimaaktivist:innen. Zuerst hatte Krautreporter über die Kleine Anfrage berichtet.

Eine Baggerbesetzung im Spätsommer 2020 – 21 Festnahmen, eine Baggerbesetzung im Frühjahr 2021 – 7 Festnahmen, eine Baggerbesetzung im Herbst 2021 – 12 Festnahmen: Das sind nur einige der Einträge in der Liste. In allen Fällen geht es um die „Identitätsfeststellung“, weil die Ak­ti­vis­t:in­nen sich nicht auswiesen und teilweise die Fingerkuppen verklebt hatten. Bis zu acht Tage Gewahrsam wurden so angeordnet.

Das Polizeigesetz in Nordrhein-Westfalen war trotz heftiger Proteste im Dezember 2018 verschärft worden. Unter anderem wurde damals die Möglichkeit eines verlängerten Gewahrsams eingeführt, mit der Menschen bis zu 14 Tage festgehalten werden können – begründet wurde das mit dem „internationalen Terrorismus“.

Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen hatten schon damals kritisiert, dass sich das Gesetz eigentlich gegen die Klimaproteste rund um den Kohleabbau wende. Die neuesten Daten geben ihnen nun recht: Festgenommene, bei denen es sich um Ter­ro­ris­t:in­nen handeln könnte, machen nur einen Bruchteil der Menschen in Langzeitgewahrsam aus.

Ob es sich bei den Festgenommenen um Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen handelt, basiert auf der Einschätzung des Innenministeriums. Da es sich um Polizeibehörden in der Nähe des Tagebaus Garzweiler handele und um Identitätsfeststellung gehe, sei „von einem Zusammenhang mit dem Konflikt rund um den Braunkohleabbau auszugehen“. In einigen Fällen gibt es eine sichere Zuordnung, an anderer Stelle vermutet das Ministerium nur den Zusammenhang.

Fraglich ist, ob die Liste so vollständig ist. Unter den 119 Menschen, die in der Kleinen Anfrage nicht einem Bereich zugeordnet wurden, dürfte es noch weitere Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen geben. So wurde bereits berichtet, dass nach einer Baggerbesetzung im Februar 2019 mehrere Ak­ti­vis­t:in­nen in Langzeitgewahrsam genommen wurden. In der Liste des Innenministeriums werden sie aber nicht als solche eingeordnet.

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