American Pie: Verrückt nach Favre?
■ Die Green Bay Packers und ihr Quarterback Brett Favre sind in Not
And as the flames fly
high into the night
Fast scheint es, als hätte der City Council von Green Bay etwas geahnt, als er sich im Mai dagegen aussprach, eine Straße in „Brett Favre Pass“ umzuwidmen. „Es ist keine gute Idee, eine Straße nach einer lebenden Person zu benennen“, gab ein Stadtrat zu bedenken, „was ist, wenn er ein Verbrechen begeht?“ Ganz so schlimm trieb es Brett Favre nicht, doch manch ein Fan des Football-Teams der Green Bay Packers würde dieser Behauptung wohl widersprechen und sagen: Schlimmer! Einen kleinen Gesetzesverstoß würde man dem 29jährigen möglicherweise nachsehen, nicht aber, daß er schlecht spielt.
Dreimal wurde der Quarterback der Packers zum besten Saisonspieler der National Football League (NFL) gewählt, doch dieses Jahr erinnert sein Treiben auf dem Platz eher an seine schwierigen Anfangsjahre. 1993 etwa, als 24 Pässe des hochtalentierten, aber zu extremem Risiko neigenden Favre abgefangen wurden – Ligarekord. In dieser Saison hat er es in sechs Partien immerhin schon auf 12 „Interceptions“ gebracht, und in drei aufeinanderfolgenden Spielen leistete er sich je drei Ballverluste, die den Gegnern insgesamt 37 Punkte und den Packers zwei Niederlagen einbrachten. Zunächst gegen die Minnesota Vikings, dann gegen die Detroit Lions. Besonders peinlich, daß auf der anderen Seite der Rookie-Quarterback der Lions, Charlie Batch, sein drittes Match ohne jede Interception absolvierte.
„Es ist nicht das Schlechteste, was ich je gespielt habe“, meint Favre, „aber es ist nahe dran.“ Der Ärger über die eigene Leistung und die Kritik von allen Seiten zerren an den Nerven des Mannes, der vor zwei Jahren den Sommer in einer Drogenklinik verbrachte, um seine Abhängigkeit von Schmerztabletten zu kurieren. „Ich rufe nicht mal mehr zu Hause an“, erzählt er, „weil mein Vater gleich loslegt: ,Was zur Hölle tust du eigentlich?‘“ Fragen, die Favre mehr als satt hat, denn keiner weiß besser als er, daß er keineswegs der einzige Verantwortliche für die Misere ist. Die Kette seiner Beschützer, die ihn von den gegnerischen Kolossen abschirmen soll, ist löchriger als die Käsehüte der Packers-Fans, die Defensive hat bislang bloß drei Interceptions zustande gebracht – gerade eine mehr als das sieglose Team der Washington Redskins –, und die Paßempfänger laufen sich nicht frei. „Das ist das schlechteste Packers-Team, das ich seit einer ganzen Weile gesehen habe“, raunzte Favre, bevor er wieder auf die Harmonieschiene schwenkte und erklärte, auch in dieser Saison sei noch alles drin.
Am Sonntag gegen die Baltimore Ravens war immerhin Besserung zu sehen. „Das war okay“, sagte Favre nach dem 28:10. Zwei Interceptions unterliefen ihm dennoch, und ordentlich rumgeschubst wurde er auch. In jedem Fall sind die Packers weit von der Form entfernt, die ihnen 1997 den Sieg in der Super Bowl gegen New England brachte und im letzten Jahr die Teilnahme am Finale, das sie gegen Denver verloren. Der Titelverteidiger ist im übrigen, wie Minnesota, weiter ungeschlagen und auf dem besten Weg zur Super Bowl.
Bei den Green Bay Packers sieht es danach überhaupt nicht aus, und es könnte gut sein, daß der größte Erfolg für Brett Favre in diesem Jahr seine Mitwirkung in dem saukomischen Film „Verrückt nach Mary“ bleiben wird, dem unangefochtenen Sommerhit in den USA. Favre steht meist klotzig und grinsend in der Gegend herum, nur am Ende wird er von Marys geistig behindertem Bruder aufs Kreuz gelegt. Wie sich zeigen sollte, kein gutes Omen für die folgende Football-Saison. Matti Lieske
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