Vernichtende Bilanz für Verbraucher: Informationsgesetz informiert nicht
Verspätete, teure und unvollständige Auskünfte: Nach zwei Jahren sehen Umweltschützer das Verbraucherinformationsgesetz als Misserfolg an und fordern eine Reform.
BERLIN taz | Zwei Jahre nach Start des Verbraucherinformationsgesetzes haben Umweltschützer eine vernichtende Bilanz gezogen. "Statt für mehr Transparenz für die Bürger zu sorgen, schützt das Gesetz die Unternehmen", sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) am Mittwoch in Berlin. Verbraucher bekämen keine brauchbaren Auskünfte von den Behörden. Greenpeace schloss sich der Kritik an und nannte ein Beispiel: Zwei Ämter in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hätten auch nach zwei Jahren nicht auf eine Frage nach Pestizidfunden in Obst und Gemüse geantwortet.
Nach dem Verbraucherinformationsgesetz sollen Konsumenten seit Anfang Mai 2008 Zugang zu Erkenntnissen der Behörden über Lebensmittel haben. Ausdrücklich nennt das Gesetz Rechtsverstöße als Auskunftsthema. Damit reagierte der damalige Ernährungsminister Horst Seehofer (CSU) auf den Wahlvolkszorn nach diversen Fleischskandalen. Verbraucher- und Umweltverbände erhofften sich von einem Informationsgesetz, dass beispielsweise Gammelfleisch-Händler geoutet würden - was potenzielle Übeltäter effizienter abschrecke als die unter Personalmangel leidende amtliche Lebensmittelkontrolle.
Doch jetzt heißt es bei der DUH: "Nichts davon ist eingetreten." Die Ämter hielten Fristen nicht ein, würden keine Verantwortlichen nennen und dafür auch noch teils abschreckende Gebühren erheben.
Als die DUH vom Ministerium wissen wollte, welche in Kartons verpackte Getränke und Lebensmittel mit der mutmaßlich gesundheitsschädlichen Druckchemikalie ITX belastet sind, verschwieg es die meisten Herstellernamen. Regelmäßig lehnten die Ämter Anfragen ab, weil Betriebsgeheimnisse der Firmen zu wahren seien.
Die Umweltschützer fordern deshalb ein völlig neues Gesetz. Darin muss laut DUH klargestellt werden, dass amtliche Kontrollergebnisse keine Geschäftsgeheimnisse sind. Auch die Regierungspartei FDP erklärte, dass "der Nachbesserungsbedarf riesig ist". Das Verfahren müsse entbürokratisiert und Informationslücken müssten geschlossen werden. Eine Sprecherin des Ernährungsministeriums wies die Vorwürfe zurück. Rund 80 Prozent der Anfragen seien kostenlos beantwortet worden. Sie räumte allerdings ein, dass die Behörden 30 Prozent nicht fristgerecht beantwortet hätten. "Das waren sehr umfangreiche Rechercheanfragen", erklärte sie. Das Geschäftsgeheimnis gelte ausdrücklich nicht, wenn die Gesundheit gefährdet ist oder die Unternehmen "klar illegal" handeln. Doch wann solche Fälle vorliegen, ist in der Praxis laut DUH meist umstritten.
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