Vermarktung der Fußball-WM in Kanada: Sponsoren, Hype und Sexyness
Frauenfußball findet in einer Nische abseits des großen Vermarktungsbusiness statt. Die deutschen Spielerinnen fühlen sich ganz wohl dabei.
Nationalmannschafts-Managerin Doris Fitschen sagt in einem Making-of-Filmchen, dass das DFB-Team nicht sehr oft so große Werbedrehs habe. Es klingt, als sei sie nicht richtig zufrieden mit der Vermarktung der Mannschaft. Eigentlich sieht man in diesen Tagen der Fußball-Weltmeisterschaft nur diesen einen Spot mit den Kickerinnen, zumindest wirkt es so.
Die Sponsoren stehen nicht gerade Schlange, um Annike Krahn oder Simone Laudehr zu Botschafterinnen ihrer Marken zu machen. Die Werbewirtschaft schlachtet diese WM, die ihre Spiele meist tief in der deutschen Nacht vor wenig Fernsehpublikum hat, nicht wirklich aus. Das war vor vier Jahren noch ganz anders.
Die Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland sollte zum Testfeld werden. Wie gut lassen sich Fußballerinnen vermarkten? Was ist alles möglich? Wie weit kann man gehen mit Kampagnen, aufgemotzten Trailern und schicken Fotos? Ein sexy Image sollte kreiert werden von jungen modernen Spielerinnen, die vor allem in ein heterosexuelles Rollenmodell passen.
Nackt im „Playboy“
Die Bundesligaspielerinnen Selina Wagner und Julia Simic, Annika Doppler, Kristina Gessat und Ivana Rudelic ließen sich nackt im Playboy ablichten. Der Focus jubelte daraufhin: „Dass die Fußball-Damen nicht bullig, sondern anmutig, nicht unweiblich, sondern schön anzusehen sind“, dafür sei nun endlich der Beweis auf Hochglanzpapier erbracht.
Wer guckt: 2010 haben die insgesamt 61,88 Millionen via TV erreichten Zuschauer im Schnitt 11,7 WM-Spiele gesehen, während die 38,93 Millionen Zuschauer bei der Frauen-Weltmeisterschaft 2011 durchschnittlich nur bei 4,6 Partien vor dem Fernseher saßen.
Wer guckt noch? Die Zuschauer der Frauenfußball-WM 2011 waren im Schnitt älter als die Zuschauer der Männerfußball-WM des Vorjahres. So waren bei der WM 2011 69 Prozent der Zuschauer älter als 50 Jahre, ein Jahr zuvor waren es bei der Männer-WM 55 Prozent.
Es waren vor allem Marketingexperten, die der Öffentlichkeit mit dem Holzhammer vermitteln wollten, dass auf dem Platz nicht nur Mannsweiber mit Damenbart und Stoppelschnitt kickten. Entsprechend dämlich fielen die Kampagnen dann auch aus. Das Kosmetikunternehmen Schwarzkopf steckte gleich fünf Nationalspielerinnen in eng anliegende Abendkleider, zog ihnen Stöckelschuhe an und schminkte sie grell. Das Ganze lief dann unter dem einfältigen Kampagnen-Titel „La Olàlà 2011“, was immer das auch heißen sollte. Unterzeile: „So schön können Fußballprofis sein.“
Simone Laudehr, eine eher herbe Person, sah nun aus wie ein Sternchen aus der TV-Serie Sex and the City. Auf der Webseite von Schwarzkopf gab sie Beauty-Tipps: „Öfter mal was Neues! Rot schimmernd statt mausgrau – darauf fahre ich gerade total ab.“ Lena Goeßling, die auch im aktuellen WM-Kader steht, verriet: „Gel im Haar liegt im Trend! Ich mag lockere Linien, frische Farben und bloß nicht zu viel Styling-Stress.“
Logisch, dass auch Fatmire Bajramaj mitmischte im gestylten Quintett von Schwarzkopf. Sie lief ohnehin Gefahr, zu einem Dummy für die Werbeindustrie zu werden. Bajramaj drehte mit Nike einen aufwändigen Trailer: Liras Manifest. Zu Elektrobeats dichtet eine Stimme aus dem Off: „Offiziell noch illegal bis vor 40 Jahren / Aber dann haben wir gut vorgelegt / Auf immer mehr Plätzen / Schließen uns zusammen auf der Straße, in Clubs und Netzen.“ Bajramaj kickt auf einem Bolzplatz, sie schminkt sich, steht auf High Heels. Das volle Programm also.
Körper als Zusatznutzen für Sponsoren
Die wenig originelle Botschaft: „Glaub an Deine Träume. Kämpfen, kämpfen, kämpfen.“ Lange galt Bajramaj, die ihre Wurzeln im Kosovo hat, als ideale Werbeträgerin im Frauenfußball. „Sponsoren schauen nicht nur auf das Talent, sondern auf den Gesamteindruck“, sagt die Sportwissenschaftlerin Christa Kleindienst-Cachay.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Daniela Schaaf von der Deutschen Sporthochschule in Köln weiß, dass „die Spielerinnen potenziellen Sponsoren neben der sportlichen Leistung einen Zusatznutzen anbieten müssen, „der oftmals in einem sexuell-attraktiven Körper besteht“.
Fußball-WM in Kanada
Bajramaj sah gut aus. Sie war die Vorzeige-Hete. Doch ihre Leistungen korrespondierten nie so recht mit dem Aufwand der Werbedrehs und dem Bohei um ihre Person. Ihre Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Kanada musste Bajramaj, die nach ihrer Heirat Alushi heißt, absagen. Sie ist schwanger. Das macht schon mal eine Werbe-Ikone weniger, die jetzt in Ottawa oder Winnipeg den Ball treibt.
Das ist aber anscheinend nicht weiter schlimm. Der Auswahl des DFB ist der Hype im Jahre 2011 eh nicht gut bekommen. Man schied schon im Viertelfinale gegen den späteren Weltmeister Japan aus. Das war ein bisschen peinlich, hatte man doch überall im Land große Plakate aufgehängt mit den Botschaften „Platz 3 ist was für Männer“ und „Jungs, wir rächen Euch!“
Desaster und Marketing-Gau
Das bezog sich auf das Abschneiden von Jogi Löws Team, das sich bei der Männer-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika nur die Bronzemedaille sichern konnten. So endete die Frauen-WM 2011 in der Heimat nicht nur in einem sportlichen Desaster, sondern auch in einem Marketing-Gau.
Die Spielerinnen brachen unter der Last der Erwartungen zusammen. Sie konnten nicht sein, was sie sein sollten. Sie wollten es auch gar nicht. Zumindest unbewusst sträubten sich die Spielerinnen gegen die aggressive Art der Vermarktung. Im Viertelfinale streifte das Team dann diese Last ab und richtete an die Adresse der Marketingmenschen und der Fans folgende Botschaft: „Bei dieser Show machen wir nicht mehr mit.“
Damit war auch eine Rückkehr zu einem authentischen, ehrlicheren Selbstbild möglich, denn in der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes spielen weniger schillernde Sportlerinnen als häufig maulfaule, stoffelige und medienscheue Athletinnen. Viele wollen nicht mehr aus sich machen, als sie sind. Sie fanden die WM-Kampagne 2011 nicht echt, irgendwie fremdbestimmt.
Teilweise waren die Bemühungen der Firmen, die vom Rückenwnd der Weltmeisterschaft profitieren wollten, auch einfach peinlich. Villeroy & Boch schenkte den Spielerinnen nach dem gewonnenen Achtelfinale ein Kaffeeservice. Man zitierte damit ein Ereignis aus dem Jahr 1989, als der Europameister Deutschland ebenfalls ein Kaffeeservice als Siegprämie erhielt, Modell Mariposa mit Blümchenmuster. 2011 verschenkte die Firma in einem Akt postfeministischer Verwirrung reinweißes Porzellan der Serie „New Wave“ – mit geschwungenen Formen.
Der Rentner-Fan
Das Problem, ständig im Mittelpunkt zu stehen, haben sie jetzt beim Championat in Kanada nicht. Der Frauenfußball versteckt sich im Nachtprogramm, die deutschen Vorrunden-Spiele wurden zwar um 22 Uhr gezeigt, aber diese Weltmeisterschaft ist weit entfernt davon, zum Großevent zu werden.
Das hätte vor vier Jahren durchaus passieren können. Die Zuschauer waren bereit, einer Randsportart beim Erwachsenwerden zuzuschauen. Das waren sie auch schon 1989 während des Finales der Europameisterschaft. Durchschnittlich 4,01 Millionen Zuschauer ab sechs Jahren schalteten damals beim 4:3-Erfolg der Deutschen im Elfmeterschießen ein.
Immer, wenn die DFB-Elf zu einer günstigen Fernsehzeit spielt, sind die Deutschen bereit. 10,48 Millionen Zuschauer verfolgten den Sieg der deutschen Frauen über die Schwedinnen bei der Weltmeisterschaft 2003. Acht Jahre später sahen insgesamt 38,93 Millionen Zuschauer mindestens ein Spiel der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in der ARD oder im ZDF.
Die größten Fans des Frauenfußballs sind übrigens Rentner über 65 aus dem sogenannten konservativ-etablierten sowie dem traditionellen Milieu – wie eine Studie zur „Zuschauerakzeptanz von Frauenfußball“ der ARD-Werbung Sales & Services GmbH ergab. Dabei kam übrigens auch heraus, dass der Anteil der Frauen, die Fußball gucken, bei einer Männer-Weltmeisterschaft größer ist als bei einer Frauen-WM. Das solidarische Prinzip, es scheint im Frauenfußball nicht richtig zu funktionieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“