Verlorenes Champions-League-Spiel: Berechenbare Borussia
Die Niederlage gegen Real Madrid wirft die Frage auf, ob die Strategie von BVB-Trainer Bosz internationalen Ansprüchen genügen kann.
„Wir haben sie oft beobachten lassen, sie spielen sehr offensiv, sie wollen den Ball haben und das Spiel machen“, trug Zidane vor, im Subtext hieß das: Borussia Dortmund ist unter Peter Bosz berechenbar, gut durchschaubar und für spielerisch derart versierte Teams wie Real ein eher angenehmer Gegner.
Tatsächlich gab es schon vor dem Spiel Debatten, ob Bosz nicht ein wenig eindimensional agiert, wenn er glaubt, mit der Strategie, die gegen den HSV gut funktioniert, auch Real Madrid schlagen zu können. Nach dieser Niederlage gewinnt die Diskussion noch einmal an Dynamik. Die Räume, die sich oft in der Dortmunder Spielhälfte ergeben, sind ein Paradies zur Selbstentfaltung für Virtuosen wie Gareth Bale, den zweifachen Torschützen Cristiano Ronaldo oder Luca Modric.
Der holländische Trainer des BVB entschied sich dennoch, seine Spieler zu kritisieren, statt über die eigene Herangehensweise nachzudenken: „Wir waren sehr schlecht, wir kamen überall zu spät, das war nicht das Dortmund-Niveau.“
Eine Grundsatzdiskussion über die eigene Taktik blockte er dagegen rigoros ab. Mehrfach wurde er gefragt, ob der äußerst aggressive Pressingfußball nicht zu riskant sei gegen ein Weltklasseteam wie Real Madrid. Seine Antwort blieb ausweichend: „Wenn Stürmer und Mittelfeldspieler nicht richtig Druck machen können, dann wird es schwer für die Verteidigung“, sagte er, ohne die eigentliche Frage zu beantworten.
Feinste Fußballunterhaltung
„Wir wollten hoch pressen, aber Real hat sich immer sehr gut gelöst, wir haben uns sehr schwergetan, unser Spiel durchzuziehen“, konstatierte der starke Torhüter Roman Bürki nach dem Abpfiff. Hätte der BVB tatsächlich ähnlich dominant auftreten können wie gegen ein Mittelklasseteam der Bundesliga, wäre das auch sehr erstaunlich gewesen, schließlich handelt es sich bei Real Madrid mit großer Wahrscheinlichkeit um die derzeit beste Fußballmannschaft der Welt.
Vor diesem Hintergrund habe der BVB den Plan sogar einigermaßen „ordentlich“ umgesetzt, fand Nuri Sahin, und tatsächlich boten beide Teams dem Publikum feinste Fußballunterhaltung: Das Spiel wogte hin und her, beide Strafräume waren hoch frequentiert, und mit etwas Glück hätten die Dortmunder in der ersten Hälfte einen Handelfmeter bekommen und Mitte der zweiten Halbzeit nach einer Chance von Pierre-Emerick Aubameyang den Ausgleich erzielen können. Dieser Art der Überlegungen mochte Bosz aber nicht folgen, sein Team habe „verdient verloren“. Basta.
Der Holländer ist ein bemerkenswert konsequenter Mann, er hält genauso an seinem typisch holländischen 4-3-3-System fest wie an seiner riskanten Vorwärtsverteidigung. Erst als die Dortmunder in der letzten halben Stunde einem 1:2 hinterherliefen, stellte er auf Dreierkette um, was das Spiel des BVB noch offensiver, noch riskanter machte.
Die Idee, für jeden Gegner sauber zugeschnittene Spezialstrategien zu entwerfen, wie es viele der gefeierten Jungtrainer machen, ist für Bosz keine Option. „Jeder hat zu verstehen, das ist unser Spiel, egal ob wir gewinnen oder verlieren. Mal verlieren wir, aber im nächsten Spiel machen wir vielleicht sechs oder sieben Tore“, verkündete der Kapitän Sokratis.
Die mitreißenden Erfolge in der Bundesliga geben Bosz ja auch recht. Nur auf Spitzenniveau scheint dieser Fußball schwerer durchsetzbar zu sein. Wobei man dem 53-Jährigen selbstverständlich zugestehen muss, dass seine Arbeit in Dortmund erst vor Kurzem begonnen hat, dass die Mannschaft den Bosz-Stil sicher noch verfeinern und perfektionieren kann. Und dennoch erinnert der Holländer derzeit ein wenig an den in Leverkusen gescheiterten Roger Schmidt, der anfangs sehr erfolgreich war, dogmatisch an seinen Ideen festhielt, aber irgendwann dann doch die Mannschaft verlor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“