Verlagsstreit zur „Wanderhure“: Lauf, kleine Hure, lauf
Darf die „Wanderhure“ auch Wanderwege gehen? Ja, sagt das Oberlandesgericht Düsseldorf – und wertet einen ironischen Buchtitel als Kunst.
Die „Wanderhure“ darf nun doch in Freiheit auf schönsten Wanderwegen wandern. In Kunstfreiheit sogar. Das Oberlandesgericht Düsseldorf erlaubt es ihr, nachdem es sich fast ein halbes Jahr Zeit genommen hat, um den ironischen Buchtitel von Julius Fischer auf seinen Witz zu überprüfen.
Ende März entschieden die Düsseldorfer Richter, dass das Buch „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ von Julius Fischer nicht weiter verkauft werden dürfe. Geklagt hatte der Verlag Droemer Knaur, der die Wanderhuren-Reihe von Iny Lorentz vertreibt. Julius Fischer wurde parasitäres Verhalten vorgeworfen: Indem er das Wort „Wanderhure“ benutzte, wollte er sich an den Erfolg der Wanderhuren-Reihe anhängen.
Daraufhin legte Fischers Verlag Voland & Quist Berufung ein. Finanziert von der Crowd kämpfte der Verlag für den Titel, für Satire, die Freiheit der Kunst und vielleicht auch für die Berufsbezeichnung Wanderhure. Nun bekam er recht. Das Gericht befand: Ja, Fischer hat sich an den Titel der Bestseller-Reihe angelehnt, das aber nicht auf rechtswidrige, sondern kunstvolle Weise.
Eigentlich verliert Ironie ihren Witz, wenn man sie erklären muss. Andererseits ist es lustig, wenn Richter Kunst deuten: Dem Titel gelingt laut Richter Wilhelm Berneke, das heutige Vergnügen an „schönen Wanderwegen“ mit der mittelalterlichen „Wanderhure“ zu kombinieren. Deshalb ist der Titel Kunst und damit rechtlich ungefährlich. Wenn sein Verlag vor Gericht nicht gewonnen hätte, müsste sich Julius Fischer auf die Suche nach neuen Titeln machen. An Inspiration mangelt es ihm nicht: „Die Wanderhure – Sex to go“, „Nageln im Freien – die Wanderhure unterwegs mit Zimmerleuten“ oder „Die Wunderhaare der Wanderhure“, schlug er vor. Mittelalter und heutige Vergnügen bestens kombiniert. Es lebe die Kunst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid