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Verlage gegen KIGegenwehr aus Japan

Rund 90 Prozent der japanischen Zeitungen blockieren KI-Bots, um die unerlaubte Nutzung von Texten und Fotos zu verhindern – nicht immer erfolgreich.

Japan's Yomiuri Shimbun Foto: Louise Delmotte/ap
Martin Fritz

Aus Tokyo

Martin Fritz

In Japan gehts gegen KI vor Gericht: Einige Verlage in Japan wehren sich gegen die Ausbeutung ihrer Produkte durch Suchmaschinen, die generative Künstliche Intelligenz verwenden, also solche KIs, die Inhalte erzeugen können.

Zu den betroffenen Produkten gehören Artikel, Fotos, Manga und Anime. Die Verlagshäuser hinter drei der größten Tageszeitungen – Yomiuri, Asahi und Nikkei Shimbun – haben die KI-basierte Suchmaschine Perplexity AI verklagt. Sie werfen dem Start-up vor, gegen das „Recht auf Vervielfältigung“ gemäß dem Urheberrecht zu verstoßen. Die Erzeugung von Texten und Fotos, die den Originalinhalten ähneln, verletze das „Recht auf öffentliche Wiedergabe“.

Laut den Klageschriften hat Perplexity AI seit spätestens Juni 2024 Texte und Fotos dieser Zeitungen ohne Genehmigung verwendet, um Fragen zu beantworten. Demnach griff der KI-Dienst zwischen Februar und Juni 2025 allein auf rund 120.000 Artikel der digitalen Ausgabe der Zeitung Yomiuri zu. Diese Nutzung führte nach Verlagsangaben zu „Null-Klick-Suchen“ – die Nutzer besuchen die Quellen der Perplexity-Antworten weniger als bei direkten Suchen, wodurch den Verlagen Werbeeinnahmen entgehen. Den gleichen Vorwurf erheben deutsche Medienhäuser und Vermarkter gegen Googles KI-basierte Zusammenfassung „AI Overview“ auf Suchanfragen.

Jeder der drei Kläger in Japan beantragte eine einstweilige Verfügung gegen Perplexity und forderte umgerechnet 12,3 Millionen Euro Schadenersatz sowie die Löschung aller verwendeten Artikel.

Reaktion von Perplexity

Das US-Unternehmen verweigerte bisher eine öffentliche Antwort auf diese Klagen und erklärte, man „werde das Missverständnis ausräumen“. Auf Anfrage der taz erklärte Perplexity-Sprecher Jesse Dwyer, man habe die Klagen bisher nicht gesehen, und die Möglichkeiten zur Stellungnahme seien wegen rechtlicher Bestimmungen in Japan eingeschränkt.

Dwyer schrieb, dass sich KI-Unternehmen bei den Urheberrechtsstreitigkeiten letztendlich durchsetzen würden, „da Gerichte und Regulierungsbehörden zunehmend erkennen, was mehr als eine Milliarde KI-Nutzer bereits wissen: KI ist transformativ“. Man freue sich auf die Entscheidung des Gerichts, „damit wir alle uns darauf fokussieren können, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten“.

Zudem verwies Dwyer auf Perplexitys Modell zur Teilung der Einnahmen aus dem neuen Abo-Produkt „Comet Plus“. Ein Topf mit zunächst 42,5 Millionen Dollar soll laut dem Wall Street Journal zu 80 Prozent an teilnehmende Verlage und zu 20 Prozent an Perplexity gehen. Auf diese Weise will das Unternehmen offenbar Kläger besänftigen.

Das US-Start-up kombiniert traditionelle Suchmaschinen mit generativer KI, extrahiert relevante Informationen aus einer Vielzahl von Quellen und fasst sie zusammen, um Nutzerfragen zu beantworten.

Verleger gegen Trittbettfahrerei

Die Verlage werfen Perplexity jedoch vor, Artikel von ihren Servern zu kopieren und auf eigenen Servern zu speichern. „Diese Trittbrettfahrerei können wir nicht akzeptieren“, sagte Shiro Nakamura vom japanischen Verlegerverband, der 119 Medienunternehmen vertritt.

Rund 90 Prozent aller Zeitungsverlage in Japan haben Maßnahmen gegen das „Crawling“ von KI-Bots auf ihren Webseiten ergriffen. Eine spezielle Datei „robots.txt“ weist die Bots darauf hin, bestimmte Inhalte nicht abzurufen und für KI-Learning nicht zu nutzen. Die Verlage sagen, Perplexity würde diese Warnung ignorieren und die Artikel trotzdem auswerten. Perplexity-Sprecher Dwyer betonte gegenüber der taz dagegen, dass man die robots.txt-Datei beachten würde.

Nach Ansicht der Verlage gibt der KI-Dienst in seinen Antworten die Artikelinhalte teilweise falsch oder verfälschend wieder. Dadurch könnte „die Glaubwürdigkeit des zitierten Mediums selbst beschädigt werden“, sagte Nakamura. Er warnte vor „erheblichen Störungen der Demokratie“.

„Generative KI betreibt keinen Journalismus und übernimmt nicht die Rolle eines Journalisten, der Fakten aufdeckt und die Machthaber zur Rechenschaft zieht“, sagte Nakamura in Tokio. Er betonte, dass die Verlagsbranche in Japan möglicherweise noch nicht ausreichend deutlich gemacht habe, dass Medien als „eine Art Infrastruktur der Demokratie“ wirken.

Nicht nur in Japan wehren sich die Verlage nun. In Deutschland hat sich eine Allianz der Medienwirtschaft bei der Bundesnetzagentur über Google beschwert, weil dessen KI-Funktion „AI Overview“ Inhalte aus journalistischen Quellen nutzt, ohne dafür zu bezahlen. Google bestreitet jedoch, dass diese Funktion den Verlagen massiv schade. Andere treffen Abmachungen: Der Springer Verlag schloss einen Lizenzdeal mit OpenAI und der Spiegel-Verlag mit Perplexity.

Auch Japans Verlage sind offen für solche Geschäfte. „Wir verlangen eine angemessene Vergütung für unsere mit großem Aufwand produzierten Inhalte“, sagte Verbandschef Nakamura, der auch das Zeitungsunternehmen Asahi führt.

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