Verlässt Lewandowski den BVB?: Auf dem Absprung
Vierfachtorschütze Robert Lewandowski ist Held des Dortmunder Triumphs über Real Madrid. Warum er das BVB-Kollektiv verlassen will, ist unklar.
DORTMUND taz |Als der Gigant den Ort seiner Großtaten verlassen hatte und im fahlen Licht der Interviewzone auftauchte, wirkte er mit einem Mal erstaunlich klein und schmächtig. Kurz vorher war der stolze Weltstar Cristiano Ronaldo vorbeigekommen und bestaunt worden wie ein exotisches Tier, glatzköpfige Bodyguards hatten ihre wichtigtuerische Arbeit verrichtet und etwas später mit großer Entschlossenheit den Aufruhr um die entzauberte Trainerikone José Mourinho sortiert.
Zuvor auf dem Rasen hatte Robert Lewandowski alle überstrahlt und nun schlenderte dieser sagenhafte Stürmer mit blassem Gesicht von Reportergrüppchen zu Reportergrüppchen und sagte mit dünner Stimme: „Vier Tore habe ich als Profi noch nie in einem Spiel geschossen, und dann klappt das in einem Champions-League-Halbfinale, das ist schon geil.“
Zuvor hatten die Dortmunder das staunende Publikum auf der ganzen Welt mit einer umwerfenden Mannschaftsleistung verzückt, mit 4:1 war der Weltklub aus der spanischen Hauptstadt gedemütigt worden, und der erstaunlichste Dortmunder war Lewandowski gewesen. Vier Tore hat in der Champions League noch nie ein Spieler gegen Real Madrid geschossen. Innenverteidiger Neven Subotic erklärte: „Das ist die Crème de la Crème der Weltklasse. Was der macht, macht sonst keiner auf der Welt, im Moment nicht mal Lionel Messi.“
Natürlich führt Lewandowski die Torjägerliste der Bundesliga an, aber mit diesem Abend ist er endgültig in die Phalanx jener Stürmer aufgestiegen, die jeder Klub dieses Planeten gerne haben möchte. Es würde nicht verwundern, wenn bald irgendein Scheich käme, um eine Summe zu bieten, die die 37 Millionen, die der FC Bayern für Mario Götze bezahlt, bei Weitem übersteigt.
Vertrag bis 2014 ohne Ausstiegsklausel
Allerdings hat Lewandowski einen bis Juni 2014 laufenden Vertrag mit dem BVB und im Gegensatz zu Götze keine Ausstiegsklausel. Gerüchte um die Zukunft des Angreifers geistern dennoch durch die Fußballwelt. Seit Monaten berichten unterschiedliche Quellen, Lewandowski habe bereits eine feste Vereinbarung mit den FC Bayern getroffen, in dieser Woche zitiert die Sport-Bild deutliche Worte von Maik Barthel, einem Agenten des Polen: „Wir sind uns mit einem Verein einig und haben vor, diesen Sommer zu wechseln.“
Außerdem sagte ein gewisser Enrique Reyes, ein spanischer Berater und Vertrauter des scheidenden Münchner Trainers Jupp Heynckes, einem Radiosender: „Sie (die Bayern, Anm. der Redaktion) haben die Unterschrift von Lewandowski. Sie haben Götze und Lewandowski. Sie machen es genauso, wie sie es mit Javi Martínez getan haben.“
Klopp hingegen verkündete, er sei sich „ziemlich sicher, dass Lewandowski bleiben wird“, aber das muss kein Widerspruch sein. Möglicherweise hat der Stürmer mit den Münchnern abgemacht, entweder im kommenden Sommer gegen eine Ablösesumme, und wenn die Dortmunder das nicht wollen, dann eben 2014 ablösefrei an die Isar zu wechseln.
„Wir bekommen schon für Mario Geld, das wir nicht wollen“, erläuterte Klopp die Interessen des BVB, „wir sind ein Fußballverein und wollen auch im nächsten Jahr eine gute Mannschaft haben.“ Letztlich komme es allerdings auch darauf an, was der Spieler will. Und das ist schwer zu sagen. Lewandowski äußert sich zu solchen Fragen immer nur vage, ein Liebesbekenntnis zum BVB war noch nie zu vernehmen. Warum er dieses großartige Kollektiv verlassen sollte, um sich mit Mario Mandzukic um einen Platz im Münchner Sturm zu streiten, ist unklar. Zumindest, wenn es nicht ums Geld geht, von dem die Dortmunder ja nun mehr als genug haben.
Und für den BVB wäre der Verbleib des Stürmers nicht nur wegen seiner fußballerischen Qualitäten von großer Bedeutung, auch als Signal an die Kollegen, denen ebenfalls interessante Angebote vorliegen. Es wäre fatal, wenn innerhalb des Kaders der Eindruck entstehen würde, das große Projekt zerfalle nach dem Champions-League-Finale im Mai in seine Einzelteile. „Ich sage gar nichts, denn ich bin konzentriert, was ich jetzt mit Dortmund mache“, wich Lewandowski der Frage nach seinen Plänen wider einmal routiniert aus.
Gerüchte bleiben
Statt Gerüchte aus der Welt zu schaffen, warnte er aber vor den Gefahren des Rückspiels: „Wir haben erst einen Schritt gemacht und müssen in Madrid noch einmal sehr gut spielen“, meinte der 24-Jährige, der genau weiß, dass das Publikum im mächtigen Santiago Bernabeu eine ähnlich furchteinflößende Atmosphäre erzeugen kann wie die Leute im Westfalenstadion.
Außerdem müssen die Dortmunder nach dieser Demonstration wie vor dem Rückspiel gegen Malaga ihre Außenseiterrolle aufgeben. Das ist ein Gedanke, der Klopp überhaupt nicht gefällt, durch solche Überlegungen „so einen fantastischen Abend zu schmälern, finde ich blöd“, sagte der Trainer, der sich am liebsten einfach nur über die Herrlichkeit des Augenblicks freuen wollte: „Selbst wenn wir dort rausfliegen, kann uns diesen Abend hier niemand mehr nehmen.“
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