Verkehrswende in Deutschland: Mehr Geld ist nicht genug

Der Bund gibt Zusatzmittel für ÖPNV und Radverkehr. Doch fehlt es an Personal. Und für Autos gibt's noch weitaus mehr.

Protestaktion von Attac im Verkehrsministerium

„Goldener Auspuff“ für Andreas Scheuer: Attac-Protest im Verkehrsministerium Foto: Malte Kreutzfeldt

BERLIN taz | Es sollte ein echter Wohlfühltermin für den Verkehrsminister werden. Statt sich mit Bundesrechnunghofkritik und Rücktrittsforderungen rund um die gescheiterte Pkw-Maut abzugeben, wollte Andreas Scheuer ein paar positive Nachrichten verbreiten. Und tatsächlich gab es bei der Gründung eines „Bündnisses für nachhaltige Mobilität“ aus Vertreter*innen von Bund, Ländern und Kommunalverbänden im Verkehrsministerium durchaus Lob von ungewohnter Seite für den CSU-Mann.

„Das finanzielle Engagement des Bundes für den ÖPNV ist noch nie so groß gewesen wie heute“, sagte Oliver Wolf vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Und auch Burkhard Stork, der Vorsitzende des Fahrradklubs ADFC, lobte die zusätzlichen Mittel von 900 Millionen Euro, die in den nächsten vier Jahren im Rahmen des Klimapakets vom Bund für Fahrradinfrastruktur zur Verfügung gestellt werden: „Für den Radverkehr reicht’s.“

Doch bei der Diskussion wurde schnell klar: Gelöst sind die Probleme durch die zusätzlichen Gelder noch lange nicht. Denn ein großer Teil des Geldes wird nicht ausgegeben. „Die Mittel für Radwege fließen ab wie eine Schnecke“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager. Auch Markus Lewe, Oberbürgermeister von Münster und Vizepräsident des Deutschen Städtetags, beklagte: „Es fehlt das Fachpersonal, um die Gelder zu nutzen.“ Um das zu ändern und mehr Planer*innen einstellen zu können, benötigten die Kommunen langfristige Förderzusagen. Zudem stoße die Umverteilung von Straßenraum oft auf Widerstand berichtete ADFC-Mann Stork. „Da gibt es einen Kulturkampf um jeden einzelnen Parkplatz.“

Getrübt wurde das positive Bild auch von einer Protestaktion von Attac. Nachdem sie bereits vor dem Gebäude auf einem großen Transparent „Mehr Geld für Öffis statt für Autos“ gefordert hatten, überreichten mehrere Aktivist*innen dem Verkehrsminister während der Diskussion einen goldenen Auspuff – „für seine besonderen Verdienste um die deutsche Autoindustrie“, wie Attac erklärte.

Den positiven Zahlen für ÖPNV und Radverkehr stellten die Kritiker die weitaus höhere Förderung des Autoverkehrs gegenüber – etwa durch die erhöhte Kaufprämie für E-Autos, die höhere Pendlerpauschale und das Festhalten am Diesel- und Dienstwagenprivileg. Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar wies auf Twitter zudem darauf hin, dass der Bund nicht nur die Förderung von ÖPNV und Radverkehr erhöht habe, sondern 2020 mit zehn Milliarden Euro auch für Autobahnen und Fernstraßen „so viel wie noch“ nie ausgebe.

Viel Geld für automatisiertes Fahren

Die bisherige Schwerpunktsetzung zeigte sich auch an den zahlreichen vom Verkehrsministerium geförderten Projekten, die im Ministerium auf Schautafeln vorgestellt wurden. Zwar waren darunter auch digitale Fahrradboxen in Mannheim für 420.000 Euro oder Fahrradzählstationen in Stuttgart für 350.000 Euro. Weitaus größere Beträge gingen aber an ein Projekt für automatisiertes Fahren (11,8 Millionen Euro) oder die intelligenten Ampelsteuerung in Rüsselsheim (5 Millionen Euro).

Für die Zukunft immerhin versprach Scheuer eine andere Schwerpunktsetzung, bei der nicht mehr das Auto Vorrang genieße: „Wir kommen gar nicht darum herum, den Verkehrsraum anders aufzuteilen.“

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