Verkehrsrowdies vor Berliner Schulen: Wenn Schülerlotsen kapitulieren
Vor einer Schule in Schöneberg rast ein Autofahrer zwischen Schülerlotsen hindurch. Daraufhin zieht die Schule sie ab.
Eigentlich ist es eine kleine verschlafene Kreuzung. Aber morgens, kurz vor 8 Uhr ist vor der Werbelinsee-Grundschule in Schöneberg die Hölle los. In der Eisenacherstraße herrscht ein Verkehr wie in der Rushhour auf der Stadtautobahn. Schuld sind Eltern, die ihre Kleinen mit dem Auto bis vor das Schultor kutschieren.
Im Sekundentakt fahren die Wagen, teilweise sind es riesige Kisten, an und ab. Dass die Schulleitung seit Jahren bei jeder Neueinschulung dafür wirbt, die Zöglinge zu Fuß oder mit dem Rad zu bringen?! Egal.
Trotzdem gibt es natürlich auch Kinder, die jeden Morgen zur Schule laufen. Damit sie bei all dem Verkehr sicher über die Straße kommen, gibt es einen Schülerlotsendienst. Mit Warnwesten ausgerüstete ältere Schüler halten mit roten Kellen solange die Autos an, bis die Kids die Fahrbahn überquert haben. So war das bislang.
In dieser Woche hat die Schulleiterin Sabine Schirop nun entschieden: der Schülerlosendienst wird bis auf Weiteres eingestellt. Ein Vorfall vor Weihnachten, als ein Fahrer zwischen Lotsen hindurch gerast ist, hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Zum Glück ist niemand verletzt worden.
Die zunehmende Ignoranz sei seit Jahren zu beobachten, begründet Schirop ihre Entscheidung. Das rücksichtslose Verhalten bringe sowohl Schüler als auch Schülerlotsen in Gefahr. Weder Anzeigen hätten gefruchtet noch Appelle an die Eltern.
Die Bring- und Abholsituation vor der Schule sei katastrophal. Vor der Werbelinsee-Schule halfen am Freitag drei Polizisten den Kleinen über die Straße. Aber das wird nicht so bleiben. Vielleicht wird an der Kreuzung ein Zebrastreifen eingerichtet.
Vor rund 180 Grundschulen gibt es Schülerlotsen. Klagen über rüpelhafte Autofahrer sind kein Einzelfall. So bitter es ist: Die Sitten im Verkehr werden überall immer rauer. Schülerlotsen passen da nicht mehr rein.
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