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Verkehrsbetriebe gegen atheistische WerbungDie BVG glaubt noch an Gott

Die Berliner Verkehrsbetriebe lehnen eine Werbung an Bussen ab, die die Existenz Gottes anzweifelt: Man wolle die Fahrgäste nicht unnötig aufregen. Berlins Senat mischt sich nicht ein.

Busse ohne Werbung Bild: REUTERS

Eine etwas andere Werbung hatte die Initiative Buskampagne geplant. "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott" sollte bald auf BVG-Bussen zu lesen sein - angelehnt an ähnliche atheistische Plakatierungen auf Bussen etwa in Madrid und London. Doch daraus wird vorerst nichts. Die BVG hat die Kampagne abgelehnt. Das bestätigte das Unternehmen am Dienstag der taz. "Wir wollen nicht, dass sich die Fahrgäste der BVG aufregen müssen", sagte Sprecher Klaus Wazlak. Und bei Plakaten mit dem atheistischen Spruch sei genau das zu befürchten gewesen.

"Wir wollen auch nicht, dass sich jemand aufregt", sagt Philipp Möller, Sprecher der Buskampagne. "Wir wollen vor allem denen, die in ihrer Weltanschauung auf übernatürliche Kräfte verzichten, zeigen, dass sie nicht alleine sind." Und dass auch ein Leben ohne Religion eine Bereicherung sein könne. Proaufklärerisch und nicht antireligiös solle die Kampagne daher sein.

Wäre es nach den Vorstellungen der Initiative gegangen, die sich aus sieben Privatpersonen zusammensetzt und von mehreren Stiftungen und Vereinen wie der Giordano Bruno Stiftung unterstützt wird, hätten Ende dieser Woche schon die ersten Busse mit dem von den Spendern ausgewählten religionskritischen Spruch durch die Stadt fahren können. Denn das Geld für die Werbung war schneller beisammen, als es sich die Organisatoren hätten träumen lassen. "Unser Spendenziel waren 19.500 Euro", sagt Möller. So viel koste es, drei Monate lang auf drei Bussen zu werben. Nach dem Spendenstart am vergangenen Montag waren schon am Freitag 22.000 Euro eingegangen. Derzeit sind über 24.000 Euro auf dem Konto - die noch keiner haben will.

Jetzt sieht die Initiative zwei Möglichkeiten: "Wir werden so lange Städte suchen, bis wir das Geld ausgeben können", sagt Möller. Nachdem neben Berlin auch München abwinkte und Köln zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt nein sagte, liefen unter anderem Verhandlungen mit Leipzig, Hamburg und Stuttgart. Die andere Möglichkeit seien private Busbetreiber. "Die fahren in Berlin aber meist am Stadtrand und vor allem als Nachtlinien." Die Plakate sollten aber in der Innenstadt zu sehen sein. Nur wenn tatsächlich keine Stadt in Deutschland bereit sei, die Werbung auf ihre Busse zu kleben, wolle man auf andere Plakatierungsformen ausweichen.

Kritik übt die Initiative auch daran, dass zum Jahresanfang die Initiative "Pro Reli" Unterschriften auf U-Bahnhöfen sammeln durfte, jetzt aber ihre Plakatkampagne abgelehnt wird. "Werbung kann man nicht so leicht entkommen", hält BVG-Sprecher Wazlak dagegen. Er räumte aber auch ein, dass die Entscheidung für die Unterschriftensammlung von "Pro Reli" vermutlich nicht noch einmal so fallen würde.

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), der als Mitglied eines Kontrollgremiums des Senats auf die Entscheidung der BVG Einfluss nehmen könnte, kündigte an, sich nicht einmischen zu wollen. Entscheidungen über Werbekampagnen seien "ganz alleine Sache der BVG", so ein Sprecher. Auch finanziell sei die Ablehnung kein Nachteil: Die Werbeflächen der Verkehrsbetriebe seien "gut nachgefragt". Dagegen sagt die BVG: "Der Platz war nicht das Argument." Freie Flächen hätte es noch gegeben. Die Ablehnung sei eine rein "inhaltliche Entscheidung" gewesen.

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22 Kommentare

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  • B
    bastapapsta!

    Wie in ihrem Artikel steht, darf der Verein Pro Reli für sich werben, jedoch anderen freien Vereine und Gesellschaften wird der öffentliche Raum, der Hauptstadt vorenthalten. Das ist ein Skandal und verärgert "ungläubige" Bürger und Bürgerinnen. Konsequent wäre es, Werbung im Öffentlichen Raum für den Papst Besuch zu verbieten.

  • E
    endlos-möbius-schleife

    sind es die aus der alten BRD eingereisten gottgläubigen Individuen, die uns in den verschiedenen Ministerien in Berlin beeinflussen wollen?

    Bitte beantwortet mir anläßlich der bevorstehenden Volksbefragung: für welchen Religionsunterricht würde ER, der LIEBE GOTT, sich anmelden? Für den christlichen (evangelen, katholen, 7.Tages-Adventisten, Zeugen Jahves....???) Ich vermute, er würde diesen Unterricht schwänzen und versuchen, sich im Ethik-Unterricht mit seinen Kollegen zu verständigen und interessante Gespräche zum "Wohle der Menschen" führen, d.h. keine bedrohlichen gottesfürchtigen, vVrdammnis und Hölle beschwörenden Reden schwingen. Möge alles dazu dienen, die Kinder relgiöser Eltern davor zu bewahren.

  • W
    wanja

    Weshalb wird denn mein Kommentar bislang nicht publiziert? Verträgt die taz denn keine sachliche Kritik? Wäre echt schade, wenn es so weit gekommen wäre.

  • FH
    Frank Habermann

    religiöse spinner, mehr gibts dazu kaum zu sagen. aber auch die bvg kann nichts daran ändern, dass die erde rund ist. religion ist heilbar, wenn auch leider nicht in allen fällen.

  • F
    Felipe

    Na ja... ich bin ein Master-Student in einer öffentlichen Universität hier in Brasilien und es ist mir schwierig ein Stipendium einer Stiftung oder des Staats zu kriegen, damit ich weiter studieren kann und in Deutschland in einer Woche sammelt man schon über 20.000 Euro für eine Werbung in ein paar Bussen! Was ist los auf dieser Welt??

    Wenn ich auch eine Kampagne pro-mein-Studium mache, würden diese Menschen auch Geld spenden??

    "Mehr Licht" zur Menscheit!!!

  • W
    wanja

    "Die BVG glaubt noch an Gott" - Kurzschluss, bzw. Fehlschluss! Wenn schon, dann bleibt genauso die Möglichkeit, dass die BVG für sich den großteils sehr irrationalen Streit um Theismus versus Atheismus zugunsten eines unaufgeregten und rational konsequenteren Agnostizismus beantwortet hat.

  • D
    derNoergler

    Dass dieses in einem angeblich aufgeklärten Staat wie Deutschland möglich ist, ist verdammt traurig - Deutschland auf dem Weg zum Gottesstaat?

     

    Also in der Türkei hätt's sowas nicht gegeben!

     

     

    Im Ernst: Ich finde, hier wird eindeutig das Recht auf freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit beschnitten. Die BVG ist immerhin ein öffentliches Unternehmen, und in anderen Ländern Europas gabs auch keine brennenden Busse...

  • A
    Alice

    Ich weiß nicht, was sich die "Initiative Buskampagne" davon verspricht, Muslime unnötig zu provozieren. Vielleicht sollte man die Muslime einfach mal von (aus ihrer Sicht) gotteslästerlichen Karikaturen, Idomeo-Aufführungen und Bus-Werbung verschonen. Dann würden sich viele Probleme so nicht stellen.

     

    Was verspricht sich die "Initiative Buskampagne" von einer solchen Provokation der Muslime?

  • F
    Florian

    Unglaublich! Seit Jahren hängt in U-Bahnen irgendwelche "Erlöser"-Werbung, daran haben sich zumindest die BVG-Entscheider nie gestört. Wie weit geht der Einfluss der Christen-Lobby? Auf der Website www.buskampagne.de steht immerhin, dass die BVG "in Zukunft überhaupt keine religiöse oder weltanschauliche Werbung mehr akzeptiert" werde. Es wäre doch viel erreicht, wenn endlich diese Sekten-Plakate verschwinden.

     

    Bedenklich finde ich aber auch dies. Dürfen dann z.B. Gewerkschaften nicht mehr werben? Oder die witzigen Campact-Plakate gegen Atomkraft?

  • AY
    Andi Ypsilon

    Werbung an Berliner Bussen, in denen die Existenz von Mohammed angezweifelt wird, fände Svenja Bergt wohl auch ok

  • N
    (noch)BVG-Nutzerin

    Also ich rege mich ja immer auf, wenn ich in den Bus ansteige und mich da so ein blödes Christenwerbeplakat angrinst. Das lässt mich richtig aggressiv werden. Weil, die christlichen Kirchen unterdrücken mittels Einfluss auf unsere Gesetzgebung Minderheiten in unserem Land. So eine Gruppe sollte man nicht werben lassen. Das halte ich für unethisch.

     

    Auch habe ich mich sehr darüber geärgert, dass die BVG auf dem U-Bahnhof hat für PRO-Reli werben lassen. Will doch die Pro-Reli Aktion verhindern, dass Kindern in der Schule auch eine kritische Auseinandersetzung mit der christlichen Religion verwehrt wird.

     

    Aber warum sollte man eine Werbung verbieten, die die Existenz eines Gottes anzweifelt? Gibt es jemanden auf unserer Erde, der die Existenz eines Gottes beweisen kann? Wieviel Leid hat der Gottesglaube schon auf unsere Erde gebracht? Wie viele Kriege, weil jede Gruppe glaubte, IHR Gott wäre der einzig wahre? Wieviel Unterdrückung, weil man "Gott" einen bestimmten Willen andichtete, nämlich, diese bestimmte Unterdrückungsform zu praktizieren? - Ich denke, es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob es diesen (oder einen) selbstgerechten und unheilvollen Gott überhaupt gibt.

     

    Ich bin enttäuscht über die BVG. Religiöse Einrichtungen mag ich nicht unterstützen. Wenn die BVG keine weltanschauliche Neutralität zeigt und entweder alle Kirchenwerbeplakate entfernt oder aber die Bus-Aktion zulässt, dann steige ich demnächst auf das Fahrrad um.

  • FK
    fred kasulke

    Es ist doch kein Wunder, wenn die weltliche Welt untergeht. Wenn Kreuzzüge von Politikern ausgelöst werden und die höchstePolitikergilde auf Gottes Hilfe bei Amtseinführung schwört, wie soll den da eine Zusammenarbeit der Menschen einer gemeinschaft möglich sein!? Es ist kein Wunder, dass sich die aktuelle Generation wieder von den Demagogien der Gottesvereine, der virtuellen Welten oder den kultur-beschränkten Nationalisten verführen lassen.

    Freiheit für den Geist, Religion nur hinter dicke Mauern.

  • U
    Uwe

    Tja, das ganze scheint vielleicht auch eine Frage des Preises zu sein. Wenn man wahrscheinlich noch einen Monat weiter Spenden sammelt und dann der BVG für ein Jahr doppelt so viel bietet, wie üblich ist, dann knickt auch die BVG ein. Die haben in 2008 ja einen schönen Verlust hingelegt.

     

    Und ganz so fromm ist die BVG wohl dann doch nicht, da es anscheinend kein Problem ist für Alkohol, Zigaretten, Diskotheken und Bordelle Werbung zu machen.

  • N
    nurSo

    Wie unsensibel, ohne jede Emphatie muss man sein, dass es so unverständlich scheint das sich jede/r Gläubige durch solche Werbungen und Aussagen tief verletzt fühlt.

     

    Es ist eine Frage des Respekts vor der Religion und dem Glauben anderer Menschen das so eine Werbung nicht an den Bussen klebt.

     

    Bei der Taz ist in der Hinsicht noch ein gewaltiges Umdenken nötig.

  • E
    Einheimischer

    Es ist unfassbar. Jesus-Werbung darf in der U-Bahn kleben, Wahrheitswerbung ("mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit") aber darf nicht an Bussen kleben. Das ist religiöse Ungleichbehandlung und wohl auch Diskriminierung. Die überschüssigen Gelder sollten in einen Anwalt investiert werden.

  • CB
    Christoph Braunberger

    Na wunderbar, die BVG verzichtet auf Einnahmen, die dazu beitragen könnten die Fahrpreise zu senken oder stabil zu halten,

     

    Gehts noch oder was ?

     

    muß man halt wieder mehr schwarzfahren

     

    lol

     

    Chris,Zweibrücken

    regelmäßiger Berlinbesucher

  • A
    Alex

    Dagegen ist 4 meter hoch Puff-Werbung auf Bussen völlig OK... Sowie monatelang und flächendeckende Pro-Reli und Tempelhof Propaganda. Und noch aggressiver und scheusslicher 10-Etage-hoch Werbung für Autos, z.B. auf der Charité.

     

    Die Deutschen sind komische Leute.

     

    Ein kopfschüttelnder Ausländer.

  • C
    Christian

    Komisch, dass ich heute erst "Jesus liebt dich" in der Bahn erfuhr. Erinnere mich auch an Werbung für kostenlose Bibeln... hilft wohl nur: dagegen beschweren!

  • V
    vic

    Das ist ganz übel. Denn es bedeutet, die Fahrer sind für nichts verantwortlich, weil die Wege des Herrn...

  • NF
    Norbert Froese

    Die Reaktion der BVG offenbart ein erschreckend paternalistisches Denken. Mit freiheitlicher Verfassungskultur hat dies nichts mehr zu tun. Man phantasisiert, fabuliert, erwartet irgendwelche Reaktionen und leitet daraus die Berechtigung zum zensierenden Eingriff ab. Die BVG ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und damit, wie jede Institution dieses säkularen Staates, zur Neutralität in weltanschaulichen und religiösen Fragen verpflichtet. Eine Beurteilung von weltanschaulichen Positionen steht der BVG nicht zu!!! Das Konstrukt dennoch auf Grund vermeintlich vorausschauend diagnostizierten Reaktionen zensierend in die im öffentlichen Raum zugänglichen Meinungen eingreifen zu dürfen, ist schlichtweg absurd. Beschäftigt die BVG denn keinen einzigen Juristen, der wenigstens über Grundkenntnisse zu unserer Verfassung verfügt? Wenn die BVG religiöse Werbung zulässt (was der Fall ist), hat sie kein Recht Ungläubigen die selben Darstellungsmöglichkeiten zu verweigern. Oder versteht sich die BVG als Ersatzzensur für Arme?

  • B
    Bendte

    Merkwürdig, bei Werbung für Prostitution (Bordell Artemis) hat die BVG solche Bedenken nicht. Dabei ist die sogar gesetzlich untersagt.

    Das ein (stadt)staatlicher Betrieb in einem säkularisierten, weltanschaulich neutralen Land Atheismuswerbung ablehnt, halte ich für kriminell. Zumal man hier bei Christentumswerbung keine Skrupel hat.

  • KO
    Kleiner Onkel

    Schade, mit der Toleranz ist es nicht allzuweit her in unserer Gesellschaft. Die einen wollen keine atheistischen Aussagen auf Bussen, für andere ist schon ein Christbaum religiöse Missionierung. Aber offensichtlich arbeitet die EU schon an Schadensbegrenzung, kath.net meldet:

    "Brüssel (kath.net)

    In der EU könnten nach dem Willen der Europäischen Union (EU) öffentlich zur Schau gestellte christliche Symbole bald verboten sein. Derzeit werde an einem Gesetzesvorschlag gearbeitet, der vorsieht, dass Atheisten gegen das Aufstellen etwa von Kruzifixen klagen können wie das christliche Medienmagazin PRO berichtet. Damit könnten bald sämliche christliche Symbole aus öffentlichen Gebäuden verschwinden. Allerdings wäre auch blasphemische Symbole von der "Zensur" betroffen, da der Vorschlag sowohl Christen wie auch Atheisten erlauben würde, gegen von ihnen als diskriminierend empfundene öffentliche Symbole zu klagen. Betroffene Gebäude wären alle Gebäude, in denen öffentliche Dienste angeboten werden, darunter Krankenhäuser, Hotels, Gefängnisse und Gebäude wohltätiger Organisationen. Simon Calvert von dem britischen evangelikalen "Christian Institute" meint, dass das Gesetz eine "Büchse der Pandora" sei. "Was ist mit Bibeln in Hotels? Würden Gerichte Krippenszenen von Weihnachtsmärkten verbannen?" Die Abstimmung über den Antrag soll noch in diesem Jahr stattfinden. "

    Bei Schulen, Gerichtssälen und Gefängnissen ist staatliche Neutralität sicherlich geboten. Aber sonst wünsche ich mehr Toleranz. Oder sollen wir am Ende unsere Auffassung nur noch in den eigenen vier Wänden kund tun dürfen? Arme Gesellschaft, die es nicht aushält, dass unterschiedliche Menschen unterschiedlich selig werden.