Verkehrsberuhigung im Bergmannkiez: Klappe zu in zwei Jahren

Seit Jahren fordern AnwohnerInnen und das Bezirksamt in Friedrichshain-Kreuzberg die Sperrung einer Durchgangsstraße im Bergmannkiez – nun mit Erfolg.

Viele Autos auf der Zossener Straße im Winter

So sieht ein Kiezblock natürlich nicht aus: Zossener Straße zwischen Bergmann- und Gneisenaustraße Foto: IMAGO / Frank Sorge

BERLIN taz | Noch knapper wäre es nicht gegangen. Am Montagnachmittag, drei Tage vor dem Ende des rot-grün-roten Giffey-Senats, konnte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg Vollzug melden: Die Senatsverwaltung für Mobilität unter Bettina Jarasch (Grüne) hat den Straßenzug Zossener Straße – Friesenstraße aus dem sogenannten übergeordneten Hauptstraßennetz herausgenommen und in die bezirkliche Zuständigkeit übergeben.

Was erst einmal recht nebensächlich klingt, ist zentral für die Verkehrsberuhigung im Kreuzberger Bergmannkiez und für viele AnwohnerInnen ein nach Jahren zäh errungener Sieg über die Bevorzugung des Autoverkehrs. Der Fall zeigt, wie mühsam es auch schon vor Schwarz-Rot sein konnte, die viel beschworene Mobilitätswende tatsächlich auf die Straße zu bringen.

Der verkehrsberuhigte Bergmannkiez sei „im besten Sinne ein Modellprojekt für die Frage, wie unsere Straßen sicherer, klimafester und mit mehr Aufenthaltsqualität ausgestaltet werden können“, sagte die zuständige Bezirksstadträtin Annika Gerold (Grüne) am Montag. Sie sei „sehr froh“, dass der Bezirk die Maßnahmen im Bergmannkiez jetzt in eigener Zuständigkeit finalisieren könne.

Der Straßenzug, um den es geht, durchkreuzt den beliebten Kreuzberger Wohn- und Ausgehkiez in Nord-Süd-Richtung. Autofahrende nutzen sie als Parallelroute zum westlich davon verlaufenden Mehringdamm, um von Mitte zum Tempelhofer Damm und zur Stadtautobahn zu gelangen.

Stark zugenommen hat das Problem, als vor zehn Jahren die Axel-Springer-Straße am nördlichen Rand Kreuzbergs zum Spittelmarkt hin für den Durchgangsverkehr geöffnet wurde. Über die Lindenstraße erreichen Pkws dann in direkter Linie die Zossener Straße und den Bergmannkiez.

Rund 10.000 Pkw am Tag

Fahren über den Mehringdamm, der Teil der Bundesstraße 96 ist, täglich rund 40.000 Kfz, sind es auf der Zossener und Friesenstraße immerhin um die 10.000. Mit dem Unterschied, dass hier Läden, Restaurants und die Marheineke-Markthalle für dichten Fußverkehr sorgen. Die Nord-Süd-Verbindung konterkariert bis jetzt auch das Konzept, das seit 2021 durch Einbahnstraßenregelungen und Poller den Durchgangsverkehr heraushält – im Grunde Berlins erster großer Kiezblock.

Schon vor Beginn des 2019 nach etlichen Jahren abgeschlossenen Beteiligungsverfahrens zur Verkehrsberuhigung hatte sich die Bürgerinitiative „Leiser Bergmannkiez“ für eine Schließung der Alternativ-Rennstrecke stark gemacht. Besonders litten viele AnwohnerInnen unter der Lautstärke der Autos auf der kopfsteingepflasterten Friesenstraße.

Die ist inzwischen asphaltiert, aber alle Appelle an Bezirk und Senat, die Straße einfach in der Mitte zu sperren, wurden trotz Unterstützung durch die BVV von der Landesebene abgeblockt. Die war nämlich – bis jetzt – wegen der Einordnung der Verbindung in das übergeordnete Hauptstraßennetz zuständig und konnte sich schlicht nicht vorstellen, noch mehr Verkehr auf den Mehringdamm zu schaufeln.

„Seit über 10 Jahren setzt sich unsere Initiative gegenüber inzwischen vier Ver­kehrs­se­na­to­r*in­nen dafür ein, dass Ihre Verwaltung […] die Verkehrsgestaltung dieser Straßen in die Entscheidungshoheit des Bezirks überführt“, hieß es in einem Schreiben, das die Initiative im Vorfeld der Wiederholungswahl im Februar an Bettina Jarasch richtete. Nichts sei passiert, der Durchgangsverkehr habe einer Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe zufolge sogar um mehr als 20 Prozent zugenommen.

Gutachten hat überzeugt

Am Ende hat das Bezirksamt die Senatsverwaltung nun doch überzeugen können – mit einem Verkehrsgutachten, das die Behörde schon vor zwei Jahren in Auftrag gegeben hatte. Das erwartet durch die Sperrung zwar Verlagerungen auf den Mehringdamm – aber „deren umweltbezogene Auswirkungen werden in den kommenden Jahren durch den erhöhten Anteil von Elektromobilität ausgeglichen“. Der Wermutstropfen: Weil der Anteil der lokal emissionsfreien Fahrzeuge erst weiter steigen soll, darf der Schleichweg durch den Kiez erst in zwei Jahren abgeschnitten werden.

Dabei rechnen die Verantwortlichen im Bezirk damit, dass die Verkehrsmenge nach der Sperrung insgesamt abnimmt. „Das verlagert sich nicht eins zu eins, wir beeinflussen damit ja auch die Verkehrsmittelwahl. Manche steigen dann einfach um“, hatte Straßen- und Grünflächenamtsleiter Felix Weisbrich nach der Beauftragung des Gutachtens der taz gesagt. Der Strom werde nicht einfach umgeleitet, er „verdampfe“ nach den Erkenntnissen der Mobilitätsforschung dabei auch teilweise.

Die verbleibende Zeit will das Bezirksamt nun nutzen, „um die Maßnahmen technisch und organisatorisch sowie hinsichtlich der konkreten stadträumlichen Ausgestaltung vorzubereiten“, heißt es in der Mitteilung vom Montag. Vor allem sollen die BVG-Busse der Linie 248 weiter durch den Kiez rollen dürfen – für sie und für Einsatzfahrzeuge werden wohl fernsteuerbare Poller eingebaut werden. Voraussichtlich im kommenden Jahr soll dann auch der städtebauliche Wettbewerb für die endgültige Umgestaltung der Bergmannstraße zur Fußgängerzone starten.

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