Verhandlungen mit der Atomkommission: Konzerne jammern und profitieren
Die AKW-Betreiber sollen die Kosten der Endlagerung über Zahlungen in einen Fonds tragen. Geschwächt sind sie dadurch nicht, ihre Aktien steigen.
Das 19-köpfige Gremium mit VertreterInnen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft hatte im Auftrag des Bundeswirtschaftministeriums an einem Vorschlag gearbeitet, wie der Rückbau der Atomkraftwerke und der Endlagerung des Atommülls sicher finanziert werden kann. Dafür haben die Betreiber zwar Geld zurückgestellt. Doch es ist unsicher, ob diese Summe reicht; zudem bestehen Zweifel, ob die Unternehmen überhaupt noch existieren, wenn die Gelder – teils erst in vielen Jahrzehnten – benötigt werden.
Trotz anfänglich großer Meinungsunterschiede einigte sich die Kommission am Ende einstimmig. Die Unternehmen sollen für den Rückbau der Atomkraftwerke zuständig bleiben, aber die Verantwortung für Zwischen- und Endlagerung des Atommülls auf den Staat übertragen. Im Gegenzug sollen sie nicht nur die dafür gebildeten Rücklagen an einen staatlichen Fonds übertragen, sondern zudem einen Aufschlag von 35 Prozent, der das Risiko von Zinsänderungen oder Kostensteigerungen abdecken soll. Über die Höhe dieses Aufschlags war bis zuletzt gestritten worden. „Das ist eine gute und faire Lösung“, sagte Ole von Beust.
Auch der Kovorsitzende Jürgen Trittin, der schon als grüner Umweltminister den Atomkonsens mit der Industrie ausgehandelt hatte, zeigte sich zufrieden. „Es ist uns gelungen, das finanzielle Risiko für die Gesellschaft, das sonst immer mehr gestiegen wäre, zu verringern“, sagte er. „Vollständig vermeiden lässt es sich nicht.“
Aktiensprung nach oben
Trittin, von Beust und der dritte Vorsitzende Matthias Platzeck (SPD) rechnen aufgrund des einstimmigen Votums damit, dass die Regierung den Vorschlag unverändert umsetzt. „Im Lauf des Sommers sollte es einen Gesetzentwurf geben“, sagte Trittin.
Allerdings hoffen die AKW-Betreiber offenbar immer noch, besser davonzukommen als von der Kommission vorgeschlagen. In einer gemeinsamen Erklärung betonten Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, sie seien zwar grundsätzlich mit dem Vorschlag einverstanden. Aber: „Die äußerste Grenze ihrer Leistungsfähigkeit“ werde mit der „Höhe des sogenannten Risikoaufschlags allerdings überschritten“, behaupten die Unternehmen. Das sehen ihre Aktionäre offenbar anders. Die Kurse von RWE und Eon machten einen deutlichen Sprung nach oben, als die Einigung der Kommission bekannt wurde.
Umweltverbände reagierten gespalten auf die Einigung. Der WWF, der in der Kommission vertreten war, erklärte, zumindest sei der Steuerzahler vor einem möglichen Totalausfall bewahrt worden. Die Anti-Atom-Initiative Ausgestrahlt meint hingegen, der Vorschlag sei ein „ausgesprochen schlechtes Geschäft für alle SteuerzahlerInnen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Habeck wirbt um Fachkräfte in Kenia
Gute Jobs, schlechtes Wetter
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style