Verhandlung am Bundesverfassungsgericht: Verständnis für Minigremium
Die Richter am Bundesverfassungsgericht scheinen die Notwendigkeit einer geheimen parlamentarischen Kontrolle des Eurorettungsschirms zu akzeptieren.
![](https://taz.de/picture/238945/14/menschenrettungsschirmdpa.jpg)
KARLSRUHE taz | Möglicherweise wird das Bundesverfassungsgericht doch ein geheimes und kleines Bundestagsgremium zur Kontrolle des Eurorettungsschirms akzeptieren. Das zeichnete sich bei der mündlichen Verhandlung über eine Klage von zwei SPD-Bundestagsabgeordneten ab. Im Oktober hatten die Richter das erste Treffen des Gremiums noch mittels Eilbeschluss gestoppt.
Der Eurorettungsschirm soll überschuldeten EU-Staaten unter anderem mit Krediten helfen. Deutschland haftet dabei für insgesamt 253 Milliarden Euro. In einem ersten Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht im September verlangt, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages allen haushaltsgefährdenden Beschlüssen der EU-Regierungen vorab zustimmen muss.
Diese Vorgabe hatte der Bundestag anschließend im Stabilisierungsmechanismus-Gesetz erfüllt und ging an zwei Punkten sogar darüber hinaus. Der erstmaligen Kreditvergabe für ein bestimmtes Land muss im Parlamentsplenum und nicht im Haushaltsausschuss zugestimmt werden. In dringenden und vertraulichen Fällen soll es nicht genügen, dass die Bundesregierung nachträglich informiert. Vielmehr richtete der Bundestag ein Gremium aus neun Abgeordneten ein, das dann die Rechte des Bundestags vorab wahrnimmt.
Gegen dieses Neuner-Gremium klagten die SPD-Abgeordneten Peter Danckert und Swen Schulz. Ihre Rechte als Abgeordnete würden verletzt, wenn sie an der Beschlussfassung und Information nicht teilhaben können. "Es gibt viel weniger eil- und geheimhaltungsbedürftige Fälle als im Gesetz angenommen", sagte Danckert. In der Regel solle deshalb das Plenum entscheiden und in Ausnahmefällen die Regierung nachträglich informieren.
"Deutschland muss handlungsfähig bleiben"
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte das Geheimgremium: "Deutschland muss handlungsfähig bleiben." Wenn die europäischen Regierungen keine schnellen Beschlüsse fassen können, würde der Ruf nach einer Rettung überschuldeter Staaten durch die Europäische Zentralbank immer lauter, was Berlin ablehne.
Wichtig sei die vertrauliche Beschlussfassung zum Beispiel, wenn der Rettungsschirm beschließe, Staatsanleihen aufzukaufen. "Wenn die Märkte vorher erfahren, welche Strategie mit welchem Einsatz verfolgt wird, können sie leicht dagegen spekulieren", sagte Marcel Kaufmann, der Rechtsvertreter des Bundestags. Peter Altmaier, CDU-Fraktionsgeschäftsführer, warnte davor, die Zahl der Eingeweihten zu vergrößern: "Informieren Sie den Haushaltsausschuss mit 41 Mitgliedern und 41 Stellvertretern, dann steht die Nachricht garantiert bald in der Zeitung."
Die Richter zeigten sich beeindruckt und stellten die Notwendigkeit der Delegation von Entscheidungen auf ein kleines Gremium nicht grundsätzlich infrage. Sie werden eher Vorgaben machen, wann eine Delegation zulässig sein soll. "Es kann nicht sein, dass der Bundestag beliebige Entscheidungen in kleine Gremien verlagert", so Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle.
Der konservative Richter Peter M. Huber scheint die Bundestagsbeteiligung sogar für zu weitgehend zu halten. "Möglicherweise hat der Bundestag hier des Guten zu viel getan und in Rechte der Bundesregierung eingegriffen", sagte Huber.
Das Urteil wird womöglich im Januar verkündet.
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