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Verfolgung von Religionskritik im NetzGotteslästerung 2.0

Wer religionskritische Äußerungen im Netz veröffentlicht, lebt in vielen Ländern gefährlich. Laut einer Studie steigt der Zahl derer, die deshalb verfolgt werden.

In vielen Ländern ist die Freiheit zur Blasphemie nicht selbstverständlich: Schüler-Protest in Pakistan. Bild: imago/ Ilyas Dean

LONDON/BERLIN epd/taz | Die Zahl der Atheisten und nicht-religiösen Menschen, die für kritische Äußerungen im Netz verfolgt werden, steigt offenbar. Der Fall Pussy Riot ist hier nur das prominenteste Bespiel. Einem Bericht der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union zufolge wurden im Jahr 2012 mehr als ein Dutzend Menschen in zehn Ländern aufgrund von blasphemischen Aussagen auf Facebook oder Twitter verurteilt. In den drei Jahren zuvor waren es der Organisation zufolge weltweit lediglich drei Fälle.

In der Studie, die in diesem Jahr zum ersten Mal erschien, verwies der Dachverband auf Fälle in Indonesien, Tunesien, Griechenland, Ägypten und der Türkei. Die türkische Justiz klagte Fazil Say, Atheist und Jazz-Musiker, im Juni 2012 aufgrund von blasphemischen Äußerungen an. Ihm wird vorgeworfen, die Werte des Islams in Twitternachrichten verunglimpft zu haben. Im Februar 2013 wird seine Anklage verhandelt und ihm drohen im Fall einer Verurteilung bis zu 18 Monate Haft.

In Ägypten war ein Blogger 2007 zu vier Jahren Haft verurteilt worden. In seinem Blog soll er den damaligen Präsident Hosni Mubarak und die islamische al-Azhar Uniersität beleidigt haben. Daraufhin wurden in den vergangenen Jahren auch andere ägyptische Blogger und Netzaktivisten verurteilt und inhaftiert. Die Facebook-Nutzer Jabeur Mejri und Ghazi Beji wurden im März 2012 in Tunesien zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Sie sollen blasphemische Bilder auf Facebook gepostet haben.

In dem Bericht unter dem Titel „Gedankenfreiheit 2012“ hat die Internationale Humanistische und Ethische Union Gesetze in über 60 Ländern aufgelistet, die die Meinungsfreiheit für Atheisten, Humanisten und Freidenker einschränken. Zu dem Dachverband gehören Organisationen in rund 40 Ländern. In Deutschland sind der Humanistische Verband, der Bund Freireligiöser Gemeinden und die Freigeistige Aktion für humanistische Kultur Mitglied.

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10 Kommentare

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  • BW
    Bernd W

    @amselfeuer

    Einfach mal Meldungen über Kopten suchen (Türkei, Syrien, eigentlich alle moslemischen Länder)

  • Y
    Yorick

    Sprach der Fürst zum Bischof: Halt' du sie dumm, ich halt' sie arm!

  • H
    Hans

    @Martin Jakob:

    "Ein Dutzend verurteilte "Humanisten""? Bitte wie? In den meisten der Länder, in denen Menschen wegen "der falschen Religion" verfolgt werden, ist Atheismus und Humanismus schlimmer als anderer Glaube. In manchen Ländern darf man nicht mal andersgläubig oder atheistisch sein.

     

    Zudem geht es bei theistisch motivierter Verfolgung nicht "nur" um Christen:

     

    Indonesien/Sulawesi: Verfolgung und Ermordung von Christen und Moslems beiderseitig

    China: Verfolgung von Buddhisten und Bön

    Philippinen: Verfolgung von Muslimen und Animisten

    Pakistan: Verfolgung von Ahmadis

    Pakistan/Indien: Verfolgung von Muslimen/Hindus

    Indien: Verfolgung und Ermordung von Christen

    Israel: Verfolgung und Diskriminierungvon Muslimen

    Gaza/Westjordanland: würd mich mal interessieren, ob man da als Jude überhaupt überlebt

    USA: Ermordung von Muslimen und Sikh durch christlich-rechte Fanatiker

    Iran: Verfolgung von Bahai

    div. islam. Länder: Verfolgung von Shiiten und Sunniten der jeweiligen Gegenseite, Verfolgung und Ermordung (prim. konvertierter) Christen

    Türkei: Verfolgung von Aleviten

    ...

    und muss man noch etwas zu den Jugoslawienkriegen sagen...Kreuzzüge...WTF??? Das Theisten sich gegenseitig umbringen hat lange und traurige Tradition. Das Theisten Atheisten umgringen auch. Atheisten gibt es noch nicht lange genug als Gruppe, als das sie es nicht auch versuchen würden. Der Mensch ist unabhängig vom Glauben immer noch ein Mensch und neigt dazu, Macht zu gewinnen und andere zu dominieren und nutzt ggf. dazu Gewalt und Verfolgung.

     

    Was kann man da tun, fragt sich jetzt der geneigte Leser...

    ...und ich muss Ihnen sagen, ich weiß es auch nicht. Alle Menschen ausrotten könnte helfen? Es wäre aber vielleicht eine Alternative des friedlichen Miteinander vorzuziehen. Theisten mit Atheisten mit allen anderen...schön wärs...

  • A
    amselfeuer

    10.000 ermordete christen jedes Jahr?

    wo kommen solche Zahlen her? wo sind die Belege?

    (ich habe nur die ermordeten Missionare im Jemen und Afghanistan auf dem Schirm, vor ca. 2 Jahren)

     

    Jede der monotheistischen Religionen hat in ihren "heiligen" Schriften Stellen, die die Tötung von Abweichlern und Anders- oder Ungläubigen erlaubt. Im Abendland sind wir dank der Aufklärung nur schon so weit, dass wir nicht mehr vollstrecken...

     

    alles in allem: je religiöser das Land, desto gefährlicher ist es anders als der Mainstream zu sein.

  • AW
    Andreas Wesker

    thomala, der §166 ist ein Gummiparagraph und gehört m.E. abgeschafft. Woran wollen wir denn festmachen, was geeignet ist, dem öffentlichen Frieden zu stören? Daran, wer genügend randalierende Radaubrüder mobilisieren kann? Bestimmt dann derjenige, von dem am ehesten mit Gewaltanwendung zu rechnen ist, darüber, was gesagt bzw. nicht gesagt werden darf?

  • C
    Chandrika

    @thomala

    Der zitierte Paragraf findet in Deutschland allerdings nur Anwendung, wenn es den Islam betrifft.

    Bei anderen Religionen handelt es sich um berechtigte Kritik.

  • A
    andyconstr

    Eine Schande für die Religionen das sie derartige rückständige Intoleranz an den Tag legen, es zeigt einmal mehr das sie sich überlebt haben und zu nichts mehr zu gebrauchen sind.Selbst die Moral können sie mit ihren Höllenfolterlehren nicht halten.Sie sind die Abtrünnigen, die Abgefallenen.Sie vermitteln ein verhasstes Gottesbild, womit sie Gott als üblen Folterer, Schergen und Diktator darstellen.Nichts davon stimmt, nichts davon ist wahr.Menschliche Finsternis umgibt sie und sie sind unfähig sich den Fragen der Zeit zu stellen.Untertanen sind sie, und produzieren sie.Anstatt freie und verantwortungsbewusste Menschen zu erzeugen, schaffen sie Unmenschen, Dummköpfe und Fachidioten.Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis die Mächtigen diese nutzlose religiöse Klientel loswerden tuen.Es ist ein Irrtum, der Mensch ist von seiner Natur aus kein mieser Schurke, insofern braucht man ihn auch nicht dem entsprechend behandeln.Wer das nämlich behauptet sollte bekannt sein (Hiob 2:4), er und seine Klientel die jetzt herrschen, die unfähig sind etwas stabiles aufzubauen was Bestand hat.Nein, seine Macht geht zur

    Neige, er geht seinem Ende entgegen, denn eines hat er nun gar nicht: Zukunft.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Auch in Deutschland wird Islamkritik mit Faschismus gleichgesetzt. Und es gab genügend Politiker (bis hin zum Islam-Lobbyisten Polenz, CDU), die den dümmlichen Mohammed-Film zum Anlass nehmen wollten um jegliche Kritik scharf unter Starfe zu stellen, weil diese in der Lage wäre, die öffentliche Ordnung stören zu können. Also versuchen wir zu vermeiden, dass Gläubige ausflippen. Religionskritik am Christentum gehört jedoch weiterhin zum guten Ton. Die flippen ja auch nicht aus.

  • T
    thomala

    § 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

     

    (1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

     

    (2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

     

    http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__166.html

  • MJ
    Martin Jakob

    Alles klar taz: ein Dutzend verurteilte "Humanisten" sind natürlich wichtiger als 10.000 ermordete Christen jedes Jahr. Die Traumatisierten, Vergewaltigten, Enteigneten, Gefolterten und Vertriebenen treiben die Zahl dann auf mehrere 100.000. Aber das ist ja ok, weil Christenmorden ist ja voll knorke, gell taz? Ekelhaft, dass der Christenmord hier nicht einmal in einem Nebensatz erwähnt wird. Das ist Desinformation pur. Christsein (oder auch Huindu, Buddist, Atheist, Agnostiker, etc.) bedeutet in vielen Ländern (welche wohl???) nämlich automatisch Gotteslästerung und somit ist das sehr wohl das Thema in diesem Artikel. Echt traurig diese Feigheit.