Verfassungsschutz und AfD-Einstufung: Showdown in Köln
Das Verwaltungsgericht verhandelt ab Dienstag die Einstufung der AfD als rechtsextremen Verdachtsfall. Die Partei inszeniert sich derweil als Opfer.
Gewinnt der Verfassungsschutz, darf er die Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen, Kommunikation auswerten und V-Leute anwerben. Wegen der Coronapandemie und gleichzeitig großem öffentlichem Interesse hat das Gericht den Prozess in die Messe Köln verlegt.
Schon länger stehen die Landesverbände der AfD in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als Verdachtsfälle unter Beobachtung. Im Verfahren in Köln geht es nun um die Einstufung der Gesamtpartei.
Der Verfassungsschutz hatte diese 2019 zunächst als rechtsextremen Prüffall eingestuft. Seitdem sammelt und analysiert er systematisch öffentliche Quellen der Partei und Darstellungen über sie. Nach zwei Jahren Prüfzeit stufte das Amt die AfD Anfang 2021 zum rechtsextremen Verdachtsfall hoch, weil es „gewichtige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“ sah.
Insgesamt vier Klagen
Dagegen klagte die AfD und erzielte in einem Eilverfahren am Kölner Verwaltungsgericht zunächst einen Teilerfolg: Weil die Einstufung in die Öffentlichkeit durchgesickert war, sah das Gericht darin einen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien und legte die Einstufung vorerst auf Eis. Ob die Einstufung inhaltlich gerechtfertigt ist, soll die nun anstehende Verhandlung zeigen. Es ist offen, ob bereits diese Woche ein Urteil fällt. Sollte es dazu kommen, ist mit Berufungsverfahren zu rechnen.
Verhandelt werden insgesamt vier Klagen der AfD. Neben der Einstufung der Bundespartei geht es auch um die Einstufung der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative als Verdachtsfall. Ebenso geht es um die Einstufung einer „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ des formal aufgelösten extrem rechten Flügels, der völkischen Parteiströmung um den Thüringer Landeschef und Rechtsextremisten Björn Höcke.
Zudem geht es um die Frage, wie groß das Flügelnetzwerk ist. Der Verfassungsschutz geht von 7.000 Personen aus, auch gegen diese Einschätzung klagt die AfD, die derzeit rund 30.000 Mitglieder hat.
Mit einer Bestätigung der Einstufung als Verdachtsfall würde insbesondere der Druck auf Beamt*innen innerhalb der Partei steigen. Die unterliegen als Staatsdiener*innen grundsätzlich einer Verfassungstreuepflicht.
Beamte mit Rechtsdrall
Disziplinarverfahren müssten dennoch weiter im Einzelfall begründet werden, wie es vom Beamtenbund DBB heißt. „Wir lehnen die AfD und jede Zusammenarbeit mit ihr ab“, sagte Sprecherin Britta Ibald der taz. „Man kann nicht im Dienst des Staates stehen und gleichzeitig unsere demokratische Ordnung aushöhlen wollen.“ Aber solange die Verfassungsfeindlichkeit nicht höchstrichterlich festgestellt sei, sei immer der Einzelfall zu prüfen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kündigte auf taz-Anfrage an, bei einer Einstufung als Verdachtsfall Konsequenzen gegen Mitglieder zu ziehen. GdP-Mitglieder, die offensichtlich für die AfD werben oder sich in Parteiämtern befinden, würden mit einem Ausschlussverfahren konfrontiert, sagte GdP-Bundessprecher Oliver Malchow.
Die GdP hatte bereits kurz nach der Einstufung als Verdachtsfall vor rund einem Jahr eine Unvereinbarkeitserklärung abgegeben und als AfD-Politiker aktive GdP-Mitglieder zum Austritt aufgefordert.
Die meisten Beobachter*innen gehen davon aus, dass das Gericht der Einschätzung des BfV folgen wird. Politikwissenschaftlich und journalistisch ist vielfach belegt, dass die AfD eine extrem rechte Partei ist. Sie vertritt rassistische, sexistische und revisionistische Positionen und versucht in radikaler Systemfeindschaft, die parlamentarische Demokratie auszuhöhlen.
Interne Kämpfe
Die noch immer andauernde Radikalisierung der Partei hat durch verschwörungsideologische Coronaproteste einen erneuten Schub erlebt – zuletzt fantasierten AfD-Abgeordnete in Chatgruppen gar vom Bürgerkrieg.
Zudem gewann die völkische Strömung um Björn Höcke stetig an Einfluss und prägt zunehmend Programmatik und Spitzenpersonal. Nach anhaltenden parteiinternen Machtkämpfen zog der damalige Co-Parteichef Jörg Meuthen mit seinem Parteiaustritt Ende Januar einen Schlussstrich. Er hatte lange mit der völkischen Strömung paktiert und scharfe Reden auf deren Kyffhäusertreffen gehalten.
Seit der Einstufung der AfD als Prüffall hatte er sich allerdings als bürgerliches Gesicht der AfD inszeniert und die völkische Strömung parteiintern bekämpft – auch, um eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu verhindern. Seit seinem Austritt warnte er in diversen Talkshows vor der Radikalisierung der AfD. Seine Aussagen sind nun Steilvorlage für den Verfassungsschutz, der den langjährigen Parteichef in aktuellen Schriftsätzen breit zitiert.
„Das ist ein medialer Schauprozess“, sagte der verbliebene Parteichef Tino Chrupalla der taz. Der selbst aus dem bereits als Verdachtsfall eingestuften Landesverband Sachsen stammende Chrupalla will alle Strömungen integrieren und galt selbst immer als Wunschkandidat der Völkischen. Mit Höcke stehe er im kritischen Austausch, rechtsextreme Entgleisungen beantworte seine Partei mit Ordnungsverfahren.
Selbstverharmlosung und Opferinszenierung
Angst vor einer möglichen Beobachtung durch den Verfassungsschutz habe er keine, wie Chrupalla mit Hinweis auf seine DDR-Herkunft sagte: „Der Geheimdienst wird gegen die Opposition instrumentalisiert, das kenne ich schon aus düsteren Zeiten.“ Die Doppelstrategie der AfD für den Prozess ist damit gesetzt: Selbstverharmlosung und geschichtsvergessene Opferinszenierung.
Vertreten wird die AfD wie so oft von der Kanzlei Höcker. Pikant: Dort war zwischen 2019 und 2021 auch der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen beschäftigt, bei dem viele retrospektiv den Eindruck gewannen, er habe während seiner Amtszeit eine schützende Hand über die AfD gehalten.
Aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit könnten folgenreiche Interessenkonflikte vorliegen. Die Rechtsanwaltskammer Köln prüft den Vorgang noch immer berufsrechtlich, wie es auf taz-Anfrage heißt. Theoretisch könnte der Kanzlei sogar das Mandat entzogen werden. Die AfD-Klagen wären damit zwar nicht unwirksam, wohl aber die Prozessstrategie im Eimer.
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