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Verfassungsschutz soll Richter checkenEin neuer Radikalenerlass?

Die CDU in Niedersachsen will alle Rich­te­r:in­nen auf ihre Verfassungstreue überprüfen. SPD und Gewerkschaften reagieren skeptisch.

Landgericht Aurich: Die CDU will geprüft haben, wer hier künftig Recht sprechen darf Foto: dpa / Sina Schuldt

Göttingen taz | In Niedersachsen sollen nach dem Willen der CDU neben Po­li­zis­t:in­nen künftig auch Rich­te­r:in­nen auf ihre Verfassungstreue überprüft werden. Für sie solle es eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz geben, sagt Unions-Landeschef und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann. Extremisten hätten weder in der Polizei noch in der Justiz etwas zu suchen, sie dürften erst gar nicht angestellt werden. Richter:innen, die im Dienst enttarnt würden, müssten so schnell wie möglich ihre Entlassungsurkunde bekommen, „da sollten wir nicht lange fackeln“.

Althusmann kündigte an, dass eine Änderung des Richtergesetzes noch in dieser Wahlperiode auf den Weg gebracht werden soll. Eine Regelabfrage durch den Verfassungsschutz bei Be­wer­be­r:in­nen für den Polizeidienst ist bereits geplant. Für Staatsanwälte und Richter wird aktuell in Niedersachsen bei Bewerbungsverfahren eine umfassende Registerauskunft angefordert.

Althusmanns Parteifreundin, Landesjustizministerin Barbara Havliza, begrüßt den Vorstoß. „Rechtsstaat und Rechtsstaatlichkeit sind elementare Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens“, sagte sie. Zwar gebe die Richterschaft in Niedersachsen bislang keinen Anlass, ihr zu misstrauen, aber Fälle in anderen Bundesländern ließen aufhorchen. Sie denke hier an die aktuelle Diskussion in Sachsen, sagte Havliza.

Dort sowie auch bundesweit schlägt seit Wochen der Fall des ehemaligen AfD-Bundestags­abgeordneten Jens Maier, der vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft wird und der sich selbst schon als „kleinen Höcke“ bezeichnete, hohe Wellen. Maier will nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament im Herbst wieder in die Justiz zurückkehren. Bis 2017 war er als Richter am Landgericht Dresden tätig.

Eine Regelabfrage beim Geheimdienst bei Be­wer­be­r:in­nen für den Polizeidienst ist bereits geplant

Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) hatte zunächst erklärt, eine Rückkehr Maiers nicht verhindern zu können. Inzwischen kündigte sie an, den 60-Jährigen in den Ruhestand zu versetzen. Er soll zwar vom 14. März an dem Amtsgericht Dippoldiswalde als Richter zugewiesen werden, parallel dazu hat das Ministerium aber beim Landgericht Leipzig – dem zuständigen Dienstgericht für Richter – einen Antrag auf Versetzung Maiers in den Ruhestand gestellt. Sie beabsichtige, „Herrn Maier ab dem Zeitpunkt seiner Rückkehr in den Dienst, die Führung der Amtsgeschäfte vorläufig zu untersagen“, sagt Meier.

In Niedersachsen stößt die von der CDU gewünschte generelle Überprüfung von Richtern durch den Verfassungsschutz bei der SPD-Landtagsfraktion auf Skepsis. Ihr Innenexperte Ulrich Watermann erklärte, er halte wenig von einer unkontrollierten Regelabfrage beim Geheimdienst. Natürlich müssten Richter auf dem Boden der Verfassung stehen. Dass das ­kontrolliert werden müsse, sei unstrittig, „aber von einer Regelanfrage halte ich nicht viel – auch mit Blick auf die Fehler, die wir etwa mit dem Radikalenerlass gemacht haben“.

Ähnlich sieht das die Fachgruppe der Rich­te­r:in­nen und Staats­an­wäl­t:in­nen im Ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen. Sie teilt das Ziel, rechtsradikale Ju­ris­t:in­nen von den Laufbahnen als Rich­te­r:in oder Staats­an­wäl­t:in fernzuhalten. Das von der CDU vorgeschlagene Mittel sei allerdings „unverhältnismäßig und daher nicht zielführend“.

Unter dem Radikalenerlass von 1972 hätten „in erheblicher Zahl“ auch engagierte Ge­werk­schaf­te­r:in­nen gelitten. Insgesamt wurden damals 1,4 Millionen Personen überprüft. Etwa 1.100 davon wurde der Eintritt in den oder das Verbleiben im öffentlichen Dienst verwehrt – unter ihnen waren auch Lokführer und Briefträger. In den allermeisten Fällen wurde ihnen eine Mitgliedschaft in oder Sympathie gegenüber der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) oder einer ihrer „Massenorganisationen“ zur Last gelegt.

Schlechte Erfahrungen bei den Linken

„Wir sehen keinen Anlass, ein derart flächendeckendes und potenziell in die Berufsfreiheit eingreifendes Instrument heutzutage erneut zu installieren“, erklärte die Fachgruppe. Das beamtenrechtliche Mäßigungsgebot und die disziplinarrechtlichen Instrumente der Richterdienstgerichte böten „eine zielgenaue, rechtsstaatliche Handhabe“.

Dass für Rich­te­r:in­nen spezielle Dienstgerichte vorgesehen sind, ergibt Sinn. Denn anders als Staats­an­wäl­t:in­nen sind Rich­te­r:in­nen keine Beamt:innen. Sie stehen aber in einem öffentlich-rechtlichen Dienst­verhältnis, das dem Beamt:innen­verhältnis ähnelt. Wären Rich­te­r:in­nen verbeamtet, so ergäben sich Probleme mit der richterlichen Unabhängigkeit. Be­am­t:in­nen sind weisungs­gebunden.

Gegen eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz spricht aus linker Sicht schließlich auch eine Skepsis gegenüber dem Inlandsgeheimdienst. Ein Vorwurf lautete stets, die Behörde sei auf dem rechten Auge blind oder doch stark sehbehindert.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Zu Polizei und Richterei hätte ich die Schlapphüte vom BfV noch mit in die Überprüfung genommen. Die machen dann nen Selbsttest in der Schnüffelnase.

  • Ja - lebt denn der alte Holzmichel noch?

    Extremistenbeschluß - to be korrekt!



    Daß nun ausgerechnet Bas-Sax dieses gut abgehangene Grubenhündchen!



    Komplett - LERNRESISTENT - wieder ausbuddelt!



    Erheitert irgendwo ja doch! Gellewelle&Wollnichwoll?!!



    “ In seinem Grundsatzurteil 7/1994/454/535 beziehungsweise 17851/91 vom 26. September 1995 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Strasbourg) festgestellt, dass das Land Niedersachsen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen und "unverhältnismäßig" gehandelt habe, als es die Lehrerin Dorothea Vogt wegen ihrer Mitgliedschaft in der DKP zeitweilig aus dem Schuldienst entließ. Die betroffene Lehrerin erhielt daraufhin eine Wiedergutmachungszahlung. - Interview mit Dorothea Vogt in junge Welt 25.09.2019 (pdf) (Scan-pdf)







    Da das Gericht als Amtssprachen Englisch und Französisch verwendet, existieren nur nichtamtliche deutschsprachige Übersetzungen des Urteilstexts: NJW 1996, S. 375ff. - Redaktion berufsverbote.de (mit Erläuterungen) - Kurzfassung in ÖIMR-Newsletter NL 1995,188 (Österreich) - Auszüge aus dem Urteil im 2018 vorgelegten Bericht der „Niedersächsischen Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der Schicksale im Zusammenhang mit dem sogenannten Radikalenerlass“



    www.berufsverbote....ndex.php/EuGM.html

    kurz - Da wiehert ja in echt das Niedersachsen Roß 🐎 - wa!



    Noch dazu mit exMP Bas-Sax GazPromGerd sei classico! Gelle.



    “Raus! Aber schnell!“ (Ja Gerd - alte Bierfläsch - das waren noch echte Gedönsratzeiten!



    Hirnrissig &! Suboptimal!;((



    & Sojet - ein ausgewiesener Fachmann!



    Bernt Althaus Panzer-Offz …mit Abschluss Diplom-Pädagoge ….„ Anschließend studierte er an der Fachhochschule für Berufstätige in Lahr, die zu den AKAD-Privathochschulen gehört, das Fach Betriebswirtschaft mit dem Abschluss eines Diplom-Betriebswirtes (FH). 2007 wurde er an der Universität Potsdam mit der Note „rite“ promoviert; …

    ff aber gern

    • @Lowandorder:

      ff & weiter geht’s

      (Hola!) …sein Thema war Prozessorganisation und Prozesskooperation in der öffentlichen Verwaltung : Folgen für die Personalentwicklung.“ Booey.



      kurz - in gau platt:“Bannig fixen Dutt bi de Klütenpann un kaant liggers Kattenshiit in Düstern rüüken! Weet ever vonde Steenstroot nix aff“ •

      kurz - Mit Verlaub: Ich erstarre vor Ehrfurcht!



      & weiter geht’s suboptimal =>?



      Die Quereinsteigerin Politik =>



      Frau JuMi Barbara Havliza - exStaatsschutzOLG-Senatsvorsitzende - fehlsam - aber hart.



      www.weser-kurier.d...e3ez5o1juv9f6vujn1



      Ist in hier anstehenden Kernfragen des Öffentlichen Recht - in Sonderheit des Verfassungsrechts ebenfalls - jenseits von Strafrecht - komplett unausgewiesen.



      de.wikipedia.org/wiki/Barbara_Havliza



      & btw & entre nous but not only - wa!=>



      ( - anders als ihre Vorgängerin im Amt, die mir seit Studientagen & sodann als Verwaltungsrichterin Kassel - zuletzt als Vorsitzende Hannover - immer kompetente Weggefährtin war bis heute.)



      de.wikipedia.org/w..._Niewisch-Lennartz

      Verlassen wir also mal - den suboptimalen Bereich der lernresitent ahnungslos Bauchgefühlgesteuerten! Gelle.



      Besser is das - wa!



      Fangemer mit den kompetenten - aber doch eher unverdächtigen an:



      “ Der Brandenburger Richterbund hält eine Regelabfrage bei Verfassungsschutzbehörden „weder für Bewerber, noch für bereits im Dienst befindliche Richter und Staatsanwälte für geboten“, erklärt die Vorsitzende Claudia Cerreto, Richterin am Amtsgericht Nauen. „Der Justiz gelingt es auch mit den bisherigen Instrumenten, wie beispielsweise der Einholung eines Führungszeugnisses, sehr gut, zu verhindern, dass mögliche Verfassungsfeinde und Extremisten in den Justizdienst gelangen“, sagt sie. In den vergangenen Jahren seien bundesweit lediglich zwei Fälle bekannt geworden, in denen ein Richter oder Staatsanwalt wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue aus dem Dienst geschieden ist. …

      ff na aber Hallo!

      • @Lowandorder:

        ff

        … „Dies zeigt, dass es keinen Anlass gibt, Richter und Staatsanwälte unter Generalverdacht zu stellen“, so Cerreto.“

        Korrekt & Bremen sehn =>



        “… Beim Bremischen Richterbund sieht man die Bestrebungen der Behörde mit einer gewissen Skepsis. Zwar sei grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn die Justiz gegen Unterwanderung durch Extremisten geschützt werden soll. Aber gibt es aktuell wirklich ein Erfordernis für Regelanfragen beim Verfassungsschutz? Der Vorsitzende des Bremischen Richterbundes, Andreas Helberg, hat da so seine Zweifel. Am meisten stört ihn aber, „dass der Vorstoß zu kurz greift“. Schaue man über die deutschen Grenzen, dann werde klar, dass Gefahren für die „Sturmfestigkeit“ der Justiz derzeit eher von staatlicher Seite ausgehen. Etwa in Ländern mit populistischen Regierungen, die durch gezielte Personalpolitik den Justizapparat umkrempeln und sich so die dritte Gewalt untertan machen.“



        Stimmt - denn seit 1877 - JA SOO ALT IST DAS MÖRCHEN SCHON! Gilt! =>



        “Was stört mich die richterliche Unabhängigkeit! Solange ich - über Einstellung Brförderung & entscheide!“



        (Das genau macht die europäische Südschiene - Italien vorweg - anders.



        “ Auch in Bremen gebe es ein antiquiertes Richtergesetz, das die alleinige Befugnis zur Ernennung und Beförderung von Richtern der Behördenspitze zuweist. Zwar existierten Auswahlausschüsse, die mit Vertretern von Gerichten und der Justizbehörde besetzt seien und eine Vorprüfung der Kandidaten vornehmen. Doch an die Empfehlungen dieser Gremien sei ein Justizsenator nicht gebunden. Die gegenwärtigen Strukturen ermöglichten deshalb ein „Durchregieren“ von oben. Dies sei eine handfestere Gefahr für die unabhängige Gerichtsbarkeit als eine mögliche Unterwanderung durch Extremisten, glaubt der Vorsitzende des Bremischen Richterbundes.“Ach was! © Vagel Bülow



        & jetzt die Aufmischer =>



        “Die Zunahme rechtsradikaler Positionen in der Gesellschaft geht auch an der Justiz nicht spurlos vorüber.…“

        Indeed ff

        • @Lowandorder:

          ff

          “…Die Bundesmitgliederversammlung der Neuen Richtervereinigung vom 27./28. November 2021 hat sich mit diesem Phänomen beschäftigt und dieses intensiv diskutiert.



          Ausgangspunkt ist für uns die selbstverständliche Pflicht der Richterschaft in ihrer Gesamtheit, aber auch in jeder Richterperson, ohne jeden Zweifel für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unserer Verfassung und für die Gewaltenteilung einzutreten. Das gilt ebenso für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.



          Eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor der Einstellung in den höheren Justizdienst käme allerdings einer anlasslosen und intransparenten Gesinnungsprüfung gleich. Dies lehnen wir ab. Es bestehen bereits jetzt zahlreiche Möglichkeiten, um angemessen auf den Verdacht rechtsradikaler Haltungen oder Verstöße gegen das Gebot der Verfassungstreue zu reagieren. Ob weitere Instrumente erforderlich sind, bedarf sorgfältiger Prüfung.



          Wir sind uns dennoch darüber bewusst, dass Rechtsanwendung nie unpolitisch ist. Sie setzt vielfache Wertungen voraus, die ohne gesellschaftliches Vorverständnis nicht zu leisten sind. Wesentlich ist, dass die Verantwortlichen dabei die Basis unserer Verfassung achten. Es ist Aufgabe unseres Berufsstands, ebenso wie der gesamten Gesellschaft, autoritären, undemokratischen und rassistischen Tendenzen, wo immer sie sichtbar werden, entschieden entgegenzutreten. Die NRV stellt sich den erforderlichen Diskussionen und wird sie weiterführen. Es sollte zur Kultur des Miteinanders in der Justiz gehören, diese Diskussionen auch intern zu führen.“



          www.neuerichter.de...b30a9fea3887057651



          & => AH GEH - 😉 🥱 🙈 -



          “Nur Bayern fragt Verfassungsschutz routinemäßig nach Justiz-Bewerbern



          Um Extremisten aus dem Justizdienst fernzuhalten, holt derzeit Bayern als einziges Bundesland routinemäßig Informationen über angehende Richter und Staatsanwälte beim Landesamt für Verfassungsschutz ein.…"

          Ach was! & a 🍺 is mir

          • @Lowandorder:

            Vielen Dank für die (hoffentlich kompetente :-)) Datensammlung.

            Tja, die Bayern...