Verfassungsschutz soll Richter checken: Ein neuer Radikalenerlass?
Die CDU in Niedersachsen will alle Richter:innen auf ihre Verfassungstreue überprüfen. SPD und Gewerkschaften reagieren skeptisch.
Althusmann kündigte an, dass eine Änderung des Richtergesetzes noch in dieser Wahlperiode auf den Weg gebracht werden soll. Eine Regelabfrage durch den Verfassungsschutz bei Bewerber:innen für den Polizeidienst ist bereits geplant. Für Staatsanwälte und Richter wird aktuell in Niedersachsen bei Bewerbungsverfahren eine umfassende Registerauskunft angefordert.
Althusmanns Parteifreundin, Landesjustizministerin Barbara Havliza, begrüßt den Vorstoß. „Rechtsstaat und Rechtsstaatlichkeit sind elementare Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens“, sagte sie. Zwar gebe die Richterschaft in Niedersachsen bislang keinen Anlass, ihr zu misstrauen, aber Fälle in anderen Bundesländern ließen aufhorchen. Sie denke hier an die aktuelle Diskussion in Sachsen, sagte Havliza.
Dort sowie auch bundesweit schlägt seit Wochen der Fall des ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier, der vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft wird und der sich selbst schon als „kleinen Höcke“ bezeichnete, hohe Wellen. Maier will nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament im Herbst wieder in die Justiz zurückkehren. Bis 2017 war er als Richter am Landgericht Dresden tätig.
Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) hatte zunächst erklärt, eine Rückkehr Maiers nicht verhindern zu können. Inzwischen kündigte sie an, den 60-Jährigen in den Ruhestand zu versetzen. Er soll zwar vom 14. März an dem Amtsgericht Dippoldiswalde als Richter zugewiesen werden, parallel dazu hat das Ministerium aber beim Landgericht Leipzig – dem zuständigen Dienstgericht für Richter – einen Antrag auf Versetzung Maiers in den Ruhestand gestellt. Sie beabsichtige, „Herrn Maier ab dem Zeitpunkt seiner Rückkehr in den Dienst, die Führung der Amtsgeschäfte vorläufig zu untersagen“, sagt Meier.
In Niedersachsen stößt die von der CDU gewünschte generelle Überprüfung von Richtern durch den Verfassungsschutz bei der SPD-Landtagsfraktion auf Skepsis. Ihr Innenexperte Ulrich Watermann erklärte, er halte wenig von einer unkontrollierten Regelabfrage beim Geheimdienst. Natürlich müssten Richter auf dem Boden der Verfassung stehen. Dass das kontrolliert werden müsse, sei unstrittig, „aber von einer Regelanfrage halte ich nicht viel – auch mit Blick auf die Fehler, die wir etwa mit dem Radikalenerlass gemacht haben“.
Ähnlich sieht das die Fachgruppe der Richter:innen und Staatsanwält:innen im Ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen. Sie teilt das Ziel, rechtsradikale Jurist:innen von den Laufbahnen als Richter:in oder Staatsanwält:in fernzuhalten. Das von der CDU vorgeschlagene Mittel sei allerdings „unverhältnismäßig und daher nicht zielführend“.
Unter dem Radikalenerlass von 1972 hätten „in erheblicher Zahl“ auch engagierte Gewerkschafter:innen gelitten. Insgesamt wurden damals 1,4 Millionen Personen überprüft. Etwa 1.100 davon wurde der Eintritt in den oder das Verbleiben im öffentlichen Dienst verwehrt – unter ihnen waren auch Lokführer und Briefträger. In den allermeisten Fällen wurde ihnen eine Mitgliedschaft in oder Sympathie gegenüber der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) oder einer ihrer „Massenorganisationen“ zur Last gelegt.
Schlechte Erfahrungen bei den Linken
„Wir sehen keinen Anlass, ein derart flächendeckendes und potenziell in die Berufsfreiheit eingreifendes Instrument heutzutage erneut zu installieren“, erklärte die Fachgruppe. Das beamtenrechtliche Mäßigungsgebot und die disziplinarrechtlichen Instrumente der Richterdienstgerichte böten „eine zielgenaue, rechtsstaatliche Handhabe“.
Dass für Richter:innen spezielle Dienstgerichte vorgesehen sind, ergibt Sinn. Denn anders als Staatsanwält:innen sind Richter:innen keine Beamt:innen. Sie stehen aber in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, das dem Beamt:innenverhältnis ähnelt. Wären Richter:innen verbeamtet, so ergäben sich Probleme mit der richterlichen Unabhängigkeit. Beamt:innen sind weisungsgebunden.
Gegen eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz spricht aus linker Sicht schließlich auch eine Skepsis gegenüber dem Inlandsgeheimdienst. Ein Vorwurf lautete stets, die Behörde sei auf dem rechten Auge blind oder doch stark sehbehindert.
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