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Verfassungsreform in RusslandReferendum vertagt

Präsident Putin kündigt wegen Corona eine Verschiebung der Abstimmung an. Ab Montag haben alle eine Woche frei. Der Lohn kommt trotzdem.

Putin hinter der Maske im Schutzanzug in einem Krankenhaus für Corona Patienten Foto: Kremel via ap

Moskau taz | Viele russische Bürger hatten schon schon seit Tagen erwartet, dass sich Präsident Wladimir Putin anlässlich der Corona-Pandemie eigentlich mit einer Ansprache ans Volk wenden müsste. Denn auch Russland ist verunsichert.

Zuletzt kletterte die Zahl der Infizierten von 495 auf 658. Viele vermuten überdies, dass die niedrigen russischen Fallzahlen mit der Art der Zählung und Qualität der Tests zu tun haben dürften. Auch Moskaus Bürgermeister Sergei Sobjanin räumte am Dienstag ein, die Zahlen entsprächen nicht dem tatsächlichen Ausmaß der Infektionen.

Am Mittwoch wandte sich Wladimir Putin in einer TV-Ansprache ans Volk. Er hielt sich diesmal nicht lange auf. „Wir sehen, wie sich die Situation um die Epidemie verschärft, die globale Wirtschaft ist bedroht“, meinte Putin, der wegen des Virus eine geplante Reise nach St. Petersburg verschoben hatte. Dank der russischen Maßnahmen gelinge es noch, der Epidemie Einhalt zu gebieten. Eine völlige Abschottung sei aber nicht möglich, räumte der Kremlchef mittlerweile ein.

Er verschwieg auch nicht, was ihm besonders Kopfschmerzen bereite: Die geplante Abstimmung über die Verfassungsänderungen am 22. April. Bis zuletzt hielt sich der Kreml die Entscheidung eine Verschiebung offen. „Sie wissen, wie wichtig mir das ist“, sagte Putin, der auf dem Stuhl herumrutschte.

Moralische Legitimation

Ein feiner Seufzer war zu hören. Der Präsident hatte gelitten. Schließlich sollte ihm die Abstimmung das Recht auf lebenslange Führerschaft einräumen. Juristisch zwar nicht sauber, doch sollte die Stimme des Volkes die Entscheidung moralisch legitimieren.

Nun wird überlegt, den Wahlgang im Juni oder September abzuhalten. Denn die Gesundheit der Wähler sei das höchste Gut, meinte Putin. Inzwischen wird auch überlegt, wie Moskau unter Quarantänebedingungen die Feierlichkeiten zum 75. Tag des Sieges über Hitlerdeutschland am 9. Mai abhalten könne. Das ist ein Datum, das zentrale Bedeutung für das Selbstverständnis der Machthaber in Moskau besitzt.

Der Kremlchef verfügte noch eine Reihe von sozialen Erleichterungen für Bürger, die von sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus betroffen sind. So sollen für das nächste halbe Jahr alle finanziellen Zuwendungen, zum Beispiel Kindergeld, verlängert werden, ohne dass neue Nachweise erbracht werden müssen.

Ab kommenden Montag gilt darüber hinaus die nächste Woche als arbeitsfrei bei vollem Lohnausgleich. Ab Donnerstag sind Bürger über 65 Jahren verpflichtet, ihre Wohnung nicht mehr zu verlassen. Um das sicherzustellen, kündigte Bürgermeister Sergei Sobjanin an, auch die kostenlose Metrofahrkarte für Rentner für die Dauer der Krise zu sperren.

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