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Verfassungsgericht urteilt zu EZBAnkäufe teils verfassungswidrig

Die EZB hat mit Ankäufen von Staatsanleihen teilweise gegen das Grundgesetz verstoßen. Bundestag und Regierung hätten die Beschlüsse prüfen müssen.

Der Sitz der Europäischen Zentralbank am Ufer des Mains in Frankfurt Foto: Boris Roessler/dpa

Karlsruhe afp/rtr | Das Bundesverfassungsgericht hat mehreren Verfassungsbeschwerden gegen ein umstrittenes Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) stattgegeben. Danach verstößt der Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) teilweise gegen das Grundgesetz, weil Bundesregierung und Bundestag die EZB-Beschlüsse nicht geprüft haben. Dieses Urteil verkündete das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag.

Mit dem Urteil, das Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle verkündete, hatten Verfassungsbeschwerden teilweise Erfolg. Beschwerdeführer sind unter anderen der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler und AfD-Gründer Bernd Lucke.

Das Urteil erging mit sieben zu eins Stimmen. „Bundesregierung und Deutscher Bundestag sind aufgrund ihrer Integrationsverantwortung verpflichtet, der bisherigen Handhabung der PSPP (das EZB-Aufkaufprogramm) entgegenzutreten“, heißt es in dem Urteil.

Im Kern geht es darum, ob die Währungshüter im Rahmen ihrer Geldpolitik Staatsanleihen der Euroländer in Billionenhöhe erwerben dürften. Die Entscheidung könnte unter anderem Einfluss haben auf die jüngsten Stützungsmaßnahmen der EZB im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie. Denn zu diesen gehören umfangreiche neue Anleihenkäufe im Volumen von 750 Milliarden Euro bis zum Jahresende.

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15 Kommentare

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  • Es geht um die fehlende demokratische Kontrolle der EZB. Da sagt ein nicht gewählter Beamter "Whatever it takes", erweitert seine Zuständigkeiten frei selbst und wirft mit Geld in der Größenordnung ganzer Staatshaushalte um sich, ohne irgendeine Form der Mitsprache durch die betroffenen Bürger und Parlamente.

    Schade nur dass es Gauweiler & Lucke braucht um das Parlament zu stärken (in dem sie selbst nichts zu melden haben), während linke Parlamentarier nur zu gern ihre Rechte an eine zentrale Bürokratie abtreten.

  • Bekommen Bundesregierungen seit Euro Einführung 1998-2002 nun durch das BVG Urteil zu EZB Anleiheankäufe die Rechnung präsentiert für ihre Politik auf Sicht unter der Devise Richtung EZB Kritiker „Nun klagt man schön“ mit dem prompt eingetretenen Brexit Referendums Desaster 2016, das bis heute anhält. Was ja 2015 im anhängigen Fall geschah u. a. durch Peter Gauweiler (CSU), Bernd Lucke, Olaf Henkel (AfD), Wilhelm Hanke.

    War die Bundesregierung Merkel/Scholz sich selbst kurz vor BVG Urteil noch so sicher, trotz Coronavirus Pandemie, dass das BVG im ihrem Sinne bisheriger Politik entscheidet, dass sie den Ausweg Coronabonds unter Einholung der Zustimmung im Bundestag, nicht nutzte?, der sowohl Regierung, Bundestag, EZB auf den Weg verfassungsgemäßer Legitimierung Step by Step zurückgeführt hätte? Aber, was nicht ist, kann noch werden.

    Oder geht es der Bundesregierung um eine ganz andere Agenda, die ein Kerneuropa in der Eurozone Deutschland, Benelux Staaten, Frankreich plus X womöglich mit der Schweiz zum Ziel hat, wie diese Wolfgang Schäuble (CDU) als langjähriger Bundesfinanzminister mit Blick auf die Eurokrise 2010-2015 ins Spiel gebracht hatte, um nun durch das BVG Urteil das Plazet zu erlangen, genau dieser Agenda forciert in Medien, Bundestag Auftrieb zu geben, womöglich unterstützt durch koalierend abgespaltene AfD Teile, mit dem Risiko, dass die Eurozone zunächst krachend zerfällt, um wie Phoenix aus der Asche neu aufzuerstehen?

  • Tja, also seit 2012 gab es immerhin ein paar Jahre Zeit die Verträge und Aufgaben der EZB anzupassen, wenn es denn so gewünscht ist.



    Ich finde es erfreulich, wenn wenigstens einige Bestandteile unseres Staats sich nicht von aktuellen Wunschvorstellungen leiten lassen, sondern von der Rechtslage.



    Vielleicht lernt sogar unsere Politik wieder, dass es ihr Job ist, aus Zielen erst Gesetze zu machen, bevor die Umsetzung beginnt...



    Rechtsstaat war ja eigentlich eine gute Idee!

  • Das ist eine Bombe – mitten in der Pandemie, unglaublich. Die EZB hält seit 2012 Europa zusammen. Das Urteil ist ein vorläufiger Triumph des hiesigen Konservatismus. Ich weiß nicht, wie der deutsche Staat sich das vorstellt: Ist Europa wichtig oder nicht? Wenn ja, muss schleunigst ein Politikwandel her, sondern wird die EU wieder um ein paar Mitglieder schrumpfen.

    Das Interview mit Adam Tooze neulich war dazu erhellend: taz.de/Wirtschafts.../!5677157&s=tooze/

    • @Bajramaj:

      Was ist denn Ihrer Meinung nach "Europa"? Die EU basiert auf Verträgen, über die sich die Vertragspartner, die EU-Mitgliedsstaaten, geeinigt haben. Und diese Staaten haben den Institutionen der EU bestimmte Kompetenzen übertragen. Wenn diese Institutionen ihre Kompetenzen überschreiten, dann hat das mit der europäischen Einigung nichts zu tun, sondern verstößt gegen das, worauf die Staaten sich geeinigt haben.

    • @Bajramaj:

      Dieses Urteil ist juristisch total logisch, aber ökonomisch für die größte Wirtschaftskrise/Depression seit sehr langer Zeit absolut katastrophal.



      Wenn Deutschland sich nicht an den unbedingt notwendigen internationalen Maßnahmen beteiligen kann, weil sie ihre eigene Gesetzgebung nicht den Erfordernissen angepasst hat, kann man die EU begraben, die schon seit zwanzig Jahren unter der Austeritätspolitik der Konservativen leidet, die im übrigen zu immer höheren Staatsschulden geführt hat, nicht zu ihrem allmählichen Abbau. Schließlich zahlen die großen Konzerne, besonders des Internets, ja kaum Steuern.

    • @Bajramaj:

      Aha... und zum Zusammenhalt der EU benötigt man ein schwarzes Loch für Schulden?

      Ist die gleiche idiotische Logik wie BWLer die einem erklären ein System sei nur stabil wenn es über alle Grenzen wachsen kann (die Mathematik der Systemtheorie, seit über 200 Jahren erfolgreich und unwiderlegt im Einsatz von Ingenieuren, beschreibt das genaue Gegenteil: nur Systeme die nicht über alle Grenzen wachsen können, sind stabil regelbar)

    • @Bajramaj:

      Das Verfassungsgericht stellt eine offensichtliche Kompetenzüberschreitung fest und soll diese billigen?

      So fiunktioniert ein Rechtsstaat nunmahl nicht. Auch die EU-Institutionen müssen sich im Rahmen ihrer Kompetenzen bewegen. Schaut man sich die Entscheidungen des EU-Parlamentes mal genauer an, dann kommen erhebliche Zweifel auf, ob die EU-Parlamentarier den ihnen gestzten Kompetenzrahmen überhaupt kennen (siehe zuletzt der Beschluss über die Einführung von Euro-Bonds).

      Fraglich ist allerdings, weshalb des BVerfG so lange für die Entscheidung gebraucht hat.

    • @Bajramaj:

      * sonst

      (nicht sondern)

  • Gauweiler und Lucke. Enough said.

    • @tomás zerolo:

      Nee, nicht enough said. Ich frage mich immer, wieso eigentlich nur Rechte gegen die Willkür von EU-Maßnahmen klagen und anmahnen, dass Entscheidungen, die die Bevölkerung der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten wesentlich betreffen, von den Parlamenten dieser Staaten getroffen werden. Eine EZB, die machen kann, was sie will, ohne befürchten zu müssen, mit demokratischen Mitteln aus dem Amt entfernt zu werden, ist mit Sicherheit nicht im Interesse der - ich sag´s mal in gendergerechtem kommunistischem Deutsch - Klasse der arbeitenden Menschen.

    • @tomás zerolo:

      Dürfen die beiden nicht vor dem Bundesverfassungsgericht klagen oder sollte das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen nur aufgrund der Namen der Kläger fällen?

    • @tomás zerolo:

      Was ist denn enough gesaid?

      • @gradselääds:

        Oh, was für 'ne Ehre. Ich antworte mal kollektiv, da ich noch was vor habe, also auch @DIMA, @BUDZYLEIN.

        Diese zwei Menschen mögen zwar formaljuristisch Recht bekommen haben, sind aber dennoch rückwärtsgewandte Gartenzwerge, die sich (a) einbilden, der Wohlstand in dieser Ecke der Welt sei Verdienst des "Deutschen Fleisses" und man wolle es uns wegnehmen und (b) der Deutsche Sparer hätte Anspruch auf Zinsen und (c) Deutschland bräuchte die EU nicht, um sich in der Welt zu behaupten.

        Alles sehr gefährliche Täuschungen.

        Der Gartenzwerg, der kann nicht über den Rand des Jägerzauns blicken.

        • @tomás zerolo:

          Naja, bei den Äußerungen von Herrn Lucke und Herrn Gauland höre ich perse fast schon reflexartig automatisch immer weg und kann mir daher kein Bild bilden, ob es sich dabei um Gartenzwerge handelt oder nicht.

          Da unter anderem auch mein Grundstück bis vor kurzem von einem Jägerzaun begrenzt worden ist, kann ich dennoch bestätigen, dass man für eine gute Sicht nicht unbedingt über den Rand des Jägerzaunes blicken muss. Es reicht häufig auch der Blick durch die recht großen Löcher.

          Ich kann mir jedenfalls kaum vorstellen, dass der Ausgang der Entscheidung irgendwas mit den Klägern in persona zu tun hatte.