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Verfahren gegen katalanische PolitikerSpanien blockiert EU-Mandate

Wegen eines Haftbefehls können Puigdemont und andere separatistische Politiker ihre Sitze nicht einnehmen. Für deren Anwalt ist das nicht rechtmäßig.

Bei der Europawahl im Mai errang er einen Sitz im Parlament: Carles Puigdemont in Brüssel Foto: reuters

Madrid taz | In einem Brief an das Präsidium der europäischen Volksvertretung beschuldigen 76 der insgesamt 751 Abgeordneten des Europaparlaments Spanien, „Grundrechte zu verletzen“. Der Grund: Die spanische Justiz verhindere, dass drei katalanische Politiker ihren Sitz in Straßburg einnehmen können.

Der oberste Gerichtshof weigerte sich am Montag, die Haftbefehle gegen den ehemaligen Regierungschef der rebellischen Nordostregion Carles Puigdemont sowie den ehemaligen Gesundheitsminister Toni Comín aufzuheben, damit sie in Madrid auf die Verfassung schwören und so ihr Amt antreten konnten. Beide halten sich seit November 2017 in Belgien auf und entzogen sich so einem Gerichtsverfahren wegen des Unabhängigkeitsreferendums im gleichen Jahr.

Auch der ehemalige katalanische Vizeregierungschef Oriol Junqueras wartet in der gleichen Sache auf ein Urteil wegen Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder. Das Gericht weigerte sich, ihn unter Polizeigeleit zur Wahlbehörde zu bringen, um dort den Eid zu leisten.

Die 76 Unterzeichner aus unterschiedlichen Ländern und Parteien fordern, „die politischen Rechte von Carles Puigdemont, Oriol Junqueras und Antonio Comín sowie der 2,2 Millionen Menschen, die für sie gestimmt haben, anzuerkennen und zu schützen“. Die Liste von Puig­demont und Comín erhielt 1.025.411, die von Junqueras 1.257.484 Stimmen. Das Präsidium des Europaparlaments müsse deshalb „die spanischen Wahl- und Justizbehörden auffordern, die Ergebnisse der Europawahlen zu respektieren und das Recht der vorgenannten gewählten Europaabgeordneten auf Immunität und Amtsübernahme anzuerkennen“.

Anwalt will Klage gegen Haftbefehl einreichen

Der Anwalt von Puigdemont und Comín, Gonzalo Boye, war an deren statt nach Madrid gereist und hatte der Wahlbehörde ein Dokument vorgelegt, das zeigt, dass die beiden „vor belgischen Behörden die Verfassung Spaniens anerkannt haben“. Es nutzte nichts.

Für Boye genießen seine Mandanten auch ohne Schwur Immunität. Ihre Namen wurden im staatlichen Amtsblatt als „gewählte EU-Abgeordnete“ veröffentlicht. Die Aufrechterhaltung des Haftbefehls sei deshalb nicht rechtmäßig. Boye wird Ende der Woche vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage einreichen. „Ich bin sicher, dass sie ihre Sitze in Straßburg einnehmen werden“, sagt er gegenüber der taz. Mit seinen juristischen Beschwerden hatte er die Kandidatur von Puigdemont und Comín überhaupt erst ermöglicht.

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13 Kommentare

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  • Internationales Recht steht über nationalem Recht!

    Wenn z.B. die UN-Gruppe fur willkürliche Festnahmen die sofortige Freilassung der beiden Jordis und Junqueras fordert, muss ein demokratischer Rechtsstaat darauf reagieren, aber ganz schnell, wenn er sich nicht als Scheindemokratie outen will.

    Oriol Junqueras, welcher nicht ins Exil gegangen ist, hätte längst aus der U-Haft entlassen werden müssen, wie AI und PEN und die oben genannte UN-Gruppe gefordert hatten, um das EU-Mandat antreten zu können.

    Das Oberste Gericht bricht Gesetze bzw. beugt Recht.

  • Ein Schwur von Herrn Puigdemont auf die spanische Verfassung ist angesichts des eklatanten Verstoßes aus seiner Zeit als Regionalpräsident nur eins: vollkommen wertlos.

    Wie will den Bitte Herr Puigdemont die Frage der in der Verfassung geregelten Unteilbarkeit Spaniens ernst meinen?

    Bedauerlicherweise nutzen Herr Puigdemont & Co die Regularien der EU aus und werden möglicherweise noch davon kommen.

    • @DiMa:

      "Bedauerlicherweise nutzen Herr Puigdemont & Co die Regularien der EU aus und werden möglicherweise noch davon kommen."

      Ist das fies. In der EU gelten Gesetze doch tatsächlich für alle...

    • @DiMa:

      Wollen wir's hoffen. Demokratische Selbstbestimmung ist kein Verbrechen.

      • @Snip Snap:

        Die Veruntreuung von Staatsgeldern dagegen schon. Bleibt zu hoffen, dass die EU eine vor den Wahlen ausgesprochene Aufhebung der Immunität ebenfalls anerkennt.

  • in den meisten demokratien der welt ist es nicht üblich dass gewählte volksvertreter*innen einen eid auf die verfassung schwören müssen.ein solcher eid wird in der regel nur von personen gefordert-die regierungsverantwortung tragen wollen.



    dass das schwören von amtseiden aus schlechten politiker*innen keine besseren macht und vermutlich noch nie ein schutz vor amtsmissbrauch gewesen sein dürfte ist eine andere frage die hier nicht diskutiert zu werden braucht.es genügt vielmehr der hinweis dass das vereidigen von volksvertreter*innen ein absurder sonderweg spaniens ist-mit dem es von der praxis der demokratie abweicht

    in der spanischen verfassung steht zum beispiel drin dass spanien ein königreich ist.von welcher/ welchem republikaner *in kann erwartet werden dass sie diesbezüglich die spanische verfassung respektieren?in anbetracht dessen dass die monarchie in spanien von einem siegreichen faschismus restauriert wurde ist das keine petitesse.nicht nur katalanische separatist*innen sondern auch viele linke spanier*innen sind nicht für die erhaltung der spanischen monarchie

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Tja, jetzt werden langsam die Konsequenzen klar für Hr. Puigdemont. Ich denke mal, er hat seine Sache nicht zu Ende gedacht. Die Gesetze in Spanien scheinen für mich eindeutig.



    Ob es die Situation beruhigt, ist was anderes, aber ich denke die Vorgehensweise der Spanier ist von deren Gesetze gut abgedeckt.

    • @87233 (Profil gelöscht):

      Die Verfassung von 1978 und die daraus resultierenden Gesetze sind längst überholungsbedürftig. Vielleicht schafft es Sánchez in der bevorstehenden Legislaturperiode gegen den Wiedenrstand der ultrarechten Parteien eine Änderung durchzuführen. Besonders die Trennun von Staat und Justiz funktioniert nicht. Besonders konnte man das bei dem Prozess gegen die Inhaftierten Katalanen verfogen. Die Prozessführung von Marchena, die bis zur Lächerlichichkeit einseitige Zeugenvernehmung, das alles erinnert an Endorgan und Putin, ist eines EU-Staates unwürdig!

    • @87233 (Profil gelöscht):

      Gesetzlich abgedeckt ist es vielleicht, eines demokratischen Staates würdig aber ganz bestimmt nicht. Ein denokratischer Staat, der den Versuch der demokratischen Selbsbestimmung kriminalisiert, hat da etwas ganz Elementares nicht verstanden.

      • 8G
        87233 (Profil gelöscht)
        @Snip Snap:

        Hast Du Dich mal mi der Spanische Verfassung beschäftigt?



        Ofensichtluch nicht - sonst kämst Du auf diese Einstellung nicht.



        Die Spanische Zentralregierung hatte keine anderen Wahl. Und was ist mit die Mehrheit in Katalonien die nicht austreten wollen? Irrelevant oder was?



        Ho ho ho.

    • @87233 (Profil gelöscht):

      Ich bin seit ein paar Monaten in Spanien und kann ihnen soviel sagen das die Gesetze die das Vorgehen der Exekutive decken aus der Zeit Franco's stammen.

      Gewählte Politiker sind hier in der Ausübung ihres Amtes normalerweise durch die Verfassung geschützt

      • 8G
        87233 (Profil gelöscht)
        @Reyde Lanada:

        LoL. Der Kollege ist nicht mehr Teil eine Regierung, und so what? Die Gesetzte sind die Gesetze.



        Wenn eine damit nicht einverstanden ist, soll er daran arbeiten die zu ändern.

        • @87233 (Profil gelöscht):

          Wenn 80% der Bevölkerung Kataloniens den politischen Konflikt zweier Nationen demokratisch mittels eines fairen, ausgehandelten Referendums lösen will, wird die spanische Erbmonarchie ihre repressive, antidemokratische Blockadehaltung irgendwann aufgeben müssen.

          Ein multinationaler Staat kann in der EU auf Dauer nur bei gegenseitigem Respekt überleben. Ein EU- Staat darf friedlich agierende Opositionelle nicht wie Schwerverbrecher behandeln.

          Und die EU muss Ihre Vorreiterrolle bez. der Verteidigung der Menschenrechte verteidigen. Eine Resolution der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftungen zu missachten, sollte sich kein EU-Staat erlauben dürfen!



          Quelle:



          www.derstandard.at...aft-fuer-katalanen