Vereinte Nationen unter Druck: Somalias Regierung attackiert UN

Die international unterstützte Übergangsregierung greift UN-Stützpunkte an, verschleppt einen wichtigen Vertreter der Vereinten Nationen - und macht so ihre Kritiker zunehmend mundtot.

Eine Partrouille der somalischen Übergangsregierung in Mogadischu. Bild: dpa

Es war kurz nach acht Uhr früh, als am Mittwoch vor dem Stützpunkt der UNO nahe des Flughafens von Somalias Hauptstadt Mogadischu zwei Pick-up-Trucks mit quietschenden Reifen vorfuhren. Auf ihren Ladeflächen waren Flugabwehrgeschütze montiert. "Soldaten mit Kalaschnikows und anderen Gewehren sprangen herunter, vielleicht 50 oder 60, und drangen in die UN-Basis ein", berichtet ein Augenzeuge. Schüsse fielen nicht. Nach kurzer Zeit zogen die Soldaten, die zur Armee der somalischen Übergangsregierung gehören, wieder ab. Den Landesdirektor des UN-Welternährungsprogramms WFP, Idris Osman, nahmen sie als Gefangenen auf der Ladefläche mit. Der Somalier wird seitdem vom Geheimdienst in einer Zelle nahe des Präsidentenpalasts "Villa Somalia" verhört.

In Kenias Hauptstadt Nairobi, wo das WFP seine regionale Zentrale hat, wollte man die Nachricht erst nicht glauben. "Wir wissen bis jetzt noch nicht, unter welchem Vorwurf Osman überhaupt verhaftet worden ist", empört sich Sprecher Marcus Prior. Dass das Eindringen der Soldaten gegen internationales Recht verstößt, weil UN-Stützpunkte ähnlich wie Botschaften diplomatischen Schutz genießen, erscheint in einem Land wie Somalia fast schon nebensächlich. Schließlich beachtet die Regierung, die an der Seite äthiopischer Truppen gewaltsam gegen Untergrundkämpfer vorgeht und ihre Kritiker - allen voran Journalisten - mit immer brutaleren Methoden mundtot macht, auch sonst kaum Recht und Gesetz. Hilfsorganisationen bemängeln zudem immer neue bürokratische Hürden, die ihre Arbeit erschweren. Doch die UN waren bislang weitgehend ungeschoren davongekommen.

Vieles spricht dafür, dass Somalias Übergangsregierung mit der Festnahme Osmans einen Kritiker verwarnen will. Immer wieder, so berichtet ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in Mogadischu, habe die Regierung versucht, in die Verteilung von Nahrungsmitteln in ihrem Sinne einzugreifen, doch Osman blieb unnachgiebig. Zugleich kritisierte er immer wieder die anhaltenden Gefechte in Mogadischu, die die Versorgung der Not leidenden Zivilbevölkerung nahezu unmöglich mache. Das WFP ist die größte UN-Agentur in dem seit 16 Jahren praktisch unregierten Land. Am Mittwoch stellte sie ihre Arbeit in Mogadischu aus Protest gegen Osmans Festnahme vorerst ein. Mehr als 75.000 Bewohner der zerstörten Stadt, die seit Montag zum ersten Mal seit Juni wieder Nahrungsmittel erhalten sollten, müssen vorerst wieder ohne Hilfe auskommen.

Die Kämpfe gingen in Mogadischu unterdessen weiter. Am Dienstagabend wurden mindestens sieben Bewohner bei schweren Gefechten getötet, während Präsident Abdullahi Yusuf und Premier Ali Mohammed Gedi im 150 Kilometer entfernten Baidoa um ihre politische Zukunft rangen. Wegen der Gewalt hausen mehr als 350.000 Bewohner Mogadischus seit Monaten im Umland der Stadt, wo sie auf die wenigen Hilfswerke angewiesen sind, die das Land noch nicht verlassen haben.

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