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Verdrängung in PankowSchampus statt Bier

Die Willner Brauerei war einer der letzten kreativen Orte im Kiez. Nun hat Investor Berggruen das Areal verkauft, der neue Eigentümer will luxussanieren.

Blick auf das Gelände der Willner Brauerei in der Berliner Straße in Pankow Foto: Jens Jeske

Es war wie eine der letzten Oasen im Norden Berlins, gleich hinter Prenzlauer Berg am U-Bahnhof Vinetastraße. Fast hatte es etwas von einem Hoffnungsschimmer, als vor fünf Jahren auf dem Gelände der Willner Brauerei ein Kulturort entstand, an dem man sich abends bei Freiluftkino und guter Pizza im Biergarten treffen konnte. An dem sich Ateliers, Werkstätten und Büros ansiedelten. An dem noch nicht alles aussah wie sonst in Prenzlauer Berg, wie „handverlesenes Design“ aus dem Versandhaus Monoqi etwa.

Freiraum von einst

Wo man die Kinder noch im Dreck spielen lassen konnte. Wo man ihnen noch erklären konnte, warum man vor 20 Jahren nach Berlin gekommen war: Wegen dieser großen Erzählung von Freiraum und Kreativität zum Beispiel, einer Erzählung, die den Prenzlauer Berg einmal berühmt gemacht hat und die dort heute kaum mehr eine Rolle spielt.

Doch nun ist es vorbei mit der Willner Brauerei. „Es war von Anfang an klar, dass das hier eine Zwischennutzung ist“, sagt Dirk Roth, „und trotzdem haben wir irgendwie immer gehofft, dass es weiter gehen wird.“ Roth ist einer der vier Akteure, die die Willner Brauerei „mit viel Liebe“ entwickelt haben. Einer derselben vier Leute auch, die letztes Jahr in einem Trafohäuschen auf dem Gelände den Klub der Republik wiedereröffnet haben, jene schöne Tanzbar mit Kugellampen und Sofas aus dem Palast der Republik.

2012 war der Klub aus der Pappelallee in Prenzlauer Berg vertrieben worden, auf dem Höhepunkt des Clubsterbens. Viele empfanden dieses Sterben als großen, hochsymbolischen Krieg zwischen alten und neuen Berlinern, zwischen Nachtgestalten und Ruhebedürftigen, Kreativen und Etablierten, zwischen Leben und Wohnen. Es ist bekannt, wie er ausgegangen ist.

Im Grunde schon verloren

Es ist ebenso klar, wie der Krieg um die Willner Brauerei ausgehen wird. Im Grunde ist er, wenn kein Wunder geschieht, schon verloren. Die alten Eigentümer, die Berggruen Holdings GmbH, hat das Gelände verkauft, an die Jenn Grundbesitz GmbH & Co. KG. Diese will die Baupläne von Berggruen, die sie quasi mitgekauft hat, schnell in die Tat umsetzen, „kostenintensiv sanieren“, wie sie mitteilt, und zwar ab Anfang 2018. Man gibt zu, dass sich viele der Künstler die neuen Mieten wohl eher nicht werden leisten können.

Es gibt also Ateliers und Werkstätten in der Willner Brauerei, die zum Jahresende raus müssen. Der Biergarten, die Pizzeria und der Klub der Republik werden während der Bauarbeiten in verkleinerter Form weiter laufen – diesbezüglich ist der neue Besitzer den Mietern entgegen gekommen, lobt Roth die Kommunikation. Im Herbst 2018 ist dann voraussichtlich endgültig Schluss – und er kann nicht verhehlen, wie traurig er darüber ist. Eine Stiftung zu begeistern, eine Genossenschaft zu gründen, um das Areal selbst zu kaufen: Für solche Schritte sei keine Zeit gewesen, sagt er.

Warum aber hat Nicolas Berggruen das Areal verkauft? Damals, als er es kaufte, ließ Berggruen in Interviews verlauten, er strebe eine „langfristige kulturwirtschaftliche Nutzung“ der Willner Brauerei an. Immerhin hat er dem Künstlerhaus Bethanien eine neue Heimat gegeben, ihm gehören prestigeträchtige Objekte wie das Café Moskau in der Karl-Marx-Allee und die Sarotti-Höfe am Mehringdamm. Doch die Presseabteilung seiner Firma gibt keine Auskunft. Man kann sich nur einen Reim machen. Der Sohn des berühmten Sammlers stilisiert sich gern. In einem aktuellen Interview mit dem Focus erklärt er sich einmal wieder zum Mäzen und Philanthropen, der gerade ein großzügiges Philosophiestipendium gestiftet hat und in seiner Jugend bevorzugt Marx, Lenin und Trotzki las.

Berggruen ist ein Mann, der sich viele Gedanken um sein Image macht. Die Kritik an der Übernahme von Karstadt hängt ihm noch immer nach. Im März diesen Jahres erlitt er eine kleine, aber schmerzhaft öffentlichkeitswirksame Niederlage: Die Einigung mit einem Mieter in der Oranienstraße, der Buchhandlung Kisch & Co. Gut möglich, dass der Investor sich auch deshalb die Verwandlung eines weiteren utopischen Ortes in ein langweiliges Paket aus hochpreisigen Ateliers, Büros und Handelsflächen nicht auf die Fahnen schreiben lassen wollte.

„Kreative Dörfer gründen“

Denkbar auch, dass deshalb der neue Besitzer, Shaul Shani von Jenn Grundbesitz, betont, man habe „mit sehr viel Fingerspitzengefühl zahlreiche Gespräche mit dem aktuellen Hauptnutzer des Areals geführt und einvernehmliche Lösungen erzielt“.

„Mit uns wollte jedenfalls keiner sprechen“, sagt Innenarchitekt Sebastian Dittmar in einer der beiden Remisen, die er als Untermieter mit dem Büro und der Werkstatt seiner Firma dittmar + friends belegt. Er muss nun binnen sechs Monaten raus und findet deutlichere Worte als seine Vermieter, die Betreiber des Klubs der Republik. Erst vor drei Jahren hat er hier alte Berliner Dielen verlegt, einen Ofen eingebaut.

Nun muss er raus, binnen sechs Monaten. „Man müsste kreative Dörfer gründen“, sagt er. Die Frage ist nur, wo. In der Innenstadt, wo er für seine Kunden gut erreichbar ist, wird er Probleme haben.

Bezahlbare Räume wie in der Willner Brauerei, die man selbst gestalten kann, die wild wirken und frei, die gibt es tatsächlich immer seltener in dieser Stadt.

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2 Kommentare

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  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Ach Gott, dieses Genöle um Berlin. Das ist doch alles nur nostalgische Selbstbeweihräucherung. In Berlin herrscht überall Einheitsbrei, der sich nicht besonders gut zu tarnen weiß. Die wenige Ausnahmen bestätigen - wie immer - die Regel.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Ach Gott, und das müssen wir also alles akzeptieren?