Verdachtsmomente gegen Mutter der Korruption

Agnes Hürland-Büning, Vertraute Helmut Kohls, hat im Zusammenhang mit dem Leuna-Verkauf Millionen an Beraterhonoraren eingesackt. Ob die CDU davon was bekam, will sie nicht sagen

Zu den Personen, die in der CDU-Spenden- und Korruptionsaffäre einen größeren Schlüsselbund bei sich tragen, gehört neben den Herren Karlheinz Schreiber (zur Zeit Kanada) und Dieter Holzer (zur Zeit Monaco) auch eine unscheinbare ältere Dame. Agnes Hürland-Büning, 73 Jahre alt, ist in diesen Tagen ganz entgegen ihrem geselligen Wesen sehr verschlossen. Ans Telefon geht sie nicht, Anfragen von Medien beantwortet sie auch per Fax nicht mehr. Aus ihrem Haus in Schermbeck (Nordrhein-Westfalen) traut sie sich nur noch mit Begleitschutz. Engeren Freunden der Familie teilte sie mit, dass sie der Titel „Frau Raffzahn“, mit dem Bild sie bedachte, „tief getroffen“ habe.

Die Frau mit dem Doppelnamen hat – seit ihrem Ausscheiden 1991 aus der sichtbaren Politik – durch mehrere Beraterverträge mit Thyssen und Elf Aquitaine mindestens 8,5 Millionen Mark eingesackt. Weder will sie sagen, wofür sie so viel Geld bekam, noch möchte sie mitteilen, ob und wie viel davon an andere Unionspolitiker weitergeleitet wurde.

Die enge Vertraute von Ex-Kanzler Helmut Kohl saß von 1972 bis 1990 im deutschen Bundestag und wurde auf Grund ihrer Frohnatur die „Mutter der Fraktion“ genannt. Als Staatssekretärin im Verteidigungsministerium (1987 bis 1991) erwarb sie sich ob ihres warmen Herzens für die Truppe den Zusatztitel: „Mutter der Kompanie“. Heute gilt sie nur noch als „Mutter der Korruption“.

Als Staatssekretärin im Verteidigungsminsterium saß sie Tür an Tür mit dem beamteten Staatssekretär Holger Pfahls (CSU), der inzwischen mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Über Pfahls, so vermuten die Ermittler, flossen Millionenbeträge an Schmiergeldern auf Liechtensteiner Konten, von wo sie dann vermutlich wieder zurück in die Politik geschoben wurden.

Den Industrie-Lobbyisten schien Frau Hürland-Büning wie geschaffen als unverdächtiger Link zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht. Obwohl die Ex-Politikerin damit gegen eine fünf Jahre geltende Sperre für ehemalige Hardthöhe-Mitarbeiter verstieß, unterschrieb Agnes Hürland-Büning sofort nach Ende ihrer Amtszeit einen Beratervertrag mit der Waffenschmiede Thyssen-Henschel in Kassel.

Ihr standen die Türen der wichtigsten Unionspolitiker stets offen – in Bonn ebenso wie in München. Ein mobiler Briefkasten sozusagen, dessen Auftauchen nirgendwo Verdacht weckte. Zu den Bayern hegte sie sogar eine ganz besondere Zuneigung. In Ohlstadt bei Murnau am Staffelsee besaß sie jahrelang eine Wohnung, in der sie gerne mit CSU-Politikern zusammentraf. Der ehemalige CSU-Staatssekretär Erich Riedl, gegen den wegen Steuerhinterziehung ermittelt wird, erinnert sich gerne an die trinkfeste und kumpelhafte Katholikin: „Wo sie war, war es lustig.“ Mit der Familie von Franz Josef Strauß verband sie eine enge Freundschaft.

Heute noch besitzt Agnes Hürland-Büning nördlich von München in Dietfurt-Töging über ihre Beteiligung an der Hürland-Wohnbau GmbH ein von ihrer Familie genutztes schmuckes Eigenheim. Überhaupt: Kaum hatte Agnes Hürland-Büning ihre politischen Ämter abgestreift, steckte sie mehrere Millionen Mark in eine zusammen mit ihrem Sohn Norbert gegründete Immobilien- und Wohnbaufirma. Drei Millionen Mark pumpte sie 1994 im sächsischen Annaberg-Buchholz in ein Sechsfamilienhaus, und für 13,5 Millionen Mark kaufte erst vor kurzem die Hürland Wohnbau GmbH am Stadtrand von Dorsten (Nordrhein-Westfalen) ein Grundstück, auf dem ein Büro- und Wohnkomplex mit einem Bauvolumen von rund 100 Millionen Mark entstehen soll.

Der plötzliche Reichtum der aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Dame fiel auf. Die sonst nicht gerade modisch gekleidete Hürland-Büning trug auf einmal sündhaft teure Blusen. Erst im Dezember vergangenen Jahres klärte sich die Ursache für den wundersamen Wohlstand auf: Die Firma Thyssen bestätigte Mitte Dezember erstmals, dass viel Geld an deutsche Unionspolitiker geflossen sei. Eine halbe Million etwa an Hürland-Büning 1992 für ihre Unterstützung beim Einfädeln der Leuna-Übernahme durch den französischen Staatskonzern Elf Aquitaine. Thyssen war daran durch seine Tochter Rheinstahl Technik beteiligt. Doch das war erst ein Bruchteil der Wahrheit: Von Thyssen erhielt Hürland-Büning insgesamt 8 Millionen Mark und nochmals genau 513.000 Mark von Elf Aquitaine.

Thyssen-Henschel lieferte Anfang der Neunzigerjahre 36 Spürpanzer nach Saudi-Arabien. Auch da soll die nette alte Dame mit ihren guten Beziehungen behilflich gewesen sein. Drei Millionen Mark leitete sie sofort an eine Briefkastenfirma in Monaco weiter, die „Delta International“, die dem dubiosen Geschäftsmann Dieter Holzer gehörte. Für was?

Darüber will die gelernte Politikerin nicht reden. Ist sie die geheimnisvolle Spenderin, der Kohl sein Ehrenwort gab? Sie schweigt. Wie sagte Agnes Hürland-Büning noch im September 1999 während einer Bundestagsdebatte über Frauen in der Politik so treffend: „Schweigen haben wir gelernt, nicht reden.“

Seit Anfang dieser Woche weiß sie allerdings, dass die Schweizer Staatsanwaltschaft in Genf sie zunächst als Zeugin im Ermittlungsverfahren gegen den französischen Konzern Elf Aquitaine hören will. Die Genfer Ermittler haben eine entsprechende Bitte um Amtshilfe an die Staatsanwaltschaft in Augsburg geschickt. Darin wird ihr für die Zeit ihrer An- und Abreise immerhin „Straffreiheit“ zugesichert. Philipp Maußhardt