piwik no script img

Verdacht der MarktmanipulationErmittlungen gegen Ex-VW-Chef

Gegen Martin Winterkorn wurden Ermittlungen eingeleitet. Eine Stiftung droht dem Autobauer mit milliardenteuren Klagen.

Hat Volkswagen die Finanzwelt zu spät über die Affäre informiert? Foto: dpa

Frankfurt taz | Manche Aktionäre von VW sind schon wieder in Feierlaune. Das Papier von Europas größtem Autobauers gehörte am Montag zu den großen Gewinnern im DAX. Denn gerüchteweise hat VW sich mit der US-Regierung über Schadensersatzzahlungen geeinigt. Angeblich geht es um 10 Milliarden US-Dollar für Eigentümer und Behörden. Auch konzernintern will VW schnellstmöglich den Abgasskandal hinter sich lassen. So kündigte VW-Chef Matthias Müller in der vergangenen Woche eine Neuausrichtung hin zu mehr E-Mobilität an.

Doch während die einen gern nach vorn blicken würden, holt die Vergangenheit VW immer wieder ein. So teilte die Staatsanwaltschaft Braunschweig am Montag mit, im Abgasskandal wegen des Verdachts der Marktmanipulation auch gegen den zurückgetretenen VW-Konzernchef Martin Winterkorn zu ermitteln.

Bei den Ermittlungen gehe es um den Vorwurf, dass Volkswagen die Aktionäre womöglich zu spät über die Affäre informiert habe. Der Anfangsverdacht richte sich auch gegen ein weiteres damaliges Vorstandsmitglied, erklärte die Staatsanwaltschaft. Einen Namen nannte sie nicht. Oft reichen Kleinigkeiten, um Aktienkurse nach oben oder unten zu treiben und dadurch womöglich Milliarden an Wertverlusten auszulösen. Deshalb ist es verboten, gezielt falsche Informationen etwa über Risiken, Gewinn oder Verlust eines Unternehmens zu verbreiten – oder solche Dinge erst mit gezielter Verspätung zu nennen.

Die Frage, wann VW über den Skandal hätte informieren müssen, interessiert auch die niederländische Stichting Volkswagen Investors Claim. Die Stiftung für geschädigte VW-Anleger will auf der mit Spannung erwarteten Hauptversammlung des Konzerns am Mittwoch auf ihre Forderung nach einem außergerichtlichen Vergleich pochen. VW könnte so eine Welle von Schadensersatzklagen abwenden, sagte Stiftungschef Henning Wegener am Montag in Frankfurt. „Wenn Volkswagen nicht auf den Stiftungsvorschlag eingeht, ist eine Lawine von Klagen unvermeidlich“, drohte Wegner.

Es geht um viel Geld

Der VW-Aktienkurs war nach Bekanntwerden der Vorwürfe der US-Umweltbehörde EPA am 18. September 2015 in die Tiefe gerauscht. Nach Ansicht der Stiftung entstand durch das Verschleppen der Informationen ein Schaden von 65 Euro je Vorzugs- und von knapp 57 Euro je Stammaktie. Da die Stiftung Investoren mit Aktienpaketen im Wert von 13 Milliarden Euro vertritt, geht es um sehr viel Geld.

Im Unterschied zu den USA habe VW in Europa noch keine Absichten gezeigt, betroffene Anleger oder Halter finanziell zu entschädigen, sagte Wegner. Da Klagen vor Gericht eher eine Option für große Anleger mit viel Ausdauer sei, strebe er einen außergerichtlichen Vergleich mit VW an.

Der Clou: Da die Stiftung nach niederländischem Recht arbeitet, wäre das Ergebnis eines Vergleichs rechtlich für alle geschädigten Anleger in Europa gültig, egal ob sie sich in der Stiftung beteiligt haben oder nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Der Clou: Da die Stiftung nach niederländischem Recht arbeitet, wäre das Ergebnis eines Vergleichs rechtlich für alle geschädigten Anleger in Europa gültig, egal ob sie sich in der Stiftung beteiligt haben oder nicht."

     

    Rein interessehalber, kann mir jemand erklären wie das funktionieren soll?

  • Ein Vorstand und ein Vorsitzender des Vorstandes ist immer zuständig - entweder weil er nicht weiss, was seine Mitarbeiter tun (dann hat er sein Ressort bzw. sein Unternehmen nicht im Griff) oder weil er weiss, was seine Mitarbeiter tun!

     

    Die Frage ist dann nur noch, ob er verantwortlich dafür ist. Man muss nun nicht das Arbeitsrecht (also: das Recht des abhängig Beschäftigten, vulgo: des "kleinen Mannes") bemühen, um die Frage der Verantwortlichkeit beantworten zu können; danach wäre er auf jeden Fall nicht nur zuständig, sondern auch verantwortlich.

     

    Aber - und das weiss ich auf Grund eigener Erfahrung - die Manager und die Vorstandsmitglieder auch zur Rechenschaft zu ziehen, das ist auf Grund der Klauseln in den Verträgen und auf Grund der Rechtsprechung nahezu unmöglich.

     

    Denn: So stark diese Gruppe auch das Arbeitsrecht und den Kündigungsschutz der abhängig Beschäftigten, also: der Mitarbeiter kritisieren, so stark (und noch viel stärker) sind sie und ihre Ansprüche gegen das Unternehmen gesichert.

  • Gegen Leute wie Winterkorn ermittelt die Staatsanwaltschaft hier doch regelmäßig nur, damit das Verfahren bereits eingestellt wurde, bevor die Kacke richtig dampft.