Verbot von Kunststoffpartikelchen: Deutschland Mikroplastikland
Die USA, Kanada und die Niederlande verbannen Mikroplastik – in der Natur und in Kosmetika. Aber Deutschland setzt auf Freiwilligkeit.
Als Mikroplastik werden alle Kunststoffteilchen mit unter 5 Millimetern Durchmesser bezeichnet. Sie stammen aus der Industrie, vom Abrieb von Autoreifen, gelangen beim Waschen von Fleece-Jacken ins Wasser oder entstehen bei der Zersetzung von größeren Plastikteilen. Außerdem setzen Hersteller von Kosmetika sie ein, um beispielsweise eine Peeling-Wirkung zu erzeugen.
Nach Gebrauch gelangt das Plastik über das Abwasser in freie Gewässer. Tiere, die das Wasser auf der Suche nach Nahrung filtern, nehmen die kleinen Kügelchen auf. Damit gelangen auch Umweltgifte wie DDT oder PCB in die Nahrungskette. Denn das Mikroplastik zieht diese wie ein Schwamm an. Mikroplastik findet sich inzwischen in Fischen, Muscheln, Robben und kleineren Organismen wieder.
Die Bundesregierung bevorzuge einen freiwilligen Ausstieg aus der Verwendung von Mikroplastik gegenüber rechtlichen Regelungen, antwortet sie auf eine schriftliche Anfrage der Grünen. Auf dieses gemeinsame Ziel habe sie sich im sogenannten Kosmetikdialog mit der Industrie geeinigt. Bezüglich weiterer Maßnahmen setze die Bundesregierung auf eine europaweite Regelung.
Längst gibt es Alternativen
Mikroplastik entsteht, wenn von größeren Kunststoffprodukten kleinste Partikel abgerieben und in der Umwelt stetig weiter zerkleinert werden. Quellen können Kleidung oder Gebrauchsgegenstände aus Kunststoff, aber auch Plastikmüll sein. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) ist Abfall die größte Quelle für Mikroplastik in der Umwelt. Mikropartikel aus Kunststoff werden auch direkt hergestellt, etwa für Kosmetika, Wasch- oder Desinfektionsmittel. Das UBA geht von etwa 500 Tonnen Mikroplastik aus Polyethylen in Kosmetik jährlich aus sowie von jeweils unter hundert Tonnen für die anderen Einsatzbereiche. Die genaue Menge des insgesamt hergestellten Mikroplastiks in Deutschland lässt sich laut UBA nicht ermitteln. (taz)
Peter Meiwald, Sprecher für Umweltpolitik der Grünen im Bundestag, findet das zu wenig: „Mikroplastik muss verbindlich aus Kosmetika verschwinden. Dafür braucht es gesetzliche Regeln.“ Es genüge nicht, sich hier allein vom guten Willen der Verursacher abhängig zu machen, die von der Verschmutzung letztlich profitieren.
„Deutschland hinkt eindeutig hinterher“, findet auch Nadja Ziebarth, Meeresreferentin bei der Umweltorganisation BUND. Duschgels und Gesichtspeelings sind zwar nur eine von vielen Quellen, laut Ziebarth aber die „absurdeste“, da sie am leichtesten vermeidbar wäre. Längst gäbe es genügend natürliche Alternativen, zum Beispiel Kieselsäure, Leinsamen oder Heilerde, welche die gleiche Wirkung erzielten.
Andere Länder sind da weiter. Das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten hat Mitte Dezember einstimmig ein Gesetz verabschiedet, das die Herstellung und den Verkauf von mikroplastikhaltiger Kosmetika verbietet – zum Schutz der Flüsse, Seen und Meere. Bereits zuvor hatten sieben US-Staaten, darunter seit Oktober auch Kalifornien, den Einsatz von Mikroplastik in Kosmetika und Reinigungsmitteln untersagt. Auch Kanada und die Niederlande kündigten ein solches Verbot an.
Körnige Teilchen weg, Nano-Teilchen bleiben?
Ziebarth misstraut dem freiwilligen Ausstieg der Hersteller. Obwohl es durchaus einige Erfolge gab: Seit einem Jahr sind alle in deutschen Läden erhältlichen Zahncremes frei von Mikroplastik. Außerdem verkündeten mehrere Firmen, bis Ende 2015 ihre Produkte mikroplastikfrei zu machen. Unilever und Beiersdorf bestätigten ihren Ausstieg auf Anfrage der taz.
Ziebarth befürchtet aber, dass manche Hersteller nur körnige Kunststoffteilchen entfernen und sie beispielsweise in flüssiger Form oder im Nanogrößenbereich drin lassen. Wichtig sei aber, dass gar kein Plastik mehr enthalten ist, egal in welcher Form und Größe, so Ziebarth. Nanokunststoffpartikel könnten nämlich sogar noch schädlicher sein, da sie von den Tieren in die Zellstruktur eingebaut werden können. Was mit den Organismen dann genau passiert, sei noch ungewiss, bei Muscheln könne das aber zu Geschwüren führen, erklärt die BUND-Referentin.
Sie setzt ihre Hoffnung in Europa auf die Niederlande: dass diese ihren angekündigten Ausstieg Ende 2016 einhalten und das Thema nächstes Jahr als EU-Ratspräsidentschaft auf die Tagesordnung nehmen.
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