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Verbot von Anti-Nazi-Protest in Rostock„Falsches Signal"

In der Hansestadt darf kein Demokratiefest gegen den NPD- Aufmarsch am 1. Mai stattfinden. Vor Gericht konnten aber Gegendemos durchgesetzt werden.

Schauplatz des Progroms von 1992: Das Sonnenblumenhaus steht in Sichtweite zum Aufmarschort der NPD am 1. Mai. Bild: imago/BildFunkMV

ROSTOCK taz | Demokratiefest verboten, Gegendemonstrationen erlaubt: In der Nacht zum Feiertag hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald entschieden, welcher Protest gegen den 1. Mai-Aufmarsch der NPD in Rostock zulässig ist. Das breite gesellschaftliche Bündnis „1. Mai Rostock nazifrei“ musste vor Gericht ziehen, da die Stadtverwaltung kurzfristig fast alle geplanten Gegenaktionen verboten hatte.

„Wir sind fassungslos, wie die Stadt versucht, friedlichen Protest zu unterbinden. Andere Städte hätten gezeigt, dass ein breiter Protest gegen die NPD sehr gut gemeinsam mit der Kommune funktionieren kann“, sagte Claudia Barlen vom Bündnis.

In der Nacht erklärte das Bündnis „1. Mai Rostock nazifrei“, nicht erneut gegen das Verbot des Demokratiefestes vorzugehen: „Wir wollen auch keine politische Alibi-Veranstaltung durchführen“. Die Verantwortung läge nun bei der Stadt, die nicht einmal Alternativen angeboten hätte.

Das Demokratiefest hätte am SBZ Börgerhus stattfinden sollen. Das Bündnis, dem sich 150 Initiativen aus allen Stadtteilbegegnungszentren, Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Jugendverbänden und Sportvereinen angeschlossen haben, hatte mit rund 2.000 TeilnehmerInnen gerechnet.

„Verbale Aussagen reichen nicht“

Mit einen offenen Brief hatte auch Imam Jonas Dogesch, der Sprecher des Migranet MV (Netzwerk der Migrantenorganisationen in Mecklenburg-Vorpommern) 
versucht, die Verwaltung zum Umdenken zu bewegen. Die Verbote wären ein „verheerendes Signal“ schrieb er. Nach der OVG-Entscheidung können aber nun zumindest um 10 Uhr Gegenkundgebungen am S-Bahnhof Lichtenhagen und am S-Bahnhof Lütten-Klein stattfinden.

Zusätzliche Kritik zog sich Oberbürgermeister Roland Methling mit folgender öffentlicher Stellungnahme zu: „Schon die Vielfalt der Versammlungsanmeldungen dokumentiert in beeindruckender Weise, dass rechtsradikales Gedankengut in Rostock keinen Platz haben darf! Ich danke allen demokratischen Kräften in Rostock, die als Veranstalterinnen und Veranstalter und auch als Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu beitragen, Weltoffenheit und Toleranz in unserer Stadt auch an diesem Tag ein Gesicht zu geben.“

„Verbale Aussagen des Oberbürgermeisters, der sich bei allen demokratischen Kräften in Rostock bedankt, reichen bei Weitem nicht aus,“ betont die stellvertretende Landesbezirksleiterin von ver.di Nord, Conny Töpfer. „Weltoffenheit und Toleranz zu leben, bedeutet auch, friedliche Proteste in Hörweite der Nazidemo zuzulassen“, sagt die Gewerkschafterin. „Es kann nicht sein, dass all jene pauschal kriminalisiert werden, die Neonazis nicht unwidersprochen aufmarschieren lassen wollen“, kritisiert zudem Stella Hindemith, Leiterin des Büros der Amadeu Antonio Stiftung in Mecklenburg Vorpommern.

Aufmarsch nahe des Sonnenblumenhauses

In der Hansestadt will die NPD unter dem Motto „Arbeit – Heimat – Zukunft – wir kämpfen für Deutschland“ ab 12 Uhr aufmarschieren, im Stadtteil Groß Klein am S-Bahn-Haltepunkt Lichtenhagen, in Sichtweite des Sonnenblumenhauses. Dort griffen im Jahr 1992 Neonazis und Nachbarn über mehrere Tage eine Zentrale Aufnahmestelle für AsylbewerberInnen und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische VertragsarbeiterInnen an – bierbeseelt mit Steinen und Brandsätzen.

Auf der Webseite des NPD-Landesverbandes wird indes der Eindruck erweckt, dass die Polizei die Route des rechten Aufmarschs vorgeschlagen hätte. Anfänglich wollte die Partei auch durch Toitenwenkel ziehen; wohl eine bewusste Provokation, wurde in dem Stadtteil doch laut dem Generalbundesanwalt am 25. Februar 2004 der Imbissbudeninhaber Mehmet Turgut erschossen – vom NSU.

Zur Demo der Neonazis, den der NPD-Landtagsabgeordnete David Petereit angemeldet hatte, erwarte die Polizei rund 300 Teilnehmer, sagt eine Sprecherin der Polizei. Eine viel zu niedrige Angabe, darf befürchtet werden. Als die NPD vor vier Jahren schon einmal durch die Gegend zog, kamen statt 400 Rechtsextreme über 600 Kameraden. 2014 könnten sich nach der Absage des NPD-Marsches in Berlin erst recht zahlreiche Mitglieder und Anhänger auf dem Weg nach Rostock machen. Eine Mobilisierung in den Norden läuft, heißt es.

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1 Kommentar

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  • Das Verbot liegt vielleicht in der Tatsache begründet, dass ähnliche Gegenveranstaltungen in der Regel nicht friedlich ablaufen und der Aufzug gestört oder verhindert wird. Die NPD ist nicht verboten und eine Demokratie muss es aushalten, dass auch deren Anhänger demonstrieren. Man schenkt diesen Menschen doch nur unnötig Aufmerksamkeit wenn man versucht diese Kundgebung zu stören.