Veranstalter über Willy-Brandt-Konzert: „Letztlich geht es um Frieden“
Vor 52 Jahren fiel Willy Brandt auf die Knie, um der Helden vom Warschauer Ghetto zu gedenken. Ein Konzert in Lübeck erinnert an die politische Geste.
taz: Gibt es eine besondere Verbindung zwischen Willy Brandt und Lübeck Herr Scheve?
Henning Scheve: Willy Brandt ist natürlich Lübecker. Das ist die zentrale Verbindung. Er ist hier zur Schule gegangen und hat zeitlebens auch seine Kontakte nach Lübeck erhalten. Durch das Willy-Brandt-Haus in Lübeck ist er hier besonders lebendig geworden.
56, ist Rechtsanwalt und Vorsitzender des Stiftungsrates der Lübecker Stiftung zum 7. Dezember 1970.
Was würden Sie als das selbst gesetzte Ziel der „Stiftung zum 7. Dezember“ beschreiben?
Das ist alles sehr klar in der Satzung erläutert. Letztlich geht es um Frieden, Versöhnung und Verständigung. Diese bekannte Willy-Brandt-Geste, der Kniefall, hat den Stifter, der satzungsgemäß zurückhaltend genannt werden will, nachhaltig beeindruckt in seiner Jugend. Besonders das Schweigen der älteren Generation. Für den Stiftungsgründer war die Geste Willy Brandts außerdem auch im eigenen familiären Zusammenhang eine Initialzündung, fast schon etwas Befreiendes. Das wollte er dann eben auch in die Zukunft weitertragen, dann in Verbindung mit Kirchenmusik. Das hat einfach den Hintergrund, dass der Stifter, Herr Grasse, in der „4 Viertel“ Stiftung Kirchenmusik Lübeck war und es so eine Möglichkeit gab, beide Interessen zu verbinden. Die Hauptaufgabe für die Zukunft sind nun die Konzerte.
Gedenkkonzert zum Kniefall Willy Brandts in Warschau,mit dem Agnus Dei von Krystof Penderecki und der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach, Dom zu Lübeck, 7. 12., 19 Uhr
Besteht ein Zusammenhang zwischen der musikalischen Untermalung des Abends und Willy Brandt?
Also hier gibt es ja ein ganz konkretes Programm. Das ist einmal Penderecki, der berühmte, jüngst erst verstorbene polnische Komponist, von dem ist ein Stück. Und dann kommt das Hauptprogramm, die h-Moll-Messe von Bach. Und das ist dann auch in ganz großer Besetzung mit zwölf Solisten, allein das ist ein sehr, sehr aufwendiges Werk. Unser Ehrengast, der Prälat aus Danzig, Herr Bradtke, wird nachdem ich eine Begrüßungsrede gehalten habe, auch noch mal sprechen. Dabei geht es um einen polnischen Bischof, der sich sehr für die deutsch-polnische Verständigung eingesetzt hat, dem außerdem das Werk Pendereckis gewidmet ist. Und da hat man dann gleich wieder den Bezug zu dem, was aufgeführt wird.
Kann man dann schon von einem politischen Konzert sprechen?
Also politisch ist ja eigentlich fast alles, was man mittlerweile macht. Hier besonders die Friedensbotschaft und der Versöhnungsgedanke. Wenn man sich jetzt zum Beispiel das Verhältnis Polen und Deutschland anguckt mit der national-konservativen PiS-Regierung, die man da hat. Dann sind das ja relevante Themen. Oder der Ukraine-Krieg, bei dem das eine große Rolle spielt. In den vergangenen Jahren war es der Syrien-Krieg. Also sind wir auch nicht ausschließlich an der Beziehung von Deutschland und Polen interessiert. Wir könnten zum Beispiel in einem anderen Zusammenhang auch mal ein ukrainisches, syrisches, usw. Konzert machen. Da wird sich noch Unterschiedliches entwickeln. Zumal es so ist, dass nach der Satzung der Stiftung jeder Musiker dann auch die künstlerische Freiheit hat, das mitzugestalten.
Gab es denn in der in der Vergangenheit ähnliche Events? Waren das dann immer Konzerte?
Ja, also wie gesagt, die Konzerte sind der Schwerpunkt. Wir hatten an musikalischen Beiträgen aber schon alles Mögliche im Programm, außerdem zum Beispiel einen polnisch-deutschen Satiriker, der eine Rede gehalten hat. Dann war der koreanische Generalkonsul auch schon zweimal Gast bei uns, der sich natürlich aufgrund der koreanischen Teilung besonders zu Herzen genommen hatte, das hier zu beobachten und auch zu würdigen. Da der Stiftungszweck allgemein gehalten ist, also der Versöhnungsgedanke, könnte man auch auf Jugendliche in Schulen zugehen. Das ist zum Beispiel auch schon mal gemacht worden. Wir haben auch schon Kontakt aufgenommen zum deutsch-polnischen Verein hier in Lübeck. Also es ist relativ offen, was man da für Projekte macht, um den Gedanken des Stifters zu verwirklichen. Es gab somit schon sehr unterschiedliche Beiträge. Es sind ja jetzt nun doch ein paar Jahre ins Land gegangen. Aber im Wesentlichen ist es das Konzert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit