Vegetation in der Sommerdürre: Bäume sind mächtig im Stress
Der Klimawandel macht den Stadtbäumen zu schaffen. Könnten robustere Arten die heimischen ersetzen – oder schafft das neue Probleme?
Gießen Sie die Straßenbäume, bitte! In diesem Sommer versuchten es Städte und Gemeinden in manchen Regionen Deutschlands mit einem Appell an die Bürger. Mit ein paar Eimern Wasser schafften es Ahorn, Eiche, Linde, Esche und Platane über die Trockenheit. Auf die Dauer ist das allerdings keine Lösung.
Viele Stadtbäume kommen mit dem Klimawandel nicht mehr zu recht. „Der Ahorn an der Straße stirbt“, sagt Susanne Böll. Die Biologin erforscht an der Bayerischen Landesanstalt für Wein und Gartenbau mit dem Projekt „Stadtgrün 2021“, welche Arten robust genug sind, um die globale Erwärmung auszuhalten.
„Stellen Sie sich einen heißen Tag mit 35 Grad mitten in einer Einkaufsstraße von Essen, München oder Berlin vor. Und dann einen Wald. Was ist besser auszuhalten?“
Auch die Bäume sind da mächtig im Stress. Sie haben es in den Städten ohnehin schon schwer. Abgase, schlechte Böden, wenig Platz, Bauarbeiten. Und nun diese Hitzewellen. Das macht anfällig. Eichen werden von der Raupe des Prozessionsspinners eingewickelt, Rosskastanien leider unter einer Invasion von Miniermotten, ein Pilz zersetzt das Holz von Platanen. Böll: „Heimische Baumarten kommen an ihre Grenzen.“ Allerorten machen sich Gärtner, Biologen, Wissenschaftler auf die Suche nach Lösungen. Städte entwickeln spezielle Baumlisten.
Alternativen für Linde, Eiche + Co
Bölls Projekt ist jedoch einzigartig. Sie sucht in der ganzen Welt nach Alternativen. Gefunden hat sie unter anderem den aus dem Iran stammende Eisenholzbaum, die Kobushi-Magnolie aus Japan oder den Amberbaum aus Nordamerika.
Diese werden in drei Städten mit verschiedenen Klimaten getestet: im trocken-heißen Würzburg, im oberfränkischen Hof mit seinem bayerisch-sibirischen Klima und im regenreichen Kempten im Allgäu. Seit 2010 ziehen die Wissenschaftler zweimal im Jahr los, vermessen die Testbäume, begutachten die Kronen, halten fest, wie es den Bäumen geht. Den sogenannten Steppensommer in Würzburg 2015, sagt Böll, hätten 15 von 20 Baumarten super überstanden“.
Die Superbäume der Zukunft
Drei Arten taten sich besonders hervor und haben gute Chancen, in besonders hitzegeplagten Städten die Bäume der Zukunft zu werden: die Silberlinde, die ihre Blätter dreht, wenn es heiß wird. Dann reflektiert die weiße Unterseite die Sonne. Die Hainbuche, eine der wenigen heimischen Arten, die Trockenheit bisher gut übersteht, hat eine Verwandte in Südosteuropa, die die hohen Temperaturen besonders gut aushält: die Hopfenbuche. Auch gilt die ungarische Eiche mit ihren sehr großen Blättern als vielversprechend, weil sie deutlich weniger Wasser braucht als die heimische Eiche.
Susanne Böll, Biologin
Allerdings sind die Exoten nicht überall gern gesehen. So spricht sich der Nabu, der Naturschutzbund Deutschland, für heimisches Gehölz aus. Manche Gemeinden erlauben auch nichts anderes. „Die Anpassung an den Klimawandel ist wichtig, muss aber gut überlegt sein“, sagt Horst Stobbe. Er leitet das Institut für Baumpflege in Hamburg und meint: „Die neuen Arten können einiges durcheinander bringen.“ Etwa der chinesische Götterbaum. Seine Wurzeln schlängeln sich im Jahr schon mal bis zu drei Meter durch den Boden. So macht er anderen den Platz streitig.
Sind die Neuen eine Gefahr für die alten Arten? „Mancher behauptet, die heimischen Insekten und Vögel liebten die Exoten nicht“, sagt Böll. Bisher gebe es dazu aber gar keine wissenschaftlichen Studien. Aber das Problem bestehe. „Grün regelt wie eine Klimaanlage die Temperatur in den Städten“, sagt Böll. Ohne Bäume heize sich das Häusermeer nur noch mehr auf. Dann mache die Hitze den Menschen noch mehr zu schaffen. „Das Land braucht neue Stadtbäume.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück