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Vegane Gastwirtschaft in Österreich„Eine Art Sehnsuchtsküche“

Weil viele Veganer ab und an Gusto auf ein Schnitzel haben, bietet Karl Schillinger in seiner Gastwirtschaft Fleisch ohne Fleisch an.

Niemand wird vegan geboren. Und Bock auf Fleisch haben auch die, die sich dagegen entscheiden Bild: gesa.friederike/photocase.de
Marlene Halser
Interview von Marlene Halser

sonntaz: Herr Schillinger, angefangen haben Sie in Ihrem Dorf in Niederösterreich mit Bulgurlaibchen und Grünkernauflauf. Das ging aber nicht so gut. Woran lag das?

Karl Schillinger: Die klassische Gemüseküche hat einfach niemanden interessiert. Erstens gab es das in Wien zur Genüge, und zweitens ist das der Alltag jedes Vegetariers oder Veganers. Für einen Gemüsestrudel war niemand bereit, 50 Kilometer weit zu fahren. Das erste Cordon Bleu war dann die Initialzündung für unsere Gäste.

Was müssen wir uns darunter vorstellen?

Das ist aufgebaut wie ein echtes Cordon Bleu, aber es ist alles Fake: falsches Fleisch, gefüllt mit falschem Käse und falscher Wurst, in einer falschen Panade. Trotzdem gibt es viele Ähnlichkeiten: Das Sojafleisch hat eine fasrige Textur, die Seitanwurst ist pikant und der Sojakäse schmilzt auch ein bisschen.

Wie schmeckt das?

Sehr authentisch. Bei einem echten Cordon Bleu kann man ja auch nicht auf Anhieb sagen, ob es aus Putenfleisch oder Schweinefleisch besteht. Was man schmeckt, sind die Gewürze. Und da halten wir uns an die Zutaten, die beim Cordon Bleu üblich sind. Wir geben Senf mit hinein, und in der Panade ist weißer Pfeffer – wie beim Original. Noch wichtiger als der Geschmack ist die Konsistenz, damit die Leute eine Speise als echt beurteilen.

Ihr Cordon Bleu schmeckt wie Fleisch?

Das kann ich nicht sagen. Ich esse schon seit 1988 kein Fleisch mehr. Aber die Gäste sagen immer, es schmecke sehr ähnlich.

Bild: privat
Im Interview: Karl Schillinger

47, ist Gastwirt in der zehnten Generation, allerdings eher unfreiwillig. Als sein Vater starb, hinterließ er drei Schweine. Weil es aber niemand übers Herz brachte, die Tiere zu töten, wurden die Familie vegan und bietet nun seit 1998 vegane Gerichte an. Im Herbst will Schillinger expandieren. In Wien soll das erste professionell betriebene vegane Fastfood-Restaurant entstehen.

Das hat auch die Einwohner von Großmugl überzeugt?

Hier am Land waren wir zuerst die Spinner im Dorf. Als immer mehr Gäste aus Wien hergefahren sind, haben sich auch die Großmugler gedacht: Wenn die so weit fahren, muss das etwas Besonderes sein.

Warum ist es für viele Veganer so wichtig, Würste, Hühnchen oder Steaks zu essen?

Niemand wird vegan geboren. Irgendwann beschließt man, auf Fleisch zu verzichten, meist aus ethischen Gründen oder für die Gesundheit. Den wenigsten Veganern graust vor Fleisch. Deswegen bieten wir eine Art Sehnsuchtsküche an. Immer nur Gemüse und Körner ist ja gut und schön. Aber viele haben doch ab und zu Gusto auf ein Schnitzel.

Wäre es nicht gerade eine Chance, eine völlig neue kulinarische Richtung zu etablieren?

In vielen Städten der Welt gibt es tolle Restaurants, die mit Gemüse experimentieren. Wir haben einen anderen Weg gewählt. Wir wollen den Leuten anbieten, was sie nicht mehr zur Verfügung haben. Deshalb kommen auch sehr viele Umsteiger zu uns, die sagen: Wenn es so etwas gibt, kann ich auch auf Fleisch verzichten.

taz am wochenende

Essen mehr Menschen weniger Tiere, wenn Veganer statt Bildern von gequälten Masthähnchen lieber die von saftigen Seitan-Schnitzeln posten? Zu Besuch bei drei Genuss-Missionaren in der taz.am wochenende vom 26./27. Juli 2014. Außerdem: Wie die ersten beiden Weltkriegstoten nach hundert Jahren immer noch keine Ruhe finden. Und: „Ein flaues Gefühl in der Magengegend begleitete mich jeden Tag.“ Die Filmemacherin Elfe Brandenburger über ihre Jugend an der Odenwaldschule. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Bei Ihnen gibt es auch Backhendl. Wie bereiten Sie das zu?

Die Grundmasse des Hühnchens besteht aus Sojaeiweiß. Mit Gewürzen, Öl und Wasser wird die Masse in Taiwan in einem sogenannten Vakuumextruder gekocht, durch eine Spirale gepresst und dabei abgekühlt. So entstehen die Fasern im Sojafleisch. Je länger dieser Abkühlungsprozess in der Spirale dauert, umso fasriger wird das Fleisch. Gulasch braucht also länger als Thunfisch. Und dann kommt es auf die Gewürze an. Beim Hühnchen ist viel Majoran drin, etwas weißer Pfeffer und ein Schuss süße Sojasoße.

Was unterscheidet das Backhendl von der BBQ-Ente?

Die BBQ-Ente besteht aus Seitan, also aus Weizeneiweiß und nicht aus Sojafleisch. Der Seitan wird auf eine Spindel gerollt, gedämpft und dann erst gekocht. Dadurch entsteht eine Lagigkeit, wie man sie von Enten- oder Gänsefleisch kennt. Die Seitanente wird in unserer hausgemachten BBQ-Marinade gewälzt und gegrillt. Ein sehr intensives, würziges Gericht. Das Hendl ist paniert und eher mild im Geschmack.

Was loben die Gäste an Ihren Garnelen?

Dass sie denselben Biss haben wie die echten. Sie werden mit Roter-Rüben-Farbe eingepinselt. Nach dem Anbraten haben sie diesen Rotschimmer, wie man ihn sonst von der Kruste kennt.

Verstehen Sie, dass Nichtveganer diese Nachbauarbeit ein bisschen witzig finden?

Natürlich. Aber wir würden uns wünschen, dass es Hendl und Schwein nur mehr in dieser Form gibt, dann müssten keine Tiere mehr leiden.

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11 Kommentare

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  • In Südostasien ist solches "Mock-Meat" ein alter Hut: Da Buddhisten kein Fleisch zubereiten / essen, es aber zum guten Ton gehört Fleisch Gästen zu servieren, hat man die verschiedensten Arten erfunden, Fleisch zu immitieren. Von Hühnchen bis zur Garnele...

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Wenn es hilft, vom Fleisch wegzukommen, sehe ich darin kein Problem.

     

    Allerdings stehen bei einer solchen Einstellung, die beim Essen auf Ersatz setzt, statt auf Umstellung, die Chancen für den Rückfall in alte Muster gut. Denn egal, wie ausgeklügelt das Imitat ist: das Original schmeckt besser.

     

    Wenn man hingegen den Maßstab der Verträglichkeit auch an sich selbst anlegt, wird man von diesem texturierten Sojadreck und dem nicht minder schädlichen Seitan weitgehend Abstand nehmen und sich den pflanzlichen Rohstoffen zuwenden, die dem Körper guttun. Das schützt "nachhaltiger" vor wiederkehrenden "Fleischeslust".

  • Ich lebe jetzt seit knapp zehn Jahren vegan, und ich esse auch Tofuwürstchen, Seitanschnitzel, Sojagyros und was es sonst noch alles gibt. Wieso? Weil es schmeckt (sehr Eiweißhaltig) und teils günstig ist. Wer hier von fehlender Konsequenz redet (oder alles was in die Richtung geht), hat die Idee hinter dem Veganismus nicht verstanden.

     

    Fleisch-Imitate als Luxus-Irsinn? Fleisch ist Luxus, texturiertes Soja ist günstig und hat sicherlich eine besser Ökobilanz als Produkte aus Tierhaltung.

     

    Und was hat das mit dem Analogkäse-Skandal zu tun? Der Skandal war, dass Konsumenten etwas anderes vorgegaukelt wurde, als was sie letztendlich bekommen haben. Veganer Käse und Fleisch werden bewusst so konsumiert.

  • wow. äh würg. ich mag mein fleisch nicht essen, also betreibe ich höchsten aufwand um etwas zu fabrizieren, dass ein bisschen so ähnlich wie fleisch schmeckt? was für ein luxus-unsinn.

     

    würde mich ja schon interessieren, wieviele tiere bei der produktion für das ganze seitan, tofu usw. drauf gegangen sind ;)

    ob da drei rinder auf einer schönen grünen wiese nicht besser dran gewesen wären?

  • Analogkäse und gefälschtes Fleisch - wenn das bei Aldi auf der TK-Pizza landet, ist es ein Skandal, wenn Veganer es teuer bezahlen ist es ... auch ein Skandal.

    Fleischlos? OK, geht. aber hirnlos, das muss nicht.

  • Was genau daran nun „dämlich“ sein soll, erschließt sich mir nicht. Was an einer ignoranten Aussage“dämlich“sein könnte, dagegen schon…

    Seis drum…

    Bin kein Veganer, find aber, dass es sich sehr interessant anhört, würde ich definitiv probieren, gute Sache!

    • @Manuel:

      Sie haben natürlich Recht, wie dumm von mir.Vegane Hühnerfleischmasse aus Taiwan nach Europa zu importieren (Stichwort CO2) nur damit Menschen in Östereich welche sich für ein fleischloses Leben entschlossen haben, trotzdem weiterhin Cordon Bleu, Schnitzel und Backhendl (vegan!!! bringt mich jedes mal wider zum lachen) essen können, ist natürlich alles andere als dämich. Und ihre Aussage gemäß dem Motto "ich hab zwar keine Ahnung um was es genau geht, stopf es mir aber trotzdem gerne mal rein" sagt mehr über Sie aus, als es meine angeblich "ignorante" Aussage jemals könnte ;).

      • @Finn Akzenten:

        oh mein Gott :D so viele dumme Menschen die keine Ahnung von nix haben!

        Sie wollen hier nicht wirklich behaupten, dass Veganer die CO2 Bilanz negativ beeinflussen?? xD

        hihihi da muss man echt lachen.

        Wissen Sie wie peinlich es ist so zu tun als hätte man Ahnung, und in Wirklichkeit ist man so dumm wie ne Nuss? :D

        Was fressen Tiere? Soja. Und zwar in Massen bis sie geschlachtet werden. In einem normalen Schnitzel stecken 10 mal mehr Soja als in einem Sojaschnitzel.

        Mal ganz davon abgesehen, wie falsch es ist, dass vegane Ersatzprodukte scheinbar alle in Taiwan produziert werden.

      • @Finn Akzenten:

        Christian Schmidt hat das ganze ja nochmal schön zusammengefasst und argumentativ unterfüttert, deshalb werde ich mich zu ihrem Kommentar auch inhaltlich nicht mehr substanziell äußern (müssen). Schönen Sonntag ;-)

  • Wie dämlich das ist merkt ihr (Veganer/Vegetarier) selbst oder? Hahaha, bitte mehr davon.

    • @Finn Akzenten:

      Es ist dämlich, nach Wegen zu suchen, keine Tiere mehr zu foltern und zu töten? Na, wenn du meinst ...