Vattenfall: Lärm im AKW
Anweisungen nachsprechen statt Fehler machen: Mit einer neuen Vorschrift will Vattenfall die interne Kommunikation verbessern.
BERLIN taz Und täglich grüßt der Vattenfall: Der Betreiber des Atomkraftwerks Krümmel will künftig durch "lautes Arbeiten" Missverständnisse in der Steuerzentrale verhindern. Demnach beabsichtigt Vattenfall eine Vorschrift, nach der Mitarbeiter wichtige Anweisungen künftig laut wiederholen müssen. Dies sei ein Ergebnis der Mitarbeiterbefragung zu den Vorgängen am 28. Juni, erklärte Vattenfall.
Bei der Schnellabschaltung infolge eines Trafobrandes hatte der Reaktorfahrer nach dem Ausfall einer Wasserpumpe eine Anweisung des Schichtleiters falsch verstanden. Statt zur Senkung des Drucks abwechselnd die Ventile zu öffnen und zu schließen, hatte er minutenlang Ventile offen gelassen. Der Druck sank daher schneller als beabsichtigt. Vattenfall will jetzt der Reaktoraufsicht einen Katalog vorschlagen, der im Störfall die Kommunikation regelt.
Neues gibt es allerdings nicht nur zum Kommunikationsverhalten des Schichtpersonals. Auch die technischen Probleme sind größer als bislang angenommen. Der Fund von fehlerhaften Dübeln musste in der Meldehierarchie von der Kategorie N - "normal" - eine Stufe nach oben korrigiert werden - in "E", "eilt". Das könnte zur Folge haben, dass alle 630 Dübel ausgetauscht werden müssten.
Die Kieler Atomaufsicht wertete gestern das dienstaufsichtsrechtliche Gespräch vom Montag aus. Auch der schriftliche Zwischenbericht von Vattenfall wurde geprüft. Die zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht will dem Sozialausschuss des Landtages morgen ihre Erkenntnisse vorlegen.
Zunehmend gerät Vattenfall nun auch aus den Reihen der Atomfans unter Druck. "Der Eindruck, der durch die Informationspolitik von Vattenfall in der Öffentlichkeit hervorgerufen wurde, ist verheerend", sagte der Präsident des Deutschen Atomforums, Walter Hohlefelder, der FAZ. Die Zukunft "der Kernenergie hat dadurch politisch einen massiven Dämpfer bekommen."
Die Atomgegner sehen sich dagegen im Aufwind: "Der Stromanbieterwechsel in Deutschland wird endlich Alltag", heißt es in einer Erklärung der Kampagne "Atomausstieg selber machen". Unter dem Eindruck der Havarien in Krümmel und Brunsbüttel verliere vor allem der Vattenfall-Konzern immer mehr Kunden an Ökostrom-Anbieter. Der Zulauf dort erreicht in diesen Tagen Rekordwerte. Allein der Ökostromanbieter Lichtblick gewinne derzeit mehr als 5.000 Kunden monatlich von Vattenfall
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“