Vattenfall verzichtet auf Steinkohlekraftwerk: Vattenfall gibt endlich Gas
Der Energiekonzern verzichtet nach langem Hadern auf ein neues Steinkohlekraftwerk in der Rummelsburger Bucht. Er setzt auf umweltfreundlichere Alternativen und wird mit Lob überschüttet.
Vattenfall will sein Braunkohlekraftwerk in Lichtenberg durch Erdgas- und Biomassekraftwerke ersetzen. Das sagte Vattenfall-Manager Werner Süss am Donnerstag bei der Vorstellung eines Energiekonzeptes, mit dem das Unternehmen bis zum Jahr 2020 rund 15 Prozent Kohlendioxid (CO2) einsparen will. Das zwischenzeitlich von Vattenfall geplante Steinkohlekraftwerk ist damit vom Tisch. Für die Pläne gab es haufenweise Lob von Umweltverbänden und von Politikern aller Parteien (siehe Spalte).
Vattenfall verursacht in Berlin rund 7,5 Millionen Tonnen des Klimakillers CO2 pro Jahr, das ist etwa ein Drittel des Gesamt-CO2-Ausstoßes in der Stadt. Der Konzern hatte überlegt, das 1926 gebaute Kraftwerk Klingenberg an der Rummelsburger Bucht in Lichtenberg durch ein Steinkohlekraftwerk zu ersetzen. Dies hätte den CO2-Ausstoß deutlich erhöht. Umweltverbände waren Sturm gegen das Projekt gelaufen, auch Teile der Politik hatten sich gegen ein neues Kohlekraftwerk ausgesprochen. Erst im vergangenen Jahr war Vattenfall bei seinen Plänen für ein Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg auf massiven öffentlichen Widerstand gestoßen - blieb dort aber bei Kohle.
In Berlin soll nun alles besser werden. Das Unternehmen glaube, "dass man auf Dauer nicht gegen Politik und Gesellschaft handeln kann", sagte Vattenfall-Manager Klaus Pitschke. Der Konzern will nun zuerst ein 40 Jahre altes Kraftwerk am Ostpreußendamm in Steglitz-Zehlendorf bis zum Jahr 2014 durch Gas- und Dampf-Turbinen-Anlage ersetzen. Ein Steinkohlekraftwerk in der Spandauer Siemensstadt wird bis zum Jahr 2020 geschlossen. Das Braunkohlekraftwerk Klingenberg will Vattenfall in den nächsten acht bis zehn Jahren am gleichen Ort durch zwei Biomasse-Kraftwerke und durch ein oder zwei Gas-Kraftwerke eventuell auch an anderer Stelle ersetzen. Die neuen Kraftwerke sind hauptsächlich auf den Bedarf für Fernwärme ausgelegt - Berlin hat eines der größten Fernwärmenetze Europas. Insgesamt will Vattenfall mehr als 1 Milliarde Euro in Berlin investieren.
Der Anteil von Braun- und Steinkohle an Vattenfalls Energiemix in Berlin soll von derzeit 65 Prozent auf 44 Prozent im Jahr 2020 sinken, der Gasanteil soll von 32 auf 50 Prozent steigen, und der Anteil der Biomasse soll sich von 2 auf 6 Prozent verdreifachen. In den Biomasse-Kraftwerken sollen pro Jahr rund 400.000 Tonnen Restholz verfeuert werden, die in der Holzwirtschaft übrig bleiben. Vattenfall will das Holz aus Wäldern in einem Umkreis von rund 200 Kilometern von Berlin beziehen. Bernd Hirschl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung Berlin zweifelt das an. "Man muss ein großes Fragezeigen dahinterstellen", sagte Hirschl. Für Brandenburger Kunden seien die Reserven derzeit knapp.
Als zusätzliche grüne Schmankerl präsentierte Vattenfall intelligente Stromzähler, die beim Stromsparen helfen sollen - die ersten 10.000 Geräte werden in Wohnungen im Reinickendorfer Märkischen Viertel eingebaut. Darüber hinaus soll auch ein Netz von Stromtankstellen für umweltfreundliche Elektroautos entstehen. Durch das Gesamtkonzept will Vattenfall seinen CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 halbieren und damit "einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass das Land Berlin seine Klimaschutzziele erreicht", sagte Süss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos