Vater von "Jurassic Park": US-Bestsellerautor Crichton ist tot
Der Roman- und Filmautor Michael Crichton ist tot. Er erfand die Kultserie "Emergency Room" und "Jurassic Park" - und verband stets Naturwissenschaft mit Populärliteratur.
Menschliche Hybris war sein Metier. Von den Dinosauriern getötet werden in Michael Crichtons bekanntestem Werk die Jäger - diejenigen also, die meinen, dass sie sich mit den neuen Geschöpfen direkt messen können - und die Geschäftemacher - diejenigen, die sich als cleverer erweisen wollen als die Natur.
Es überleben aber die Staunenden und die Idealisten, die Kinder und der Späthippie-Wissenschaftler: diejenigen, die sich entweder mit dem bescheiden, was sie haben, oder die wissen, dass sie Teil von etwas sind, das größer ist als sie selbst und das, das sich nicht kontrollieren lässt.
"Jurassic Park", das ist auf der Oberfläche ein moderner Wissenschaftsthriller, genau recherchiert und auf der Höhe der Zeit, wenn er neue Erkenntnisse der Gentechnologie und der Chaos-Theorie im Gewand eines Abenteuerromans erzählt. Darunter aber ist der Roman eine zeitgemäße Version von Goethes Zauberlehrling: dass man die Geister, die man ruft, nicht wieder loswird, beschreibt Michael Crichton mithilfe seiner geklonten Dinosaurier. Kein Zaun und keine noch so ausgetüftelte Waffentechnik können die Geschöpfe aufhalten.
"Das Leben findet einen Weg", lautet denn auch der Kernsatz dieses Romans. Wobei das keineswegs nur negativ gemeint ist; auf ein simples "Die Natur schlägt zurück" lässt sich das Buch nicht reduzieren. Der Satz fällt im Zusammenhang mit der Fortpflanzung der Dinosaurier. Damit sie keinen unkontrollierten Nachwuchs bekommen können, hat man im Genlabor nur Weibchen produziert - aber manche Exemplare ändern im Verlauf des Geschehens selbstständig ihr Geschlecht.
Wer solchen Erfindungsreichtum der Natur vergisst, um den steht es schlecht bei Michael Crichton. Eine Überlebenschance hat nur, wer in sich Bewunderung findet für die Schöpfungskraft der Natur. Steven Spielberg hat in seinen Verfilmungen dieses Motiv noch verstärkt, indem er die Begegnungen mit den computergenerierten Wesen stellenweise als zärtliche Szenen inszeniert - bevor dann die Raptoren im Show-down alles platt machen.
Michael Crichton wurde am 23. Oktober 1942 in Chicago geboren. Nach "Jurassic Park" muss er geglaubt haben, Wissenschaftsthriller am Fließband schreiben zu können, so wie er in seinen Anfängen in den späten Sechzigern unter den Pseudonymen John Lange und Jeffery Hudson Thriller im Halbjahresrhythmus geschrieben hat.
Aber so ein vielschichtiges Werk wie "Jurassic Park" hat er nicht noch einmal hingekriegt. Zu mechanisch zieht er etwa in "Prey" - wo er Motive der Nanotechnologie und der Schwarmintelligenz verarbeitet - die Thrillerdramaturgie durch. Und "Timeline", eine Zeitreise zurück ins Mittelalter, verlässt sich auf simple Verblüffungseffekte.
Neben "Jurassic Park" wird von Michael Crichton ein zweites Werk bleiben: die Fernsehserie "Emergency Room". Der Alltag einer Notfallstation als permanenter Ausnahmezustand - auch diese Serie, die Michael Crichton inspirierte und produzierte, erzählt vom Umgang mit etwas, was man nicht kontrollieren kann: körperliche Verletzlichkeit und seelisches Leid, Autounfälle, Geburten, Freundschaften und unzählige Todesarten. Kurz: Sie erzählt vom Leben.
Am vergangenen Dienstag fand Michael Crichtons Körper keinen Weg mehr. 66-jährig ist der Autor in Los Angeles an einem Krebsleiden gestorben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier