Urteil zum Recht auf Vergessenwerden: Keine Fake News bei Google-Treffern
Die Suchmaschine muss Falschinformationen aus ihrer Ergebnisliste entfernen. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.
Ursprünglich hatte der EuGH das Recht auf Vergessenwerden in einem Urteil von 2014 selbst entwickelt. Danach kann jeder von Google und anderen Suchmaschinenbetreibern verlangen, dass bestimmte Texte nicht mehr in der Trefferliste zum eigenen Namen auftauchen. Google muss dem folgen, wenn keine öffentlichen Interessen entgegenstehen. Politiker können also nicht von Google verlangen, dass Berichte über ihre Skandale nicht mehr gefunden werden.
Inzwischen hat der EU-Gesetzgeber das Recht auf Vergessenwerden in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verankert, die seit Mai 2018 in Kraft ist. Danach sind die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen im Einzelfall mit den Grundrechten der anderen Beteiligten abzuwägen, etwa der Pressefreiheit der Medien und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Auf Vorlage des Karlsruher Bundesgerichtshofs klärte der EuGH nun einige Grundsatzfragen zum Recht auf Vergessenwerden.
Im konkreten Fall ging es um ein Ehepaar aus der Finanzdienstleisterbranche, das von einer US-Webseite als unseriös gebrandmarkt wurde. Das Ehepaar warf seinerseits der US-Webseite vor, sie berichte absichtlich falsch, um sie zu erpressen. Google lehnte 2015 den Auslistungsantrag des Ehepaars ab: Man könne nicht beurteilen, ob die US-Berichte korrekt seien.
Persönlichkeitsrechte haben Vorrang
Der EuGH entschied nun, dass bei unrichtigen Informationen das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen immer Vorrang hat und die Meinungs- und Informationsfreiheit zurückstehen müssen. Dies gelte auch, wenn nur ein Teil der Informationen falsch ist, diese Informationen aber für den Gesamtartikel „nicht unwesentlich“ sind. Die Beweislast für die Unrichtigkeit der Informationen haben allerdings die Betroffenen, hier also das Ehepaar, das die Auslistung beantragte.
Dabei kann von den Betroffenen nicht verlangt werden, dass sie die Unrichtigkeit der Information erst in einem Gerichtsverfahren klären lassen. Der EuGH lehnte damit einen Vorschlag des BGH ab. Es müsse genügen, wenn Google ausreichende Nachweise für die Unrichtigkeit vorgelegt werden. Ist die Unrichtigkeit offensichtlich, muss Google den entsprechenden Text auslisten, so der EuGH. Wenn die Beweise aber nicht offensichtlich sind, muss Google nicht selbst recherchieren. Dann müssen die Betroffenen doch eine gerichtliche Klärung versuchen. Sie können von Google dann aber verlangen, dass in der Trefferliste auf das laufende Gerichtsverfahren hingewiesen wird.
Die Anzeige von Vorschaubildern (sogenannten Thumbnails) ist zulässig, wenn sie im Kontext der Trefferliste Informationswert haben, zum Beispiel das Thema veranschaulichen. (Az.: C-460/20)
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