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Urteil zu veganem SchulessenKeine Extrawurst in der Mensa

Eltern haben keinen Anspruch auf veganes Schulessen für ihr Kind. Wann muss die Mehrheitsgesellschaft Rücksicht auf eine Minderheit nehmen?

Wie schmeckt vegane Pizza? Offenbar nach Tomaten und Basilikum Foto: dpa

Eltern haben keinen Anspruch auf veganes Schulessen für ihre Kinder. Mal aus dem Bauch heraus: Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie dieses Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts von Mittwoch lesen? Da erzählen Eltern ihren Kindern zu Hause etwas von ethischen Prinzipien und haben ein Konzept, man nennt es Erziehung. Und dann kommt der Staat und mischt sich ein.

Denken wir mal drüber nach. Da klagt also ein Vater für das Recht seiner Tochter auf veganes Mensaessen. Zu Hause ernährt sich die Tochter aus ethischen Gründen vegan, an ihrer Köpenicker Grundschule kredenzt die Mensa – wie es alle Caterer an Berliner Schulen tun – aber nur ein vegetarisches Essen als Fleischalternative. Der Vater klagt: Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei verletzt. Schließlich nehme die aus Steuergeldern, also von der Allgemeinheit und auch von ihm, mitfinanzierte Schulspeisung auch Rücksicht auf religiös begründete Gefühligkeiten.

Nun leben allerdings deutlich mehr Muslime als Veganer in Berlin, deren Anteil an der Bevölkerung die Deutsche Gesellschaft für Ernährung auf maximal 1 Prozent schätzt. Was einen zu der entscheidenden Frage bringt, die auch das Verwaltungsgericht bei diesem Fall zu Recht umtrieb: Ab wann muss die Mehrheitsgesellschaft Rücksicht auf eine Minderheit nehmen?

Denn würde man vegan auf Wunsch einführen, müsste das Schulessen für alle teurer werden – weil die Caterer pro Essen 3,25 Euro vom Senat bekommen, ein „Sonderessen“ in der Produktion aber das Doppelte kostet. Lediglich wenn man ein veganes Standardessen einführte, könne man „kostendeckend“ arbeiten, sagt der Verband der Berliner und Brandenburger Schulcaterer.

Also vegan für alle? Die DGE rät davon ab, Kinder vegan zu ernähren – auch darauf weist das Gericht hin.

Dem Vater bleibt jetzt der Gang vor das Oberverwaltungsgericht. Der Tochter bleibt die Stullenbüchse. Und jeden Mittag die Gelegenheit, ihre MitschülerInnen ganz en passant mit der Nase drauf zu stoßen, dass manche Menschen sich – berechtigterweise! – Gedanken über das Schnitzel auf ihrem Teller machen.

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11 Kommentare

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  • Was machen vegane Eltern eigentlich, wenn ihr Kind Kopfläuse (soll ja vorkommen) hat? Ignorieren sie rücksichtslos das Lebensrecht der kleinen Blutsauger und fügen ihnen Leid und Tod zu?

    Wenn sie keine völlig verlauste Gesellschaft fordern (Symbiose mit Parasiten ist natürlich und damit gut und zu akzeptieren), warum wollen sie dann allen anderen ihre Ernährungsgewohnheiten aufzwängen? ALs bewusster Fleischesser mache ich mir sehr wohl Gedanken um die Tiere, die ich essen möchte und wie Töten (es gehört nunmal unvermeidlich zu dieser Welt und wenn es nur Läuse sind) ohne übermäßiges Leid möglich ist.

  • wenn den Eltern dies nicht passt, brauchen ihre Kinder ja nicht am Schulessen teilnehmen, dann müssen Sie ihren Kindern eine Stulle mehr mit zur Schule geben ( Apfel nicht vergessen ), wenn dann ihre kleinen nachhause kommen und fragen warum die anderen Kinder lecker Schnitzel zum Mittag bekommen haben und sie bloß Stulle, dann ist dies die Schuld der Eltern u. nicht der Schule..., HELIKOPTERELTERN

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @tomas:

      Wenn sie dann nicht zahlen müssen, OK. Aber ich denke, die müssen zahlen, egal ob die Kinder in der Schule essen. Und wer zahlt, bestimmt. So einfach ist das im Grunde.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Denn würde man vegan auf Wunsch einführen, müsste das Schulessen für alle teurer werden – weil die Caterer pro Essen 3,25 Euro vom Senat bekommen, ein „Sonderessen“ in der Produktion aber das Doppelte kostet."

     

    3,25 pro Essen? Und davon müssen die Caterer gewiss auch noch Unkosten decken, die mit dem Essen gar nichts zu tun haben!? Bleibt dann also wohl nur noch die Hälfte für's Essen übrig?

     

    Wenn ja, möchte ich nicht wissen, mit welchem Dreck die Schüler abgespeist werden. Aber selbst wenn's netto 3,25 wären und selbst angesichtes der Dumpingpreise für Fleisch: veganes vollwertiges Essen wäre billiger zu machen als fleisch- und mehlpampenlastiges.

     

    Insofern: umstellen auf ausschließlich veganes Essen in der Schule. Da wäre allen geholfen, denn keine Religion wird ein Problem damit haben. Und wenn Gläubige der karnistischen Kirche ihren Kindern was "Gutes" tun wollen, können sie diese ja morgens und abends mit heiligen Schweinereien beglücken.

  • Veganismus ist keine Religion.

     

    Für Kinder gibt es keine Religionsfreiheit. Die Eltern bestimmen die Religion der Kinder bis zum Alter von 14 Jahren. Insofern macht es Sinn, dass auf Religionszugehörigkeit Rücksicht genommen wird.

     

    Schulspeisung ist kein Essen à la carte. Will ein Kind bestimmte Nahrungsmittel (z.B. Rosenkohl) aus welchen Gründen auch immer nicht essen, dann hat es erstmal Pech gehabt.

     

    Die Frage ist welche Begründungen zu Ausnahmen führen sollten. Allergien oder andere körperliche Unverträglichkeiten sind etwas, das sich der Entscheidungsmacht des Kindes entzieht. Die Religion ebenso, s.o.

     

    Insofern ist die Entscheidung des Gerichts nachvollziehbar.

    • @Nase Weis:

      "Die Frage ist welche Begründungen zu Ausnahmen führen sollten."

       

      Absolut richtig. Ausnahmen müssen in einer Gesellschaft begründet sein.

       

      Aber was sollte die Regel, und was die Ausnahme sein? Jeder Mensch und jedes Kind isst auch nicht-tierisches, was umgekehrt eben nicht der Fall ist. Demnach sollte Veganes die Regel sein.

      • @Sapasapa:

        Da sollen also alle anderen unter veganem Essen leiden ? Man muss schon akzeptieren dass die Mehrheit nun einmal Fleisch und Milchprodukte auf dem Teller haben möchte. Vegan ist halt nur was für die Elite! Die Kläger könnten ja auch eine vegane Privatschule gründen. Selbstbeweihräucherung wäre da auf jeden Fall Pflichtfach!

  • "Schließlich nehme die aus Steuergeldern, also von der Allgemeinheit und auch von ihm, mitfinanzierte Schulspeisung auch Rücksicht auf religiös begründete Gefühligkeiten."

     

    Interessant, dass Veganismus und Religion auf eine Stufe gestellt werden sollen. Und dass - siehe letzter Absatz - die taz das vegane Kind auffordert, in der Mittagspause zu missionieren.

    • @Mark_Sch:

      Sie stellen Veganismus mit Religion auf eine Stufe? Habe ich den Beweis Gottes - egal welchen - irgendwie verpasst?

       

      Das Leid der Tiere, der Ressourcenhunger der Fleischproduktion, der Antibiotikamissbrauch, die unsäglichen Arbeitsbedingungen im Schlachthof etc. pp. ist doch mehrfach dokumentiert, sogar in Bild? Wie kann man das dann mit Religion auf eine Stufe stellen, wo der Beweis fehlt? Und wieso sprechen Sie von "missionieren", und nicht von "aufklären"?

       

      Nur um mal blöde Fragen zu stellen.

      • @Sapasapa:

        "Und wieso sprechen Sie von "missionieren", und nicht von "aufklären"?"

         

        Ja klar, Missionare wollen immer nur über den wahren Glauben "aufklären"...

        • @Mark_Sch:

          Ohne "Missionare" in der Welt würden wir uns hier öffentlich vielleicht auch gar nicht die Meinung geigen dürfen.