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Urteil zu FlüchtlingskatastropheSchlepper für 18 und 5 Jahre in Haft

Hunderte Menschen starben, als ihr Boot im April 2015 im Mittelmeer sank. Nun gibt es ein Urteil gegen Schlepper. Das Sterben wird so nicht beendet.

Einer der Verurteilten (r.) im Gespräch mit seinem Anwalt Foto: reuters

Catania dpa | Im Prozess um eine der schwersten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer mit Hunderten Toten sind zwei Schlepper zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Der tunesische „Kapitän“ des Schiffes bekam 18 Jahre Haft, sein Helfer aus Syrien 5 Jahre, urteilte das Gericht am Dienstag in Catania auf Sizilien. Beide sollen zudem je neun Millionen Euro Strafe zahlen. Bei dem Bootsunglück im April 2015 waren nach Angaben des Gerichts mehr als 700 Menschen umgekommen, nur 28 überlebten.

Bei der Marine hieß es nach der Bergung des Schiffes sogar, dass zwischen 800 und 900 Flüchtlinge starben, als das völlig überladene Schiff vor der Küste Libyens sank.

Der 28 Jahre alte Hauptangeklagte aus Tunesien wurde wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung, Herbeiführens eines Schiffbruchs und Menschenschmuggels verurteilt – sein 26 Jahre alter Helfer aus Syrien nur wegen Menschenschmuggels. Beide hatten ihre Unschuld beteuert. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Tunesier 18 Jahre und für den Syrer 6 Jahre Haft gefordert.

Das Schiff war am 18. April 2015 vor der libyschen Küste gesunken, weil die Menschen an Bord in Panik geraten waren, als ein Handelsschiff zur Rettung nahte.

Schiffswrack gehoben

Die italienische Regierung ließ das Wrack im Mai vom Meeresgrund heben. Es wurde nach Sizilien gebracht, wo Experten die Leichen identifizierten. Hunderte Tote wurden im Schiffsbauch gefunden. Als Symbol für die Flüchtlingskrise wollte der ehemalige italienische Regierungschef Matteo Renzi das Boot nach Brüssel bringen, um es als Mahnmal vor den EU-Behörden aufzustellen.

In diesem Jahr kamen bereits mehr als 4.740 Menschen im Mittelmeer ums Leben

In Italien kommen immer noch Zehntausende Flüchtlinge an, in diesem Jahr waren es schon über 170.000. Das Land fühlt sich von den EU-Partnern alleinegelassen und verlangt seit Langem eine gerechtere Lastenverteilung.

In diesem Jahr kamen bereits mehr als 4.740 Menschen im Mittelmeer ums Leben. Oft werden skrupellose Schlepper für den Tod der Menschen verantwortlich gemacht, da sie die Flüchtlinge auf schrottreife Boote zwingen und ihnen weder zu essen noch zu trinken geben.

Staatsanwalt Carmelo Zuccaro erklärte, das Urteil sei aus mehreren Gründen richtungsweisend: Es setze fest, dass Italien die Gerichtsbarkeit über Menschenschmuggel in internationalen Gewässern habe, vorausgesetzt die Schlepper haben einen Notruf auf dem Meer abgesetzt. Und dass die normalen „Passagiere“ auf Flüchtlingsbooten als Leidtragende eingestuft werden müssten, nicht als mögliche Verdächtige.

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7 Kommentare

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  • was ist eigentlich mit den vielen Schleppern, die DDRflüchtlinge in den Westen schmuggelten, es gab dabei auch Todesfälle und viele, nicht alle bekamen auch Geld dafür.... verurteilt wurde keiner, sondern als Helden gefeiert.

    ... falsches Land, falsche Zeit.... Pech eben...

    die meisten heutigen Flüchtlinge kommen aus Ländern, wo der Westen, besonders die USA Öl- und Gaskriege führten, die dorthin gebrachte "Demokratie" brachte zerfallende Staaten oder zerstört durch Freihandel etwa über Lebensmittelspekulationen, industriell günstige Lebensmittel die Lebensgrundlage vieler, besonders in Afrika , dabei hat der IWF ganze Arbeit geleistet und Deutschland leistet tatkräftige Hilfe für längere Kriege über umfangreiche Waffenexporte

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Ein sehr wichtiges Urteil, ungeachtet der hier geschriebenen Einwände.

    Wenn es den Schleppern um Menschenleben gehen würde, würden sie die Boote sicher machen und nicht soviele Menschen in ein seeuntüchtiges Boot quetschen und ihnen noch all ihre Ersparnisse abknöpfen.

    Das ist kalkulierter Mord.

  • Genau falsch ist dieses Urteil!

    Die Grenzfestungen sind das Problem, das diese Branche überhaupt entstehen lässt.

    Ein Gerichtsurteil könnte genauso der Frontex gelten.

    • @nzuli sana:

      Ohne Tempolimit keine Temposünder. Ohne Verbot sexueller Handlung gegen den Willen keine Vergewaltiger. Ohne Steuergesetze keine Steuerhinterziehung. Die Liste ist endlos ...

  • Was für ein Flaggenstaat? Erkennt man den an der nichtvorhandenen Flagge auf dem Flüchtlingsboot, einem Auszug aus dem internationalen Schiffsregister oder durch die Aussage des Kapitäns, der sich unter die Flüchtlinge gemischt hat?

    Wenn sie was an dem im Artikel geschilderten Sachverhalt bedenklich finden, sollten Sie das auch deutlich formulieren. "Ehemalige Kolonialmacht" - tss. Von Portugal bis zur Türkei besteht die Nordseite nur aus "ehemaligen Kolonialmächten".

    Die sollen sich bloß nichts unterstehen und Schiffe aufbringen oder Gerichtsverhandlungen durchführen, diese "ehemaligen Kolonialmächte"! Bei somalischen Fischern würde sich die italienische Marine sowas nicht erlauben wg. Vergangenheit.

  • Das nenne ich ein Urteil. Chapeau !