Urteil zu Fangbeschränkungen: Für EU geht Fischerei vor Meeresschutz
Ein Alleingang ist unzulässig: Der Europäische Gerichtshof hat Deutschland untersagt, die Fischerei in Nord- und Ostsee eigenmächtig einzuschränken.
Nach Ansicht der Umwelt-NGOs steht der Meeresschutz in Nord- und Ostsee bisher nur auf dem Papier. Zwar sei Deutschland beim Ausweisen von Schutzgebieten führend, allerdings gebe es für acht von zehn Natura-2000-Gebieten bis heute noch keine Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen. „In Stellnetzen, die in der Ostsee für den Fang von Hering und Dorsch eingesetzt werden, verfangen sich jedes Jahr Zehntausende Seevögel sowie Schweinswale“, kritisiert der Deutsche Naturschutzring (DNR), „die bodenberührende Fischerei“ mit Schleppnetzen, „die in der Nordsee beim Fang von Krabben und Plattfischen eingesetzt werden, pflügt den Meeresboden regelrecht um und hinterlässt dauerhafte Spuren der Verwüstung“.
Nach den Grundsätzen der EU-Fischereipolitik müssen sich die beteiligten Staaten einigen. Weil die Verhandlungen aber nichts vorwärtskamen, stellte der DNR 2014 beim Bundesamt für Naturschutz einen Antrag, dass Deutschland einseitig Maßnahmen zum Meeresschutz in den drei Gebieten „Sylter Außenriff“, „Pommersche Bucht“ und „Pommersche Bucht mit Oderbank“ anordnen soll. Das Bundesamt erklärte sich jedoch für unzuständig. Daraufhin ging der DNR zum Verwaltungsgericht Köln. Die Klage wurde unterstützt von den Verbänden BUND, DUH, Greenpeace, Nabu, WDC und WWF.
Auf Vorlage der Kölner Richter entschied nun auch der EuGH, dass hier wirklich kein nationaler Alleingang zulässig ist. Ein EU-Staat dürfe keine Meeresschutzmaßnahmen beschließen, wenn von ihnen auch Fischereifahrzeuge anderer Staaten betroffen wären. Das ergebe sich aus der EU-Verordnung über die Gemeinsame Fischereipolitik von 2013.
Die Umweltverbände appellieren nun an die EU-Kommission, mehr Druck auf die Anrainerstaaten auszuüben. „Vor allem Dänemark blockiert derzeit alles“, kritisiert Nadja Ziebarth vom BUND. „Leider ist ein einstimmiger Beschluss erforderlich, sodass jeder Staat faktisch ein Vetorecht hat“, sagt Ziebarth. Die Strukturen der europäischen Fischereipolitik müssten dringend reformiert werden. „Je länger dieser Prozess dauert, desto länger wird ein effektiver Schutz wichtiger Lebensräume und Arten erschwert“, kritisierte auch der DNR nach dem EuGH-Urteil. (Az.: C-683/16)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann