Urteil über Deniz Yücel in der Türkei: Zwei Jahre und neun Monate
Ein türkisches Gericht hat den den Journalisten Deniz Yücel in Abwesenheit zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Sein Anwalt kündigt Berufung an.
Das Urteil wurde in Yücels Abwesenheit gefällt. Der Journalist war nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis im Februar 2018 aus der Türkei ausgereist. Ok kündigte Berufung an und sagte: „Wir akzeptieren dieses Urteil nicht.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Laut Ok gab das Gericht zudem bekannt, dass zwei weitere Ermittlungen gegen Yücel liefen. Yücel wird Beleidigung des Präsidenten und des türkischen Staates vorgeworfen, wie aus dem Gerichtsprotokoll hervorgeht.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung wegen Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und Volksverhetzung gefordert. Darauf stehen bis zu 16 Jahre Haft. Für den Vorwurf der Terrorpropaganda für die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen verlangte die Staatsanwaltschaft schon im Februar einen Freispruch.
Yücel war von Februar 2017 bis Februar 2018 ohne Anklageschrift im Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul inhaftiert. Monatelang saß er in Einzelhaft. Wie erst im Mai vergangenen Jahres bekannt wurde, war Yücel in seiner Haftzeit misshandelt worden.
Der Fall hatte die deutsch-türkischen Beziehungen schwer belastet. Die Bundesregierung und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International werteten das Verfahren gegen Yücel als politisch motiviert und setzten sich für seine Freilassung ein. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte Yücels Inhaftierung einen „Skandal“. Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete Yücel als eine „Geisel“ des türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan.
Der islamisch-konservative Staatschef hatte Yücel öffentlich einen „deutschen Agenten“ genannt. Erst nach langem politischen Tauziehen kam Yücel frei und durfte ausreisen. Gleichzeitig wurde Anklage wegen Terrorpropaganda und Volksverhetzung erhoben. Im Sommer 2019 entschied aber das türkische Verfassungsgericht, dass Yücels Inhaftierung rechtswidrig gewesen war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland