Urteil nach LKW-Unfall in Hannover: Mutter zeigt Stärke
Der LKW-Fahrer, der einen Elfjährigen in Hannover beim Rechtsabbiegen getötet hat, ist zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden.
Hannover taz | Wie viel Schmerz da ist, ist schon auf dem Flur des Amtsgerichtes in Hannover spürbar. Dort steht der 37-jährige Angeklagte und knetet mit beiden Händen eine Plastikflasche. Er zittert. Im April hat B. in einem Industriegebiet in Hannover mit seinem LKW beim Rechtsabbiegen einen Elfjährigen auf einem Fahrrad übersehen (taz berichtete). Das Kind ist vor den Augen seiner Mutter von dem Fahrzeug getötet worden.
Vor den Türen des Saals geht B. auf die Eltern zu. Er möchte sich entschuldigen. Ein Dolmetscher übersetzt vom Rumänischen ins Deutsche: „Das ist eine Tragödie“, sagt B., der selbst zwei kleine Kinder hat.
Er erinnere sich daran, dass er die Spiegel überprüft habe, sagt der Fahrer dann in der Verhandlung. „Ich habe nichts gesehen“, sagt B. „Ich kann es mir nicht erklären.“
Doch er hatte sich nicht langsam an den Radweg herangetastet, sondern war gefahren, als er grün hatte – genau wie der Junge mit seinem Fahrrad.
Mutter nimmt die Entschuldigung an
Die Mutter des Jungen spricht sehr leise. Sie war mit ihrem Sohn auf dem Weg zur Kinderstunde in der Kirche, als der Unfall passierte. „Es war keine Eile“, erinnert sie sich. Eine alltägliche Situation. Nach ihrer Aussage verlässt die 51-Jährige sofort den Saal – kommt dann aber noch einmal zurück.
Sie stellt sich mit geradem Rücken vor den Tisch des Angeklagten und sagt dann zwei Worte in seine Richtung: „Ich vergebe.“ Zögerlich steht B. auf und geht auf sie zu. „Ich wollte diese Sache nicht machen“, sagt er. Bevor sie endgültig den Saal verlässt, legt sie ihm noch leicht die Hand auf die Schulter.
Richterin Monika Pinski verurteilt B. wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und 1.500 Euro Geldstrafe.
Vermieden werden könnten viele schwere Unfälle durch Abbiegeassistenten, sagt die Richterin. „Dieses Kind könnte noch leben.“