Urteil in Hongkong: Sechs Jahre Haft für Torturen
Monatelang musste eine indonesische Hausangestellte die Misshandlungen ihrer Chefin ertragen. Kein Einzelfall in der südchinesischen Metropole.
PEKING taz | Dicht an dicht sitzen sie zu Tausenden an ihren freien Tagen auf Hongkongs überdachten Fußgängerbrücken. Sie haben Planen, Decken und Pappe über den harten Betonboden ausgebreitet, zeigen einander Handyfotos. Ein Thema beherrscht ihre Gespräche seit Wochen: das Schicksal ihrer Kollegin, der jungen Hausangestellten Erwiana Sulistyaningsih, die monatelang von ihrer Chefin gequält wurde.
Nach einem aufsehenerregenden Prozess hat ein Hongkonger Gericht am Freitag das Urteil gefällt: Die 44-jährige Arbeitgeberin Law Wan-tung muss für sechs Jahre ins Gefängnis. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Law, eine Mutter von zwei Kindern, ihre aus Indonesien stammende Angestellte über Monate weg gedemütigt, geschlagen und misshandelt hat. Unter anderem hatte Law ihr in einem Wutanfall den Schlauch eines Staubsaugers in den Mund gerammt. Bilder zeigen die 24-jährige Erwiana mit Schnittwunden und schweren Entzündungen am ganzen Körper.
Menschenrechts- und Migrantenorganisationen bezeichnen das Urteil als wegweisend. Schon früher waren immer wieder Fälle bekannt worden, in denen Hongkonger Arbeitgeber ihre Haushaltshilfen misshandelten – meist ungestraft. „Endlich hat ein Gericht einmal Gerechtigkeit walten lassen“, sagt ein Sprecher der Hongkonger Mission for Migrant Worker.
Mehr als 320.000 Frauen – zumeist aus Indonesien und von den Philippinen – arbeiten als sogenannte Maids in der südchinesischen Sonderverwaltungszone. Sie bilden das gern übersehene Rückgrat der Wirtschaft: Neben dem Haushalt kümmern sie sich um die Kinderbetreuung oder pflegen alte Menschen.
Wie schlecht viele von ihnen behandelt werden, hat bereits 2013 eine Studie offenbart: Danach waren 58 Prozent der Haushaltshilfen schon verbalen Angriffen ausgesetzt und 18 Prozent körperlich misshandelt worden. 6 Prozent berichteten von sexuellem Missbrauch.
Extrem abhängig
Die Hongkonger Regierung hat sich bislang wenig um das Problem gekümmert. Dabei wäre es gut möglich, die rigiden Vorschriften zu ändern, die ausländischen Hausangestellten das Leben schwer machen. Amnesty International (AI) etwa kritisiert seit Längerem eine Regelung, nach der die zumeist jungen Frauen nur dann ein Bleiberecht erhalten, wenn sie auch bei ihren Arbeitgebern wohnen.
Zudem sind sie gezwungen, im Fall einer Kündigung innerhalb von zwei Wochen eine neue Stelle zu finden, um einer Ausweisung zu entgehen. Das bisherige Gesetz mache die „Maids“ extrem abhängig von den Arbeitgebern und den Agenturen, die sie vermitteln, kritisiert AI.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“