piwik no script img

Urteil im Hamburger PiratenprozessBis zu sieben Jahre Knast

Die somalischen Piraten, die ein deutsches Schiff überfallen hatten, sind zu zwei bis sieben Jahren Haft verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte mehr gefordert.

Warten auf das Urteil: Die Angeklagten im Gerichtssaal. Bild: dpa

HAMBURG taz | Das Landgericht Hamburg hat zehn somalische Piraten zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. „Wir sind davon überzeugt, dass keiner von ihnen zu dieser Tat gezwungen wurde“, sagte der Vorsitzende Richter Bernd Steinmetz gestern zu Beginn der Urteilsverkündung. Die Täter hätten allerdings Hintermänner gehabt, die immer noch nicht bekannt sind. „Es geht hier um international organisierte Kriminalität“, so Richter Steinmetz.

Die zehn Angeklagten waren am Ostermontag 2010 auf frischer Tat im Indischen Ozean festgenommen worden. Mit zwei Motorbooten hatten sie 950 Kilometer östlich von Somalia das Containerschiff MS „Taipan“ angegriffen. Als die Besatzung merkte, dass sie nicht entkommen konnte, setzte sie einen Notruf ab und machte das Schiff manövrierunfähig. Der deutsche Kapitän zog sich mit der Besatzung in einen Sicherheitsraum zurück und wartete.

Tatsächlich traf nach drei Stunden das niederländische Marineschiff „Tromp“ ein. Nach einem Schusswechsel enterten die Soldaten das Schiff und nahmen die Piraten ohne weitere Widerstände fest. Mit sich führten die Somalis fünf Kalaschnikow-Sturmgewehre, zwei Raketenwerfer, zwei Pistolen, zwei Messer und 20 Magazine Munition.

Die Holländer brachten die Piraten nach Europa, nach einigen Wochen wurden sie nach Deutschland ausgeliefert. Dass der Prozess in Deutschland stattfindet, hat einen einfachen Grund. Die MS „Taipan“ gehört einer Hamburger Reederei und fuhr auch unter deutscher Flagge. Wenn auf einem solchen Boot eine Straftat stattfindet, ist deutsches Strafrecht anwendbar.

Der Prozess dauerte 105 Verhandlungstage und nahm immer wieder erstaunliche Wendungen. Bereits im Frühjahr war mit dem Urteil gerechnet worden, als einer der Angeklagten, der 1983 geborene Abdul K. D., ein Geständnis ablegte. Die Angeklagten seien gar nicht zu der Tat gezwungen worden, wie viele von ihnen immer behauptet hatten, sagte K. D. Vielmehr hätten sie sogar Verträge über eine Gewinnbeteiligung abgeschlossen. Er selbst sei nur als Übersetzer dabei gewesen. Die anderen neun Angeklagten nannten K. D. einen Lügner und bezeichneten nun ihrerseits K. D. als Anführer.

Jugendstrafen für zwei Männer

Das Gericht verurteilte sieben Piraten zu Haftstrafen zwischen sechs und sieben Jahren. K. D. erhielt sechs Jahre Freiheitsstrafe also keine große Belohnung für seine Aussage. Drei Männer, die zur Tatzeit erst 17 oder 18 Jahre alt waren, erhielten Jugendstrafen von je zwei Jahren. Sie waren schon vor Monaten aus der U-Haft entlassen worden. Ein Pirat hatte behauptet, zur Tatzeit erst 13 Jahre alt und damit noch ein strafunmündiges Kind gewesen zu sein. Das hielt das Gericht für widerlegt.

Die Haftstrafen müssen in Deutschland verbüßt werden. Nach der Hälfte der Zeit können die Männer allerdings in die Heimat abgeschoben werden, wenn sie einverstanden sind. Derzeit gibt es wegen der bürgerkriegsähnlichen Lage aber faktisch einen Abschiebestopp nach Somalia, so dass die Piraten möglicherweise sogar nach der Haft in Deutschland bleiben können. Allerdings dürften viele der Verurteilten auch ihr gewohntes Leben vermissen und freiwillig zurückkehren. Eigentlich wollten sie ja gar nicht nach Europa.

Die mehrstündige Urteilsverkündung war bei Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • A
    ama.dablam

    @D.J.: wenn Sie die Kommentare auf SPON lesen dann stellen Sie besser ein Richefläschchen bereit. Da ist das noch harmlos hier...

  • D
    D.J.

    @Papperlapapp:

     

    ich bedanke mich herzlich für Ihre sachliche Kritik und werde sie selbstverständlich selbstkritisch in Erwägung ziehen. Aber was eigentlich möchten Sie sagen, geschätzter Mitkommentator?

  • P
    Papperlapapp

    ich find den artikel leider sehr detail los und uninformativ. leider läst die taz immer mehr blabla artikel drucken und bekommt immer mehr papperlapapp leser die von deutschen staat und der judikative palabern und uns dann hier ihre geistige kastration kundtun. bravo...

  • SS
    @ sogenannter "Bessermenschlicher Allesversteher":

    "Havarierende Oeltanker, (Gift-)muellentsorgung auf hoher See, dilettantische Rohstofffoerderung, illegaler industrieller Fischfang, Arbeitsbedingungen auf Frachtschiffen" sind sicher auch die Übel der Weltmeere. Aber sind deshalb Piraten, die Schiffe überfallen und die Mannschaft umbringen bzw. monatelang unter übelsten Bedingungen einkerkern, kein Übel?

  • D
    D.J.

    @Bessermenschlicher Allesversteher,

     

    "... Arbeitsbedingungen auf Frachtschiffen - das sind die "Uebel der Weltmeere"."

     

    Dem widerspreche ich nicht, die genannten Punkte gehören dazu. Aber fragen Sie mal den ausgebeuteten Phlippino auf dem Frachtschiff, ob er lieber in die Hände von Piraten fällt und für die nächsten Monate tagatäglich Todesängste austehen möchte und ggf. auch malträtiert wird. Dann entgehen Sie auch dem Zynismus.

  • E
    Ergo

    Wo werden die jetzt einsitzen?

  • SA
    sogenannter "Bessermenschlicher Allesversteher"

    Havarierende Oeltanker, (Gift-)muellentsorgung auf hoher See, dilettantische Rohstofffoerderung, illegaler industrieller Fischfang, Arbeitsbedingungen auf Frachtschiffen - das sind die "Uebel der Weltmeere". Bloede Pauschalisierungen, und selbstgefaelliges daniedertippen undifferenzierter Auesserungen helfen niemandem weiter, lieber D.J.

  • D
    D.J.

    Die Urteile sind ein Signal: Der deutsche Staat bzw. die Judikative ist nicht bereit, konsequent gegen das Übel der Weltmeere vorzugehen. Im Übrigen erwarte ich jetzt das Gejammer bessermenschlicher Allesversteher über den angeblichen Zwang zum Verbrechen und dekadente Selbstkasteiungen über "unsere" Schuld.