Urteil gegen Koze-AktivistInnen: Widerstand an der Untergrenze
Im Prozess gegen Ex-AktivistInnen des Kollektiven Zentrums (Koze) wegen Widerstand und Nötigung bleiben mögliche Rechtsbrüche der Polizei unbewertet
Das ist das Ergebnis des ersten von fünf Strafverfahren gegen Koze-MitstreiterInnen vor dem Amtsgericht St. Georg, das Präjudiz-Charakter hat. Den linken AktivistInnen wird Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Nötigung vorgeworfen.
Es geht dabei um einen morgendlichen Polizeieinsatz vom 25. Juli 2015 im Münzviertel. Die Stadt wollte einen Bauzaun errichten, um das Gelände eines an das Koze angrenzenden Schulgeländes abzusichern, bevor das Schulgebäude asbestsaniert wurde. Die Koze-AktivistInnen wollten das verhindern, indem sie ein Tor zum Schulareal blockierten.
Als die Polizei anrückte, verließen sie gemessenen Schrittes den Torbereich, was ihnen die Staatsanwaltschaft als Widerstand gegen die angeordnete Personalienfeststellung auslegt. Die Kernfrage des Verfahrens ist, ob der Polizeieinsatz unter der Regie des leitenden Polizeidirektors Hartmut Dudde rechtswidrig war und damit die Blockade gerechtfertigt wäre. Dudde gilt seinen Kritikern als Freund repressiver Polizeieinsätze bei Demonstrationen. Und gerade er wird als Gesamteinsatzführer die polizeilichen Maßnahmen beim G20-Gipfel im Juli mit über 13.500 Polizisten koordinieren.
Strafbarkeit im „ganz untersten Bereich“
Der Anwalt der Beschuldigten, Gerrit Onken, hält den Polizeieinsatz für rechtswidrig. Der massive Einsatz der Bereitschaftspolizei mit Festnahme- und Räumungseinheiten zur Absicherung der bevorstehenden Baumaßnahmen sei rechtlich nicht gedeckt, die Asbestsanierung zudem vorher nicht angekündigt gewesen.
Auch seien die Beamten vor Ort über den Zweck ihres Einsatzes von der Einsatzleitung falsch gebrieft worden. Sie gingen davon aus, dass es hier um die Beendigung eines Hausfriedensbruchs gehe, der auch nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gar nicht vorlag. Denn die Koze-AktivistInnen waren in der an die Schule angrenzenden ehemaligen Kita und auch auf dem Schulgelände seit Monaten von der Stadt geduldet.
Seit Herbst 2014 hatte das Kollektive Zentrum (Koze) im Münzviertel unweit des Hauptbahnhofs einen Zwischenmietvertrag mit der Stadt.
Im ehemaligen Kitagebäude veranstalteten Aktivisten Konzerte und Filmabende, richteten Unterkünfte für Geflüchtete ein.
Die Stadt kündigte das Mietverhältnis im März 2016, weil ein Investor das Areal gekauft hatte.
Vor Gericht kassierte das Koze einen Räumungstitel und löste sich im Oktober 2016 auf.
Da die Rechtmäßigkeit des „gesamten Brimboriums“ erkennbar mehr als fraglich gewesen sei, sei es angemessen gewesen, dass die AktivistInnen das Tor zwischen Kita- und Schulgelände blockiert hätten, um „den Status quo erst einmal abzusichern“, meint der Anwalt. Dass sie sich schließlich von dem Tor entfernt hätten, könne zudem nicht als Widerstand gegen eine Personalienfeststellung gewertet werden.
Die vorsitzende Richterin räumte zwar Fehler auf Seiten der Polizei ein, fand aber das Verhalten der Angeklagten „im ganz unteren Bereich, an der untersten Grenze“ strafbar. Rechtskräftig aber wird die Verwarnung samt Geldstrafe auf Bewährung kaum werden.
Die Beschuldigte wird wohl Berufung einlegen, damit die rechtliche Bewertung kein Präjudiz für die Parallelverfahren gegen andere Koze-AktivistInnen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel