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Urteil gegen JournalistenUntersagte Nebentätigkeit

Harald Schumacher von der „Wirtschaftswoche“ durfte in der taz nicht über den mutmaßlichen Übergriff einer Unternehmerin schreiben.

Wer hier ungebührlich zugreift, demonstriert vor allem eines: Macht Foto: imago images/Hoffmann

Der Wirtschaftswoche-Redakteur Harald Schumacher ist für einen taz-Beitrag zur MeToo-Debatte von seinem Arbeitgeber zu Recht abgemahnt worden. Das entschied in der vergangenen Woche das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Schumacher habe die Genehmigung für den Artikel in der taz gefehlt.

Harald Schumacher ist seit 1987 Redakteur des Magazins, das im Handelsblatt-Verlag erscheint. Im September 2017 berichtete Schumacher aus den USA über die Eröffnung der Fabrik eines baden-württembergischen Maschinenbauers. Nach der Veranstaltung standen die Beteiligten bei einer Party zusammen. Die Firmenchefin forderte auf, beim Fingerfood zuzugreifen. Journalist Schumacher lehnte ab, unter Verweis auf „zu viel Speck überm Gürtel“. Nach Schumachers Darstellung kniff ihn die Unternehmerin dann zur Überprüfung unversehens „kräftig in die Hüfte“. Nach Darstellung des Konzerns habe die Managerin den Mann dagegen nur „kurz wohlwollend am Sakko gezupft“.

Schumacher schilderte sein Erlebnis im Bericht über die Fabrikeröffnung, doch die Wiwo-Redaktion strich den Passus. Schumacher schlug Chefredakteur Beat Balzli daraufhin eine gesonderte Veröffentlichung vor, aber Balzli lehnte ab. Auch Schumachers Vorschlag, dass er den Vorgang in einem anderen Medium aufgreifen könne, wies Balzli zurück.

Im März 2018 erschien dann in der taz ein Artikel von Schumacher unter dem Titel „Ran an den Speck“. Ohne den Namen der Unternehmerin zu nennen, stellt er den Vorgang in den Zusammenhang der MeToo-Debatte über männliche Belästigung. „Ich wurde vor Publikum instrumentalisiert zum Objekt einer Geste, die als einseitiger jovialer Spaß – sozial gesehen – nur in eine Richtung funktio­niert: von oben herab.“ Offensichtlich gehe es hier nicht nur um Geschlecht, sondern auch um die Macht, so Schumacher, „um Personen, die schon lange keinen Widerspruch mehr gewohnt sind und die Grenzen ­anderer nach Belieben ignorieren“.

Ein feuilletonistischer Debattenbeitrag

Nach diesem Text wurde Schumacher von der Wirtschaftswoche abgemahnt. In seinem Arbeitsvertrag stehe: „Der Redakteur bedarf zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe der ihm bei seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachrichten und Unterlagen der schriftlichen Einwilligung der Chefredaktion.“ Diese Einwilligung habe Schumacher nicht erhalten. Wenn sich Der­artiges wiederhole, drohe ihm die Kündigung.

Schumacher argumentierte, bei dem taz-Artikel habe es sich nicht um eine „Nachricht“ gehandelt, sondern um einen feuilletonistischen Debattenbeitrag. Auch die Wirtschaftswoche habe dem geschilderten Ereignis keinen Nachrichtenwert beigemessen, denn sie habe eine Veröffentlichung abgelehnt, unter anderem um die Unternehmerin zu schützen. Der Arbeitgeber könne nicht verhindern, dass Schumacher über ein Erlebnis schreibt, das ihn „höchstpersönlich“ betroffen und in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt habe.

Wie schon das Arbeitsgericht Düsseldorf hat nun auch das Landesarbeitsgericht der Wirtschaftswoche recht gegeben. Die Einschränkung von Schumachers Meinungsfreiheit sei durch den Passus im Arbeitsvertrag und die zugrunde liegende Regelung im „Manteltarifvertrag für Redakteure an Zeitschriften“ gerechtfertigt (§ 13 Nr. 3). Zwar sei Schumacher persönlich betroffen, es überwiege aber der „dienstliche Zusammenhang“, da der Vorfall bei einem Firmenevent stattfand, über das Schumacher für sein Magazin berichten sollte.

Das LAG ließ offen, ob Schumacher sich gerichtlich eine Erlaubnis zur öffentlichen Schilderung des Vorfalls hätte erstreiten können. Darauf komme es nicht an, weil er dies gar nicht versucht hatte, sondern den Text einfach ohne Erlaubnis veröffentlichte. Eine Revision zum Bundes­arbeitsgericht ist zugelassen.

(Az.: 4 Sa 970/18)

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6 Kommentare

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  • Als Beobachter des Verfahrens in erster wie in zweiter Instanz nur ein paar Bemerkungen zum Beitrag von Konstantin Wosner zu dieser taz-Debatte (für die anderen bin ich offenbar zu doof, denn ich habe kein Wort verstanden): um die Frage, Entschuldigung oder nicht, ging es dem (mir persönlich gut bekannten) Autor überhaupt nicht. Es ging ihm um einen „gegen den Strich gebürsteten“ Debattenbeitrag zum Thema MeToo. Darum, deutlich zu machen, dass MeToo ein nicht ausschließlich feministisch besetztes Thema ist (oder sein muss), sondern dass es dabei um gesellschaftliche Machtstrukturen geht. Davon abgesehen kann auch ein entschuldigter Missgriff die Öffentlichkeit interessieren. Das LAG hat sich ohnehin nicht mit der Frage einer Entschuldigung beschäftigt. Auch wenn es nicht urteilsentscheidend war, ging es dort um den wirtschaftlichen Druck, den das Unternehmen auf Chefredaktion und Verlag ausübte, um eine Berichterstattung über die Speck-Attacke zu verhindern und um die Art und Weise, wie Schumachers Arbeitgeber und direkter Vorgesetzter auf die Drohung reagierten. Auch die Namen Nicola Leibinger-Kammüller und Trumpf fielen dort erstmals in in diesem Verfahren, waren allerdings schon zuvor durch die Berichterstattung über den Prozess bekannt geworden. Witzigerweise haben Verlag (und Chefredakteur) mit ihrer Abmahnung damit genau das verursacht, was sie mit dem Berichtsverbot verhindern wollten. Ansonsten: Fairer Bericht von Herrn Rath und der taz! Die Lektüre der schriftlichen Urteilsbegründung, die noch nicht vorliegt, dürfte lohnen.

  • Wäre doch erstmal angebracht gewesen, das persönliche Gespräch mit der Dame zu suchen, und gegebenenfalls eine Entschuldigung zu verlangen.

    Auch wenn er im Recht ist, und das so stattgefunden hat, ist es der Frau vielleicht erst im nachhinein bewusst geworden, dass sie hier eine Grenze überschritten hat.

    Öffentliche Pranger finde ich nicht angebracht.

  • Wird Nicola L.-K. den Trumpf im Ärmel behalten, wenn ihr Klarname genannt wird?

    • @Linksman:

      Klar - Trumpf 🤴t die Fijur - wa!

      • @Lowandorder:

        &! Däh&Zisch - Rettung naht - auf Draht Mailtütenfrisch

        “Gruezzi wohl!







        Beat Balzli - Der Schweizer Humor bleibt der beste.







        "bekannt gewordenen Nachrichten und Unterlagen" (aus dem Arbeitsvertrag). Ist es überhaupt eine Nachricht? Ist Bauchspeck eine "Unterlage"? Fragen über Fragen. Darf ein Mann nicht sagen, was ihm so passiert?







        "Eine Revision zum Bundes­arbeitsgericht ist zugelassen."

        🥚 wie - der Rabbi sagt - so griffig -



        “Könnt ich noch ein paar Scheiben von dem wunderbaren Käse - gern etwas dicker.“



        “Aber das ist Südtiroler Bauerspeck!“



        “Mir doch völlig egal - wie Sie diesen wunderbaren Käse nennen!“

        “Dieser Beschluß ist unanfechtbar“ •



        Masel tov

  • Sach mal so “Söchst du Wuust - in Hunnenstall?“

    “Suchst du Wurst im Hundestall?“ - anders gewendet:



    “Pacta sund servanda!“ - Verträge sind einzuhalten.



    Die dünn-ungenießbare Rabulistiksuppe - erzeugt doch nur Heiterkeit.



    Allenfalls - aber nur. Wollnichwoll.



    &



    Ha no. Das hat der Speckgürtelverletzte - ja auch genau gewußt.



    Rettungsringe - schützen halt nicht - durchgängig. Gellewelle.



    Nö. Normal - jedenfalls nich.