Urteil gegen Chiquita in den USA: Bananen­konzern muss zahlen

Jahrelang finanzierte der US-Konzern Chiquita kolumbianische Paramilitärs. Jetzt muss er 38 Millionen Dollar an deren Opfer zahlen.

Chiquita-Bananebn in einem Supermarktregal

Chiquita-Bananen Foto: Manfred Segerer/imago

BOGOTÁ taz | Das Urteil gilt als historisch: Der US-Bananenkonzern Chiquita Brands hat die paramilitärische Gruppe AUC in Kolumbien finanziert. Jetzt muss Chiquita Brands erstmals die Familien von acht ermordeten Opfern mit rund 38 Millionen Dollar entschädigen. Das entschied am Montag ein Geschworenengericht in Florida in einem Zivilprozess.

„Dieses Urteil ist eine Botschaft an alle Firmen dieser Welt, die sich auf Kosten der Menschenrechte bereichern: Ihre Taten werden nicht ungestraft bleiben“, sagte Marco Simons von der Organisation Earth­Rights International in einer Stellungnahme. EarthRights International hat einige der Opfer vertreten.

Sie sieht in dem Urteil einen Präzedenzfall: „Es ist das erste Mal in den USA, dass ein Gericht einen Großkonzern für seine Komplizenschaft bei Menschenrechtsverletzungen in einem anderen Land zur Verantwortung zieht.“ Das Urteil fiel in erster Instanz. Chiquita hat angekündigt, Berufung einlegen zu wollen.

Die Autodefensas Unidas de Colombia (AUC, dt. Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens) gelten als die grausamste paramilitärische Gruppe im bewaffneten Konflikt in Kolumbien. Sie ermordeten Zehntausende, vertrieben, folterten. In den Bananenregionen Urabá und Magdalena an der Karibikküste waren sie ebenfalls aktiv – und arbeiteten mit dem Bananenkonzern Chiquita Brands zusammen.

Menschenrechtsverletzungen und Vertreibungen

Die rechten paramilitärischen Gruppen gründeten sich einst, um die linken Guerillas wie die Farc zu bekämpfen. Vor allem Großgrundbesitzer und Unternehmer heuerten diese privaten Söldnertruppen an, um ihr Hab und Gut zu verteidigen. Auch der kolumbianische Staat und seine Armee arbeitete mit ihnen zusammen. Doch schnell artete das aus.

Schwere Menschenrechtsverbrechen waren die Folge. Im bewaffneten Konflikt sind die Paramilitärs mit Abstand für die meisten Todesopfer verantwortlich gewesen. Und sie schufen mit Zwangsvertreibungen riesige Landgüter für Rinderzucht und Monokulturen wie Bananen und Palmöl, von denen Unternehmen profitierten.

Es ist bewiesen, dass Chiquita Brands mittels seiner Ableger wie Banadex in Kolumbien zwischen 1997 und 2004 1,7 Millionen Dollar an paramilitärische Gruppen gezahlt hat. Das hat das Unternehmen auch eingeräumt.

Die regelmäßigen Zahlungen begannen nach einem Treffen von AUC-Chef Carlos Castaños mit Vertretern der Bananenindustrie – und liefen auch weiter, nachdem die damalige US-Regierung Castaños’ AUC als Terrororganisation eingestuft hatte. (Die Guerillas, an die Chiquita ebenfalls Geld zahlte, waren das zu dem Zeitpunkt nicht.) Deshalb hat Chiquita Brands 2007 eine Strafe von 25 Millionen Dollar an die US-Regierung gezahlt – aber bisher keinen Cent an die Opfer der AUC. In der Buchhaltung tauchten die Zahlungen an die Mörderbande als „Sicherheitsdienstleistungen“ auf – was Chiquita Brands also noch Steuervorteile brachte.

Aus den aufgelösten AUC entstanden mehrere Nachfolger

Auch die damalige kolumbianische Regierung meinte es gut mit Chiquita Brands: Sie richtete der Firma eine Sondersteuerzone ein. Am dortigen Hafen drückten die kolumbianischen Zollbeamten alle Augen zu. Chiquita nutzte den Hafen auch, um Waffen und Munition aus Nicaragua nach Kolumbien einzuführen und damit die Paramilitärs auszustatten. „Chiquita zahlte Geld für die Kugeln, die unschuldige Kolumbianer außerhalb von seinen Ländereien ermordeten“, hatte schon 2007 das US-Justizministerium gefolgert.

Laut dem Abschlussbericht der kolumbianischen Wahrheitskommission von 2023 hat Chiquita auch für die AUC Drogen in Bananenkisten außer Landes geschmuggelt.

Nach dem Urteil von 2007 klagten Tausende kolumbianische Bauern in den USA. Das Geschworenengericht in Florida griff sich stellvertretend neun symbolische Fälle heraus. Davon konnten acht für das Gericht beweisen, dass ihre Angehörigen zu der Zeit von den AUC ermordet wurden, als Chiquita Brands diese finanzierte. Nach 17 Jahren Rechtsstreit.

Die kolumbianische Zeitung El Espectador verzichtete „zum Schutz der Kläger“ darauf, die Höhe der Entschädigung zu nennen. Das sagt einiges über die Sicherheitslage in Kolumbien. Die AUC demobilisierten sich 2006 offiziell – doch entstanden daraus mehrere Nachfolgegruppen. Eine davon ist der Golfclan, der bis heute die Bananenregion beherrscht.

Chiquita bezahlte die Mördergruppe für eigene Geschäft

Chiquita Brands hatte im Prozess argumentiert, durch Bedrohung und Erpressung zur Zahlung an die AUC gezwungen worden zu sein. Doch diese Opferrolle hatte die Firma weder in den USA noch in Kolumbien jemals angezeigt, noch konnte sie diese im Prozess glaubhaft belegen.

Laut Anklage bezahlte Chiquita hingegen die Mördergruppe, um die Kontrolle über ihr höchst rentables Geschäft zu sichern. 2003 sei ihr kolumbianischer Ableger Banadex sogar international der lukrativste gewesen – in einer gewalttätigsten Konfliktregionen der Welt.

Chiquita Brands hieß früher United Fruit Company und ist eng mit der kolumbianischen Geschichte verbunden. Mit dem sogenannten Bananenmassaker an Arbeitern, die für mehr Lohn streikten (1918), ging der Konzern später in den Literaturklassiker „Hundert Jahre Einsamkeit“ des Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez ein. Auf dem ganzen Kontinent prägte er mit seinen Praktiken den Begriff Bananenrepublik.

Der kolumbianische Senator und renommierte Menschenrechtsverteidiger Iván Cepeda sieht die Verantwortung nicht nur beim US-Konzern, sondern auch bei den kolumbianischen Behörden, die ihm die Lizenzen erteilten und die Verbrechen „unter ihrer Nase“ zuließen.

In Kolumbien droht das Strafverfahren gegen Chiquita im September 2025 zu verjähren

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