Urteil gegen Ägyptens Expräsident: 20 Jahre Haft für Mursi
In der kurzen Amtszeit von Mohammed Mursi in Ägypten kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen. Dafür soll Mursi ins Gefängnis.
BERLIN taz | Der ehemalige ägyptische Präsident Mohammed Mursi ist zu zwanzig Jahren Haft verurteilt worden. Ein Gericht in Kairo befand Mursi, der aus den Reihen der Muslimbrüder stammt, der Anstachelung zur Gewalt sowie der Entführung und Misshandlung von Demonstranten im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen im Dezember 2012 für schuldig.
Zwölf Mitangeklagte, darunter führende Mitglieder der inzwischen verbotenen Muslimbruderschaft, wurden ebenfalls zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Eine Anklage wegen Mordes, worauf die Todesstrafe gestanden hätte, wurde fallengelassen.
Es handelt sich um das erste Urteil gegen Mursi; es wurde in der ersten Instanz gefällt. Da das Verfahren vor einem Strafgericht stattfand, gibt es für die Berufung nicht, wie sonst üblich, zwei Instanzen, sondern nur das Kassationsgericht. Wird das Urteil kassiert, muss der Prozess neu aufgerollt werden. In früheren Fällen von Todesurteilen gegen Muslimbrüder und deren Anhänger hat das Kassationsgericht zahlreiche Urteile aufgehoben.
Mursi selbst erkennt das Gericht nicht an. Einer seiner Verteidiger erklärte nach der Urteilsverkündung gegenüber der Website Ahram Online, aus diesem Grund sei noch keine Entscheidung gefallen, in die nächste Instanz zu gehen. Das Anwaltsteam hatte zuvor in einem Schreiben die Zuständigkeit des Gerichts bestritten. Dieser Antrag wurde vom Gericht jedoch zurückgewiesen.
Steine und Molotowcocktails
In dem sogenannten Ittihadiya-Verfahren ging es um gewaltsame Vorfälle vor dem gleichnamigen Präsidentenpalast im Kairoer Stadtviertel Heliopolis am 5. und 6. Dezember 2012. Dort hatten einige Dutzend Demonstranten ein Zeltlager errichtet. Unter der Parole „Letzte Warnung" an Mursi, der damals noch Präsident war, forderten sie die Rücknahme eines Verfassungsdekrets vom 22. November. Dieses sah vor, dass Entscheidungen des Präsidenten vor Gericht nicht länger angefochten werden können.
Am Nachmittag des 5. Dezember gingen Hunderte von Muslimbrüdern und deren Unterstützer gegen das Camp vor. In den folgenden zwölf Stunden eskalierte die Gewalt. Die Kontrahenten bewarfen sich zunächst mit Steinen, dann mit Molotowcocktails und schließlich setzten beide Seiten auch Gummigeschosse und Handfeuerwaffen ein. Zehn Personen, die meisten von ihnen Muslimbrüder, kamen ums Leben; 748 weitere wurden verletzt.
Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wurden 49 Mursi-Gegner in einem provisorischen Gefangenenlager festgehalten und misshandelt. Diese 49 Personen wurden am nächsten Tag der Staatsanwaltschaft übergeben. Die Polizei nahm in dieser Nacht weitere 92 Personen fest. Von den mehr als 140 Festgenommenen wurden in den ersten Tagen 133 Personen mangels Beweisen sowie vier Minderjährige wieder freigelassen.
Am 11. Dezember machte Mursi einen Rückzieher. Nach einem Treffen zwischen der Regierung und der Opposition sowie 40 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nahm er sein Verfassungsdekret zurück. Ein halbes Jahr später wurde Mursi vor dem Hintergrund einer breiten Protestbewegung vom Militär gestürzt. Vier Monate wurde er an einem unbekannten Ort festgehalten; seither sitzt er in einem Hochsicherheitsgefängnis in Alexandria ein. Mursi drohen weitere Verfahren. Im Februar wurde gegen ihn ein Prozess wegen des Vorwurfs der Spionage für Katar und der Preisgabe vertraulicher Dokumente eröffnet.
Dieser Artikel wurde aktualisiert um 16.31 Uhr.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!