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Urteil des EuGHWer früher stirbt, hat länger Urlaub

Die höchsten EU-Richter haben entschieden: Auch ein Toter hat noch Anspruch auf Jahresurlaub. Denn der Gestorbene vererbt seinen Anspruch an seine Witwe.

Da geht er hin. Der Urlaubsanspruch aber bleibt. Bild: dpa

LUXEMBURG dpa | Ein Arbeitnehmer verliert mit dem Tod nicht seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Seine Witwe kann daher einen finanziellen Ausgleich für Urlaub verlangen, den der Verblichene nicht mehr nehmen konnte. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg entschieden.

Nationale Gesetze oder „Gepflogenheiten“, wonach der Urlaubsanspruch „untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet“, seien mit dem EU-Recht nicht vereinbar, befanden die höchsten EU-Richter. Der Anspruch auf bezahlten Urlaub sein „ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts“.

Der EuGH antwortete mit seinem Urteil auf eine Anfrage des Landesarbeitsgerichts in Hamm (Nordrhein-Westfalen). Dieses muss über den Fall eines Arbeitnehmers entscheiden, der seit 1998 bei einem Unternehmen beschäftigt war. Wegen Krankheit war er von 2009 an nur noch mit Unterbrechungen arbeitsfähig. Als er im November 2010 starb, hatte er 140,5 Tage Jahresurlaub angesammelt. Seine Witwe verlangte für diesen Urlaubsanspruch einen finanziellen Ausgleich.

Das Gericht verwies darauf, dass ein Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf bezahlten Urlaub hat, wenn dieser vor dem Verlassen eines Unternehmens angefallen ist. Auch wer wegen einer Krankheit gar keinen Urlaub nehmen könne, habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Recht auf einen finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub.

Mit einem „finanziellen Ausgleich im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod“ werde „die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs“ sichergestellt, urteilte der Europäische Gerichtshof: „Der unwägbare Eintritt des Todes des Arbeitnehmers darf nicht rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub führen.“ Der Anspruch auf finanzielle Abgeltung hänge auch nicht ab, dass der Betroffene zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt hat.

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4 Kommentare

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  • Muss man eigentlich kündigen wenn man stirbt?

    • @Bernado:

      Erfahrungsberichte aus dem Jenseits könnten da sehr hilfreich für die Beantwortung dieser berechtigten Frage sein. Mehr Feedback, liebe Verstorbene!

      • @Rainer B.:

        Kündigen muss dann wohl die Witwe, wenn es eine gibt. Und vermutlich läuft das Gehalt des Verstorbenen doch noch weiter - bis zum Monatsende? Oder noch länger?

        Und bei Beamten? Bis zum Quartalsende vielleicht? Die Details sind sicher ganz interessant.

        Witwen kennen sich bestimmt gut damit aus, behalten ihr Wissen aber sicher gern für sich. Können sie ja für die nächste Ehe wieder gebrauchen.

  • Da werden die Arbeitgeber jetzt aber erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, damit ihre Mitarbeiter erst dann versterben, wenn sie ihren Jahresurlaub genommen haben. Diente der Urlaub früher zur Erhaltung der Arbeitskraft, so könnte er sich nun mehr und mehr zur Killerprämie für Witwen entwickeln.