Urteil des Bundessozialgerichts: Hartz IV reicht für Schulbücher
Doch kein Extra-Zuschuss für Kinder aus Hartz IV-Familien, entschied das Bundessozialgericht. Schulbücher gehörten zum "typischen Bedarf" eines Kindes, urteilten die Richter.
FREIBURG taz | Das Grundsatzurteil kam spät und brachte auch nichts ein. Hartz IV-Kinder mussten unter der alten Rechtslage die Kosten ihrer Schulbücher aus dem kargen Regelsatz selbst bezahlen. Dies entschied am Donnerstag das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. "Es ist ein unbefriedigendes Urteil", sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Spellbrink und verwies auf die anstehende Neuregelung der ALG 2-Sätze.
Der konkrete Fall bezieht sich auf's Schuljahr 2005/2006. Der Kläger besuchte damals die 9. Klasse eines Gymnasiums im Raum Ludwigshafen. Seine alleinerziehende Mutter hatte als Studentin kein Einkommen, die Famlie lebte von ALG 2. Die erforderlichen Schulbücher kosteten knapp 200 Euro, doch in Rheinland-Pfalz wurden Einzelkindern per Lernmittelgutschein nur 59 Euro erstattet. Für die restlichen 139 Euro stellte der Schüler einen Antrag beim Jobcenter. Der Antrag wurde aber abgelehnt.
Sein Fall erregte bundesweit Aufmerksamkeit als das Landessozialgericht Mainz Anfang 2009 forderte, der Staat müsse die Bücherkosten von Hartz IV-Schülern voll übernehmen. Dieses Urteil wurde nun aber vom BSG korrigiert. Schulbücher seien ein "typischer Bedarf" eines Kindes und müssten aus dem Regelsatz bezahlt werden. Das damals geltende Gesetz erlaube keine andere Entscheidung, so die Kasseler Richter. Die BSG-Entscheidung hat vor allem für noch offene Altfälle Bedeutung.
Bereits seit Mitte 2009 bekommen Hartz IV-Schulkinder nach einer Gesetzesänderung jährlich 100 Euro für Schulmaterialien. Und im Februar diesen Jahres hat das Bundesverfassungsgericht die Hartz IV-Sätze für Kinder für verfassungswidrig erklärt. Diese dürften nicht einfach aus den Sätzen für Erwachsene abgeleitet werden. Die verlangte Neu-Berechnung will Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) in diesem Herbst vornehmen, wobei sie auch auf Gutscheine setzt. Nachzahlungen hat das Verfassungsgericht nicht verlangt.
Mehr Erfolg hatte am Donnerstag ein aids-kranker Hartz IV-Bezieher. Seine zusätzlichen Waschkosten in Höhe von monatlich rund 20 Euro gelten als "atypischer Bedarf", den das Berliner Jobcenter auch für die Vergangenheit übernehmen muss. (Az.: B 14 AS 13/10 R)
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