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Ursula von der LeyenDer Rat und die Präsidentin

CDU-Politikerin Ursula von der Leyen steht am 9. Juni nicht zur Wahl. Trotzdem könnte sie Chefin der Europäischen Kommission bleiben.

Zur Not auch mit der Hilfe von Rechtsextremen an der Macht bleiben: Ursula von der Leyen Foto: Rodenbusch/AP/reuters

Brüssel taz | Für das Europaparlament steht es außer Frage: Die Europawahl ist ein historisches Ereignis. „Nutze Deine Stimme, sonst entscheiden andere für Dich“, wirbt das Parlament um eine hohe Wahlbeteiligung. Diesmal gehe es um nicht weniger als um die Verteidigung der Demokratie, mahnt Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Doch wer die Demokratie gefährdet, sagt Metsola nicht. Geht es um die Rechten? Gilt es, die EU gegen die AfD und Putin zu verteidigen? Oder ist der eigentliche Gegner eine niedrige Wahlbeteiligung? Die Botschaften zur Europawahl 2024 klingen aufrüttelnd und dramatisch, aber auch ziemlich diffus und vage.

Das war nicht immer so. Bei der letzten Europawahl 2019 war noch klar, worum es ging: um das Klima – und um die Besetzung der EU-Spitze. Der konservative Spitzenkandidat Manfred Weber und der sozialdemokratische EU-Kommissar Frans Timmermans traten damals an, um die EU zu führen. Der Wahlsieger, so hieß es, werde Kommissionspräsident. Doch es ist anders gekommen. Am Ende wurde es Ursula von der Leyen, die sich nicht einmal zur Wahl gestellt hatte. Der sogenannte Spitzenkandidaten-Prozess ist damals krachend gescheitert. Das Parlament hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Regeln zu erklären.

Dabei sind sie recht einfach: Die rund 373 Millionen Wahlberechtigten in der EU wählen 720 Abgeordnete. Diese dürfen dann – nach der Konstituierung des neuen Parlaments vermutlich im Juli – die neue Kommissionsspitze wählen. Das Vorschlagsrecht hat allerdings nicht das Parlament, sondern der Europäische Rat – also die Staats- und Regierungschefs. Die Entscheidung über die nächste EU-Kommission fällt deshalb auch nicht bei der Europawahl, sondern beim EU-Gipfel am 27. und 28. Juli.

Eine echte Chance hat nur von der Leyen. Denn sie kommt aus der Europäischen Volkspartei EVP, die in allen Umfragen vorn liegt. Zudem haben sich viele Chefs, auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), bereits für eine zweite Amtszeit der CDU-Politikerin ausgesprochen. Klar, von der Leyen ist umstritten.

Von der Leyen alarmiert sogar Kanzler Scholz

Die Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie und ihre EU-Behörde – es geht um eine milliardenschwere Impfstoff-Beschaffung beim US-Pharmakonzern Pfizer. Für Ärger sorgt auch von der Leyens Flirt mit rechts. Sie will mit Italiens postfaschistischer Regierungschefin Giorgia Meloni und all jenen zusammenarbeiten, die sich wie Meloni zur EU, zur Ukraine und zum Rechtsstaat bekennen – die rechtspopulistische EKR-Partei eingeschlossen. Das hat sogar Scholz alarmiert. „Für mich ist klar, wenn die nächste Kommission gebildet wird, darf sie sich nicht auf eine Mehrheit stützen, bei der es auch die Unterstützung von Rechtsextremen braucht“, sagte er.

Ob das reicht, von der Leyen vom Thron zu stoßen? Selbst wenn – der oder die Ersatzkandidatin würde ja auch von den EU-Chefs ausgesucht. Die Wähler haben nicht mitzureden, auch wenn das Parlament einen anderen Eindruck erwecken möchte. Die frisch gewählten Abgeordneten kommen erst später zum Zuge: wenn es gilt, die neue Kommissionsspitze zu bestätigen. Beim letzten Mal ist es dabei sehr knapp geworden. Von der Leyen bekam nur 9 Stimmen „über den Durst“. 383 Abgeordnete stimmten für sie, 374 waren für die Mehrheit nötig. Diesmal könnte es noch enger werden.

Sozialdemokraten, Grüne und Linke haben bereits damit gedroht, von der Leyen nicht zu unterstützen, wenn diese mit Rechten gemeinsame Sache macht. Ob es so weit kommt, entscheidet sich aber ebenfalls erst nach der Europawahl; die Wähler haben darauf keinen direkten Einfluss. Sie können nicht einmal für oder gegen von der Leyen stimmen – denn die Favoritin kandidiert nicht für einen Sitz im Parlament und steht daher nicht auf dem Stimmzettel.

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