Urheberrecht in der EU: Dialog gegen Upload-Filter
Der Streit um das europäische Urheberrecht brachte der Großen Koalition heftigen Gegenwind. Jetzt werden Nachbesserungen angestrebt.
Die Bundesregierung hofft noch immer, die novellierte EU-Urheber-Richtlinie ohne die umstrittenen Upload-Filter zur Prüfung von Inhalten auf Urheberrechtsverletzungen auf Internetplattformen umsetzen zu können. Ermöglichen soll ihr dies ein Dialog-Prozess, den die EU-Kommission jetzt eingeleitet hat.
Die Reform war Mitte April im EU-Ministerrat endgültig beschlossen worden. Am 6. Juni, also am kommenden Donnerstag, tritt sie in Kraft. Die EU-Staaten haben dann zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Strittig war vor allem Artikel 17 (vormals Artikel 13) der Richtlinie, der die urheberrechtliche Verantwortung von Plattformen wie Youtube und Facebook einführt. Diese sollen Lizenzvereinbarungen mit den Rechteinhabern schließen und dafür sorgen, dass keine unlizensierten Inhalte hochgeladen werden.
Kritiker wie die ehemalige Piraten-Abgeordnete Julia Reda wiesen darauf hin, dass die erforderlichen Uploadfilter so aufwändig seien, dass nur große Konzerne sich die Investition leisten können. Außerdem sei eine derartige Software nicht in der Lage, Parodien, Memes und Remixes zu erkennen. Letztlich sei also auch die Meinungs- und Kunstfreiheit bedroht.
Die Auseinandersetzung um die Urheberrichtlinie wurde neben der Klimapolitik immer wieder als Grund für das schlechte Abschneiden von CDU/CSU und SPD bei der Europawahl, insbesondere bei jungen Wählern, genannt. SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley war als Justizministerin in der Bundesregierung für die Reform zuständig. Der CDU-Mann Axel Voss war im Europäischen Parlament maßgeblich beteiligt. Damals entstanden die Hashtags #niemehrcdu und #niemehrspd. Die große Koalition hat also allen Grund, zu befürchten, dass sie bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht erneut in die Kritik geraten würde.
Die Bundesregierung veröffentlichte deshalb im April eine Protokollerklärung, in der sie als Ziel der Umsetzung angab, „das Instrument ‚Uploadfilter‘ weitgehend unnötig zu machen.“ Sie verwies dabei auf die EU-Richtlinie, wonach sich die Anforderungen an Plattformen am „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ orientieren sollen. Außerdem heiße es: Die Anwendung von Artikel 17 dürfe „nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen.“
Der Bundesregierung ist allerdings klar, dass sie eine Lösung ohne Upload-Filter nicht im Alleingang beschließen kann, schließlich will die EU-Richtlinie eine europaweit einheitliche Lösung schaffen. Außerdem ist es nur schwer vorstellbar, dass globale Plattformen wie Youtube in Deutschland nach anderen Prinzipien funktionieren als im Rest der EU.
Die deutsche Regierung setzt daher auf einen in der Richtlinie vorgesehenen Dialogprozess mit den Interessengruppen, an deren Ende die EU-Kommission „Leitlinien“ veröffentlichen soll. Die Bundesregierung hofft, dass ihr in diesem Dialogprozess doch noch gelingt, woran sie im eigentlichen EU-Gesetzgebungsverfahren gescheitert war: „Uploadfilter nach Möglichkeit zu verhindern“.
Veranstalter des Dialogs ist die EU-Kommission zusammen mit den Mitgliedsstaaten. Eingeladen sind insbesondere die Plattformen (z.B. Youtube und Facebook), die Rechteinhaber (zB. Platten- und Filmfirmen, Verwertungsgesellschaften) und Nutzerorganisationen. Die Bundesregierung ist dabei als Co-Gastgeberin vorgesehen und nicht als Input-Geberin.
Auf taz-Nachfrage erklärte eine Kommissionssprecherin, es werde noch über Art und Zeitplan der Dialoge nachgedacht. Die Leitlinien will die Kommission rechtzeitig vor der Umsetzungsfrist 2021 veröffentlichen. Nach taz-Informationen wird ein erster Workshop von Kommission und EU-Mitgliedsstaaten bereits am 11./12. Juni in Brüssel stattfinden. Der Dialogprozess mit den Interessengruppen dürfte also bald danach beginnen.
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