Upcycling von alten CD-Hüllen: Schweigendes Silber
Die CD war ein Übergangsmedium zwischen analoger und digitaler Ära. Sie taugt nicht mal mehr als Retrochic. Außer, man baut eine Box daraus.
Alles kommt wieder, alles wiederholt sich, alles ist im Fluss. Im Musikbereich bedeutet das: Der Kenner hört Vinyl. Platten sind Sammlerstücke, man stellt sie ins Regal, man schaut sie an, man zelebriert es, sie zu hören. Menschen, die Platten hören, fachsimpeln auch über Rotwein, oder, noch schlimmer, über Craft Beer. Und Craft Beer ist die Modelleisenbahn der Generation Y. So weit die Assoziationskette.
Auch die Kassette wurde irgendwann wieder cool. Da hängen Erinnerungen dran. Mixtapes, an langen Nachmittagen aus dem Radio aufgenommen, immer in der Hoffnung, dass der Moderator nicht ins Ende des Lieds reinquatscht. Bandsalat, den man geduldig mit einem Bleistift in einem der Löcher der Kassette wieder zurück ins Innere befördern musste.
Als ich klein war, hörte man CDs. Meine erste war „Ö“ von Herbert Grönemeyer: türkises Cover, darauf ein riesiges O mit zwei kleinen Punkten innen drin, wie Knopfaugen. Verpackt war die CD in einer Serviette, ich habe sie von meiner Tante geschenkt bekommen. Die Grönemeyer-Phase dauerte eine Weile, Weltschmerzmusik brauchte ich schon damals, mit zehn.
Bei jammernden Männern bin ich geblieben, inzwischen spielen meine Lieblingskünstler aber Gitarre dazu, und ich höre sie im Internet, auf YouTube, Bandcamp, Soundcloud. Das hat vielleicht keine Seele. Aber es ist praktisch. Wo WLAN ist, ist auch meine Musik. Die CDs von früher stehen in einer kleinen Kiste auf dem Speicher meiner Eltern. Ich könnte sie wegschmeißen. Ich hänge nicht dran.
Es fehlt das charmant Ungenaue
Denn die CD hatte kein Comeback und wird auch keins mehr haben. Sie ist ein Übergangsmedium von der analogen in die digitale Ära, etwas, das kurz notwendig war, heute aber niemand mehr braucht. Sie hat nicht dieses charmant Ungenaue von Kassetten oder Platten, keine kleinen Wellen, Höhen und Tiefen. Entweder sie hängt, oder sie hängt nicht. Ihr Dasein war zu kurz, als dass man sich daran erinnern möchte.
Außerdem ist sie einfach unpraktisch. Man kaufte spezielle Taschen mit Platz für 20, für 40 CDs, und trotzdem waren sie ständig zerkratzt. Penible Menschen hatten nur Sicherheitskopien in ihren Abspielgeräten, das Original wurde an einem Ort aufbewahrt, wo kein Staubkorn der empfindlichen Oberfläche etwas anhaben konnte. Und portable CD-Player – die Discmen – waren quasi unbenutzbar, weil jeder Schritt die sensible Elektronik erschütterte und die Musik unterbrach.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Über all das könnte man hinwegsehen, wäre die CD irgendwie ästhetisch. Platten haben riesige Hüllen aus Karton, schön gestaltet – Kunst ist das. Es gibt Versuche, CDs anders zu verpacken als in Plastikhüllen. Aber das sieht lächerlich aus. Wie ein Möchtegern, eine zu klein geratene Platte.
Ja, okay: Eine selbst gebrannte Mix-CD hatte Charme. Die Musik liebevoll zusammengestellt, mit Edding beschriftet, ein paar Herzchen drauf, Sommermixtage #3, von Herzi für Hasi. Aber selbst die sind irgendwann zerkratzt. Außerdem hat kaum ein Laptop heute noch ein CD-Laufwerk und die CD-Spieler, meist unförmige Plastikungetüme, wurden schon vor Jahren entsorgt. Heute schickt man sich Spotify-Playlists. Die Herzchen kann man dann woanders hinmalen.
Für Freunde von Tetrapakwein und Sterni
Aus den alten CD-Hüllen lässt sich aber noch etwas machen. Denn die sehen ja ganz fancy aus, ein bisschen trashig, aber mit Potenzial. Ich habe Kisten daraus gebastelt. Backsteine sollten vielleicht nicht darin lagern – das Plastik ist stabil, aber nicht unkaputtbar –, für Klamotten, Unterlagen, Krimskrams eignen sie sich aber gut.
Die CD-Boxen sind erst mal nix für Plattensammler. Der Plastiklook ist nicht vintage genug, passt nicht zu gutem Rotwein oder Craft Beer. Eher zu Tetrapakwein und Sterni.
Aber sie können aufgewertet werden, die Boxen. Mit einer Gedichtsammlung, deren einzelne Seiten in die Hüllen geklemmt werden, dahin, wo früher die Titelliste war. Wenn es aus der Zeit der CDs auch noch analoge Liebesbriefe gibt, können auch die in die Hülle gesteckt werden; Postkarten, Zeitungsausschnitte, alte Kino- oder Konzertkarten: Alles, was papierdünn ist, passt rein. Oder die Boxen werden noch ein bisschen mehr vertrasht, dann geht das Ganze vielleicht sogar als Stil durch: mit Glitzerfolie im Regenbogenfischstil, Strassperlen oder Goldspray.
Was übrig bleibt: ein großer Haufen Silberscheiben. Auf dem Land sieht man manchmal, dass CDs in Büsche und Bäume am Straßenrand gehängt werden. Ihre spiegelnde Oberfläche soll im Dunkeln das Scheinwerferlicht reflektieren. Das funktioniert sogar, wenn sie zerkratzt sind. In Obstbäumen halten sie die Vögel davon ab, das frische Obst anzupicken. Wer weder Garten noch Landstraße hat, aber dafür Bastelwut und viel Geduld, kann die CDs in kleine Quadrate zerschneiden und eine Styroporkugel damit bekleben – als Discokugel zur Musik aus dem Computer.
Anleitung
1. Zuerst müssen CDs her. Für die kleinstmögliche Box mit einer CD-Hülle als Grundfläche braucht man fünf Hüllen, für größere Varianten acht oder zwölf.
2. Option A: Lassen Sie die Cover in den Hüllen, um Ihren Musikgeschmack zu präsentieren (dafür die Cover auf den CD-Rückseiten einlegen). Option B: Entkernen Sie die Hüllen, um sie durchsichtig aneinanderzukleben. Option C: Legen Sie etwas anderes hinein. Dazu Buchseiten, Folien etc. auf 13,7 mal 11,7 Zentimeter zurechtschneiden. Option D: Für eine verspiegelte Box legen Sie die CDs wieder in die Hüllen.
3. Für eine kleine Box eine CD-Hülle als Grundfläche verwenden und an den vier Seiten je eine Hülle ankleben – mit Heißkleber oder „Kleben statt Bohren“-Kleber. Die Seitenwände stehen nicht auf der Grundfläche, sondern an deren Seiten, vergrößern die Grundfläche also. Beim Kleben beachten, dass die Vorderseiten der Hüllen zur Innenseite der Box zeigen – sie könnten sich sonst nach außen öffnen, was die Box instabil macht.
4. Für eine größere Version zunächst zwei Hüllen (als Grundfläche) zusammenkleben, zudem zwei mal je zwei Hüllen (für die Längsseiten) aneinander kleben und alles gut trocknen lassen, mindestens über Nacht. Danach die Seitenflächen an der Grundfläche ankleben. Hier unbedingt „Kleben statt Bohren“-Kleber verwenden, Heißkleber hält nicht. Zwei Tage trocknen lassen.
5. Jetzt noch bei Bedarf verzieren. Wenn Sie die Boxen mit einer Plastiktüte auskleiden, können Sie sie auch als Pflanzentopf verwenden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“