Unterwegs mit dem Nachtzug: Schlaflos nach Rijeka

Auf dem Weg von München zur kroatischen Adriaküste gestaltet sich das Schlummern schwierig. Schuld sind die nicht enden wollenden Rangierfahrten.

Blick in einen Liegewagen.

Liegewagen der kroatischen Bahn auf der Strecke München-Rijeka Foto: Ute Grabowsky/photothek/imago

RIJEKA taz | Die Hafenstadt Rijeka an der Adria ist das Tor zu den nördlichsten kroatischen Inseln. Sie lässt sich per Nachtzug ab München erreichen. Täglich um 23.20 Uhr geht es los. Die Kurswagen steuern Budapest und Venedig, Ljubljana, Zagreb und Rijeka an. Die Fahrt an die Grenzen des alten k.u.k.-Vielvölkerimperiums wird ironischerweise wieder von der österreichischen ÖBB angeboten.

Buchbar ist der Zug mit Sitzabteilen, 6-Personen-Liegewagen und Schlafwagenabteilen mit bis zu drei Personen direkt oder über die Deutsche Bahn. Der Preis für zwei Personen liegt zwischen etwa 60 und 200 Euro. Radmitnahme scheint in den Kurswagen nicht möglich. Der Schlafwagen wird von der kroatischen HŽ betreut. Die Waggons aus den 1990ern sind funktional und sauber, der Service nüchtern-zuvorkommend. Unser Zweierabteil hat ein Waschbecken, für zwei mittelgroße Tourenrucksäcke ausreichend Stauraum und Steckdosen. Schlafen ist auf der Verbindung leider schwierig. Die Wagen nach Rijeka sind die ersten hinter der Lok, und Rangierfahrten wiederholen sich rumpelnd in der Nacht: Salzburg, Villach, Ljubljana.

Ab Pivka führt die 1873 eröffnete Anschlussstrecke an die legendäre Südbahn Wien–Triest zum Adriahafen Rijeka, damals italienisch Fiume genannt. Durch Südslowenien und Istrien fährt der Zug nach Sonnenaufgang, das Alpenpanorama muss man im Dunkeln hinter sich lassen. Frühstück – Instantkaffee, Marmelade und Brot in Plastik – ist im Abteilpreis inklusive und wird nach slowenischer und kroatischer Grenzkontrolle gebracht. 2023 sollen diese Geschichte sein – die Fahrt dank Beitritt Kroatiens zum Schengenraum so ungestört wie seit Habsburger Zeiten nicht mehr.

Etwa 9 Uhr öffnet sich der Blick vom hoch gelegenen Gleis auf die Adria, die Berge, die Insel Cres. Der Zug ließ den Halt Opatija aus. Das Bahnhofsgebäude zeugt von der Geschichte der k.u.k.-Eliten um 1900. In Rijeka um 9.30 Uhr: Man steht zwischen zwei Palästen, die die Moderne der Industrie erbaute: der 1891 fertiggestellte klassizistische Bahnhof und ein imposantes Getreidesilo.

Das vormalige Fiume spiegelt Gesellschaftsgeschichte. Klassizismus und Jugendstil, Bauhaus und sozialistischer Modernismus. Clubs in Bunkern und die erste Punkband im realen Sozialismus (Paraf, 1976). Strudel, Burek und Gelato. Die europäische Kulturhauptstadt 2020 hat noch ihr multikulturelles, multilinguales Flair, wenn auch von ihren italienischen, jüdischen, serbischen Bevölkerungsteilen nach der Gewalt des 20. Jahrhunderts kaum etwas übrig ist.

Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Denn viele Ange­bote sind kaum bekannt. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden.

Alle vorherigen Folgen finden Sie auf www.taz.de/nachtzugkritik.

Dass seit Kroatiens EU-Beitritt 2013 nicht der Status als größter Hafen der Region zurückkehrte, hat auch mit der Welt der Schienen zu tun: Koper (in Slowenien) war neun Jahre früher in der EU. Die Bahnstrecke nach Rijeka hingegen ist heute noch so eingleisig wie einst von der Südbahn-Gesellschaft gebaut.

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